Von Jens Brüning

Wie wird sich der Einstieg zweier Finanzinvestoren beim Suhrkamp-Verlag auswirken? - Damit befassten sich die Feuilletons in den vergangenen Tagen. Außerdem: Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin, verleibt sich den Posten des Kultursenators ein. Und: Der Kunsthandel hat in den vergangenen Wochen rekordverdächtige Umsätze gemacht.
"Ich würde nicht sagen, dass die Zukunft weniger vorhersagbar ist als die Vergangenheit. Die Vergangenheit war nicht vorhersehbar, als sie begann", lasen wir am Freitag in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Es handelt sich dabei um einen "philosophischen Aphorismus" des ehemaligen Verteidigungsministers der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Rumsfeld. Nicolaus Richter und Felix Denk haben anlässlich seiner Entlassung aus dem Amt zwei Dutzend dieser klassischen Sentenzen zusammengestellt. Ein besonders zutreffendes Zitat: "Der Tod neigt dazu, eine deprimierende Sicht des Krieges zu vermitteln."

Ebenfalls am Freitag wurde auf der ersten Seite der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichtet, dass der Frankfurter Suhrkamp-Verlag neue Eigentümer bekomme. "Pathos, Drama, Intrige" stand über dem Artikel von Ijoma Mangold, und das kennzeichnet diese Verschiebung von Eigentumsanteilen offenbar sehr genau. Wie ein Lauffeuer sprach sich herum, dass sich nach fünfzig Jahren der Schweizer Philanthrop und Geschäftsmann Andreas Reinhart von seinen Anteilen am Verlagshaus in der Lindenstraße trennen will. Einsteiger sind der Hamburger Medienunternehmer Hans-Georg Barlach, ein Enkel des Künstlers Ernst Barlach, und der Investmentbanker Claus Grossner. Uwe Wittstock wunderte sich in der Tageszeitung DIE WELT über diese Transaktion, da über die verlegerischen Erfahrungen der Nordlichter nichts bekannt sei und außerdem wohl das letzte Wort in Sachen Verkauf von Minderheitsanteilen die Haupteignerin Ulla Berkéwicz, Witwe des langjährigen Verlagschefs Siegfried Unseld, haben müsse. Wittstock urteilte am Freitag in der WELT: "Was der Verlag jetzt am allerwenigsten brauchen kann, sind Investoren, die mitreden wollen, aber vom Buchgeschäft nichts verstehen."

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG war selbigen Tags zu lesen, dass Anteilseigner Reinhart sich mit den Frankfurtern überhaupt nicht verstanden habe. "Zwischen mir und diesen Leuten", sagte Reinhart der FAZ, "ging es einfach nicht länger." Außerdem erwähnte Hubert Spiegel, dass Barlach und Grossner durchaus Erfahrungen in der Verlagsbranche hätten. Am Sonnabend wussten Eberhard Rathgeb und Hannes Hintermeier mehr und schrieben in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG über "Hirnzonenreflexmassage". Der Berater der beiden Investoren, der ehemalige Verleger Arnulf Conradi, wurde zitiert: "Das ist gut für Suhrkamp." Andererseits knurrte Suhrkamp-Unternehmenssprecher Thomas Sparr, "Minderheitenteilhaber würden kein Programm machen." So las man es auch in der Sonnabendausgabe der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, in der Ijoma Mangold Gespräche mit allen Betroffenen wiedergab. Claus Grossner sagte ihm unter anderem: "Wir werden sehr freundliche Gespräche führen, und ich bin sicher, dass wir zu intelligenten Lösungen kommen." Das sieht man in Frankfurt anders und will zunächst die Verträge prüfen. So bleibt wohl Claus Grossers Äußerung im neuesten SPIEGEL, man wolle "das geistige Erbe dieses traditionsreichen Hauses in eine neue Zeit retten", nicht das allerletzte Wort, zumal die verlegerische Geschäftsführerin Ulla Berkéwicz, die sich krank gemeldet hatte, der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG inzwischen ihre Sicht der Dinge dargelegt hat. "Keiner hat Mitspracherecht im Verlag", ist dort zu lesen, und auf die Frage von Volker Weidermann nach Reaktionen der Suhrkamp-Autoren auf den Deal, die sich mit Glückwunschtelegrammen an Claus Grossner gewandt haben sollen, meint Frau Berkéwicz: "Na, welche Autoren sind denn das wohl?"

Donald Rumsfeld, um auf seine Aphorismen zurückzukommen, sagte: "Alles, was ich sage und nicht hätte sagen sollen, habe ich nie gesagt."

Das bringt uns auf das zweite große Thema der Woche, die Abschaffung des Berliner Kultursenators. Bei der Regierungsbildung wurde der ungeliebte bisherige Amtsinhaber Thomas Flierl von der PDS nicht wieder engagiert. Stattdessen wird das Ressort vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit mitverwaltet. Das Hauptproblem ist Wowereits Kulturbegriff. "Die Feier der Kultur und die Kultur des Feierns scheinen dem Golfspieler und Hobbykoch Wowereit gleich wichtig", erfuhren wir aus der WELT am Mittwoch, und Claudia Schwartz warnte in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG: "Ein verheerendes Signal."

Völlig andere Signale wurden in der vergangenen Woche im Bereich der Literatur und des Kunsthandels laut. Der französisch schreibende Amerikaner Jonathan Littell erhielt den Prix Goncourt für ein Buch, von dem Tilman Krause in der Tageszeitung DIE WELT meinte, mit ihm erreiche die "Entwirklichung des Dritten Reiches eine neue Stufe". Dagegen urteilte Johannes Willms in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, der Roman sei "ein großer Wurf". Der Historiker Peter Schöttler wiederum mutmaßte im Berliner TAGESSPIEGEL, "Heil Hitler" sei "nun offenbar auch zum Trinkspruch einiger Verlage geworden." Romain Leick zitiert im neuesten Heft des SPIEGELs den Filmregisseur Claude Lanzmann, der den Roman eine "giftige Blume des Bösen" nannte.

Im Kunsthandel wurden letzte Woche ungeheure Umsätze gemacht. Andrian Kreye staunte am Freitag in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, das Bild von zwei Häusern, die Egon Schiele in Österreich gemalt hatte, habe einen Betrag erbracht, der den "Wert der Häuser selbst um rund das Zehnfache" überstieg. Das Bild war gegenüber anderen Stücken bei Sotheby’s und Christie’s preiswert: "20 Millionen". Dollars, nehmen wir an. Und der Mann, der das meiste Geld für die Kunst ausgab, Ronald S. Lauder vom gleichnamigen Parfümkonzern, wurde in der Sonnabendausgabe der WELT von Peter Dittmar porträtiert. Er kaufte für 38 Millionen Dollar die "Berliner Straßenszene" von Ernst Ludwig Kirchner, die bis August dieses Jahres noch im Berliner Brücke-Museum hing.

Was sagte Donald Rumsfeld? Er sagte: "Wie wird es enden? Es endet. Das ist es."