Von Jens Brüning

Mehrere Blätter befassen sich mit dem Ende von Ulrich Wickerts Büchersendung in der ARD, Thema ist in den Zeitungen zudem die Vergabepraxis beim Deutschen Filmpreis und die Verleihung der Ehrendoktorwürde an den türkischen Dichter und Nobelpreisträger Orhan Pamuk in Berlin.
"Ich schreibe jetzt erst mal meinen Krimi","

lasen wir am Wochenbeginn in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Der einstige Mister Tagesthemen, Ulrich Wickert, hatte bekannt gegeben, dass er seine Büchersendung im Ersten Deutschen Fernsehen nach der Sendung am 20. Mai aufgeben werde. Es habe nicht an den Quoten gelegen. Die waren immerhin höher als die der nun verbleibenden Büchersendung "Druckfrisch" von Denis Scheck.

Wenn man alle Verlautbarungen zu diesem Thema studierte, lag es wohl daran, dass Ulrich Wickert sich gern pro Sendung mit nur einem Dichter oder einer Romanciére unterhalten hätte, während die Redaktion lieber drei Gäste pro Sendung laden wollte. "

"Wie das eben so ist im modernen Fernsehen"," kommentierte die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG am Mittwoch und stichelte: ""Im modernen Fernsehen, in dem vor allem nicht Ruhe eintreten darf."

Im Berliner TAGESSPIEGEL am Sonntag nun wird Rainer Moritz grundsätzlich. Zusammenfassend lesen wir bereits im Titel:

"Die Fernsehgewaltigen lieben die Literatur – nur nicht in ihrem Programm."

Den angesprochenen Damen und Herren der ARD wird "Konzeptionslosigkeit" attestiert, und der Termin um die mitternächtliche Stunde des Sonntagabends mit "Geisterstundenstrafbank" bezeichnet.

Immerhin kann, wer nicht erst vor Tau und Tag über Bücher Pointiertes erfahren möchte, die Kommentierung der aktuellen Bestsellerliste schon im TAGESSPIEGEL am Sonntag vor-lesen. Und Rainer Moritz kommt in seinem Strafgericht wider die ARD-Oberen denn auch zum finalen Stoßseufzer:

"Vielleicht könnte es ja auch den Kulturträgern unter den ARD-Programmmachern gefallen, wenn sich auf ihren Kanälen intelligente Menschen über intelligente Dinge unterhalten und zur Beschäftigung mit diesen auffordern."

Das Problem aber ist: Wer sich täglich entscheiden muss, ob er Kultur oder Verantwortung tragen will, wird sich immer für die Verantwortung entscheiden.

Um noch ein wenig bei der Kultur zu verharren: Am Freitag wurde der Deutsche Filmpreis vergeben, und alle waren zuvor entsprechend aufgeregt. Anke Westphal wies am Mittwoch in der BERLINER ZEITUNG darauf hin, dass die im Jahre 2003 gegründete Deutsche Filmakademie das Preisgeld in Höhe von drei Millionen Euro aus dem Topf des Steuerzahlers in eigener Verantwortung an sich selbst vergebe.

Sie war mit dieser Kritik nicht allein. Katja Nicodemus nahm sich in der Wochenzeitung DIE ZEIT gleich den Präsidenten der Deutschen Filmakademie, den Produzenten Günter Rohrbach, vor. Der nämlich hatte auf die Kritikerzunft geschimpft, sie urteile am Publikum vorbei und bevorzuge Abseitiges. Katja Nicodemus wies darauf hin, dass der Präsident vor allem in eigener Sache argumentiere, und sie berichtete über Regisseure und Schauspieler, die mit guten Argumenten die Akademie bereits wieder verließen.

Besonders heikel scheint, was wir in der ZEIT über die vorausschauende Verfilzung der Akademie lasen:

"Eine Ausnahmeklausel gestattet der Deutschen Filmakademie, auch befangene Juroren zu ernennen, wenn sich nicht genügend unbefangene Kandidaten unter den Akademiemitgliedern finden. Sie müssen bei der Diskussion über den eigenen Film nur kurz den Mund halten."

Dazu passt ein Zitat aus der FRANKFURTER RUNDSCHAU. Es bezieht sich allerdings auf die Tournee des türkischen Dichters und Nobelpreisträgers Orhan Pamuk durch verschiedene deutsche Großstädte. "Auch der schweigende Autor", schrieb Harry Nutt in der Sonnabendausgabe der FR, "ist ein politischer Autor, weil das meiste in seinem Werk schon gesagt ist."

Orhan Pamuk bekam am Freitag die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin, eine Ehrung, die – so betonten die FU-Professoren – vor der Bekanntgabe des Nobelpreises beschlossen wurde. Im Berliner TAGESSPIEGEL vom Sonnabend zitierte Literaturredakteur Gerrit Bartels den Laudator. Der Giessener Turkologe Mark Kirchner sagte über Dr. h.c. Pamuk:

"In seinem Land gibt es Millionen von Menschen, die sich angesichts der Herausforderungen, denen ihr Land zwischen orientalischer Vergangenheit und europäischer Zukunft gegenübersteht, weder in einen erstarrenden Isolationismus noch auf eine Reise in die Vergangenheit begeben möchten."

Gerrit Bartels schreibt im TAGESSPIEGEL:

"So gelöst, so entspannt hat man Orhan Pamuk die vergangenen zwei Jahre bei seinen Aufenthalten in Deutschland zumindest öffentlich nicht gesehen."

Eher verspannt waren die Beteiligten der zweiten Islam-Konferenz, die in der vergangenen Woche zusammentrat. Eine Vielzahl von Artikeln erschien zu der personellen Zusammensetzung der vom Innenministerium einberufenen Versammlung. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG nun ist unter der Überschrift "Der Hochmut des Westens" ein Artikel von Nils Minkmar zu lesen. Er erinnert unter anderem an die Umstände, unter denen einst das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zustande kam und daran, was dort alles geschrieben steht. Es beginnt schon beim Artikel 1, der bestimmt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Nils Minkmar erinnert daran:

"Nicht die Würde des Deutschen, des Visumsinhabers, des Steuerzahlers, desjenigen mit den richtigen Papieren – die des Menschen. Auch die des Kriminellen, des Extremisten, des verhinderten Kofferbombers soll geschützt werden, und es kommt im zweiten Satz bekanntlich noch doller: Der Staat muss sich um die Würde solcher Typen auch noch kümmern."

Im Zeitalter der Missachtung des Grundgesetzes, der Bill of Rights, der Genfer Konvention und anderer Grundlagen menschlichen Zusammenlebens fordert Nils Minkmar in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG:

"Höchste Zeit, in diesen Texten zu lesen. Ihre Umsetzung käme, beim derzeitigen Zustand des Westens, einer Revolution gleich."