Von Jens Brüning

Die "Süddeutsche Zeitung" befasst sich mit dem geplanten "Rückbau" des Palastes der Republik und sieht eine "Lust am Abriss historischer Bauwerke". Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" erkundet den weithin unbekannten Bezirk Lichtenberg im Berliner Osten. Und die Welt berichtet vom Journalisten Rainer Gummelt aus Leipzig, der 16 Jahre lang Topagent des DDR-Geheimdienstes war.
"Die Europäer seien von Wohlstand korrumpiert, weil sie schon lange keinen echten Krieg mehr erlebt hätten", zitiert Christoph Ehrhardt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den Publizisten Henryk M. Broder, der anlässlich einer Tagung zu "Islamismus und Journalismus" in Berlin dieser Vermutung die Begründung hinzufügte, "ihnen sei deshalb die Fähigkeit abhanden gekommen, auf existentielle Probleme angemessen zu reagieren."

In Zeiten steilster Thesen tut Ruhe gut, und daher wechseln wir sofort zur SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Darin findet sich eine ganze Seite über "die Lust am Abriss historischer Bauwerke". Anlass ist der "Rückbau" des Palasts der Republik in Berlins Mitte. Man muss das mit dem "Rückbau" wörtlich nehmen, erklärt uns Marcus Jauer, der sich bei dem für den Vorgang zuständigen Bauingenieur erkundigt hat. Der erläuternde Satz entbehrt jedoch einer gewissen Komik nicht:

"Der Palast der Republik wird genauso abgebaut, wie er einmal aufgebaut wurde, nur jetzt eben rückwärts."

Wie wir im weiteren Verlauf des Artikels lernen, handelt es sich auch um ein statisches Problem, worunter man sich eine Art Schaukel vorstellen muss, auf deren einer Seite der wilhelminische Dom steht, auf der anderen der Palast. Wenn die eine Seite leer ist, geht die andere herunter, das heißt: der Dom versackt im Sand der Spree. Darum muss jetzt sehr viel Sand herangeschafft und in die Wanne unter dem zurückzubauenden Palast gespült werden.

In einem anderen Beitrag auf dieser Seite der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG referiert Holger Liebs "eine kleine Kulturgeschichte der Zertrümmerung". Darin lesen wir: "Wenn Bauen bedeutet, gegen die Leere des Raumes anzukämpfen, heißt Abreißen: die Leere umarmen."

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG erkundet Christian Schwägerl den weithin unbekannten Bezirk Lichtenberg im Berliner Osten. Der liegt zum größten Teil außerhalb des S-Bahn-Rings und war einmal ein Industriebezirk. Heute beginnen – sehr zaghaft – junge Leute dort preiswerte Quartiere zu belegen für zukunftszugewandte Projekte. Nach der Lektüre dieses Artikels wird aus Lichtenberg sicher nicht sofort eine Boomtown, aber immerhin gibt es schon einen Asien-Großmarkt, und wenn man an die Rolle Chinas im Zusammenhang mit Globalisierung denkt, keimt Hoffnung.

Manche Hoffnung erlischt. In der Tageszeitung DIE WELT berichtet Uwe Müller vom Journalisten Rainer Gummelt aus Leipzig, der 16 Jahre lang Topagent des DDR-Geheimdienstes war. Gummelt ist im vorgezogenen Ruhestand, nachdem er nach der Wende noch eine hübsche Karriere als Medienmacher erleben durfte. DIE WELT weiß, dass Rainer Gummelt die Staatssicherheit auf einen Mann aufmerksam machte, der nun auch schon einige Zeit in den Schlagzeilen ist: ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf. Über den schreibt Grit Hartmann in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Anlass ist die für Dienstag vorgesehene Entscheidung der ARD-Intendanten über die Weiterbeschäftigung von Boßdorf in dieser Position. Das aber ist nur der Hintergrund, denn eigentlich geht es um eine Klage, die alle neun Landesrundfunkanstalten zusammen mit Hagen Boßdorf gegen den Heidelberger Doping-Aufklärer Werner Franke angestrengt haben. Der Fall ist kompliziert. Kurz gesagt ist der Vorwurf des Molekularbiologen, Boßdorf verschleiere im Einvernehmen mit dem Radrennteam der Telekom die Wahrheit über das "kriminelle Unternehmen namens Radsport". Die Spannung des Publikums bleibt auf hohem Niveau.

Am Sonnabend verstarb an ihrem 85. Geburtstag die amerikanische Feministin Betty Friedan. Konstantin J. Sakkas würdigt sie im Berliner TAGESSPIEGEL:

"Unerbittlicht entlarvt Friedan den 'häuslichen Kreis', den der Freiheitsdichter Schiller noch ganz unrevolutionär besang, als goldenen Käfig, der die in ihm gefangene Frau in die fürchterliche Aporie des horror vacui hineinstößt."