Von Jens Brüning

Die "Süddeutsche Zeitung" lobt das "Große Promi-Grillen" bei "Sat1" und vergleicht den Wodka-Gebrauch von Russen und Ukrainern. Der "Focus" zieht eine Bilanz der 1968er Bewegung. "Die Welt" untersucht die Ernährungsgewohnheiten von Welsen.
Als Saure-Gurken-Zeit bezeichnet man bei den Medien jene Zeit, in der sich nicht viel tut und daher über jede Kleinigkeit berichtet wird, die man normalerweise ignoriert. Die Gurke an sich kann nichts dafür, sie pflegt nur zu eben dieser Zeit ihre Hochkonjunktur zu haben. Die Ernte der Einlegegurken beginnt Mitte Juli, sobald die Früchte 69 cm lang sind. Je öfter geerntet wird, desto höher ist der Ertrag. Soviel zur Saison. Nun zu den Themen. Auf der Medienseite der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG legt Christopher Keil wert auf die Feststellung, dass bei der seiner Meinung nach überzeugenden Grill-Show im kommerziellen SAT1-Fernsehen kein Tier zu Schaden gekommen sei. Dafür fehlt der SZ in diesem Fall eine halbe Seite für wesentliche Themen.

In der Tageszeitung DIE WELT erfahren wir alles über einen anscheinend besonders heimtückischen Fisch, der ebenfalls stets zur Saure-Gurken-Zeit in die Schlagzeilen gerät. Er heißt Wels und wird Silurus glanis genannt, lebt im Süßwasser und nährt sich unter gewissen Bedingungen auch von kleinen Säugetieren. Dass dazu Dackel und kleine Kinder gehören, steht nicht im Lexikon, aber in der WELT-Kolumne "Haare und Federn". Folglich werden wir ernsthaft ermahnt:

"Das Grauen in der Tiefe ist Wirklichkeit."

Wir kehren zurück zur SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und erfahren dort alles über den rechten Gebrauch des Wodkas. Als Experte tritt der 1960 in der Westukraine geborene Schriftsteller Juri Andruchowytsch auf, der auf die unterschiedliche Handhabung des scharfen Getränks durch Russen und Ukrainer aufmerksam macht:

"Verallgemeinernd könnte man sagen, dass es sich im ukrainischen Fall um ein Mittel handelt, im russischen aber um den Zweck selbst."

Das heißt, denken wir, der Russe säuft, der Ukrainer genießt. Zu befürchten aber sei ein Kataklysmus, warnt Andruchowytsch in der SZ. "Kataklysmus" ist auf Deutsch eine plötzliche Vernichtung, wobei im Zusammenhang mit Wodka wahrscheinlich der Begriff Sintflut zutreffender ist. Der Lobsänger des Wodka-Trinkens Andruchowytsch aber befürchtet angesichts der sich verändernden Trinkgewohnheiten seiner jüngeren Landsleute, man werde "mit einem ungeahnten zivilisatorischen Kataklysmus konfrontiert – der totalen Ausnüchterung der Slawen."

Das bringt uns nun zum Saure-Gurken-Thema des Wochenmagazins FOCUS. Michael Klonovsky und Martin Scherer ziehen eine Bilanz der 1968er-Bewegung. Positiv ist ihrer Meinung nach, dass alles etwas lockerer und vergnüglicher geworden sei in der Bundesrepublik. Positiv finden sie offenbar auch, dass diejenigen, die sich zur "Generation 1968" zählen, nun diese Bilanz ziehen können:

"Sie gehören zur letzten Generation, die in die Vollbeschäftigung hineinwuchs und die von jenem Staat, den sie immer ablehnten, eine Rente beziehen wird."

Neidlose Bewunderung, registrieren wir. Eine hübsche Statistik findet sich in diesem schwer beleidigten Beitrag auch. Erinnert wird an die Abschluss-Demonstration des Internationalen Vietnam-Kongresses vom Februar 1968. Zu der kamen 12.000 Teilnehmer. Über ein Vierteljahrhundert später, nämlich 1995, kamen über 24.000 Münchener zu einer Demonstration zusammen. Die war allerdings nicht politisch, sondern man forderte längere Öffnungszeiten für Biergärten.

Ein anderes FOCUS-Zitat entspricht wohl den Tatsachen. Der Historiker Joachim Fest meinte zum spät aufkeimenden Interesse der APO am Nationalsozialismus:

"Deren Interesse wurde erst geweckt, als sie erkannten, dass sich die Nazi-Zeit instrumentalisieren ließ, um Angehörige der älteren Generation aus ihren Posten zu drängen."

Die Gurke übrigens gehört zur Beeren-Frucht. Die zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Samen erst freigibt, wenn das Fruchtfleisch zugrunde geht.