Von Jens Brüning

Die "Berliner Zeitung" befragt den möglichen Nachfolger von Kulturstaatsministerin Christina Weiss, Norbert Lammert, zur christlich-demokratischen Zukunft der Kultur in Deutschland. In der "Neuen Zürcher Zeitung" entwickelt der Soziologe Ulrich Beck "eine kosmopolitische Vision". Und die "Süddeutsche Zeitung" versucht, das Abstimmungsergebnis in den Niederlanden zu erläutern.
Die BERLINER ZEITUNG ist neulich sechzig Jahre alt geworden. Man sieht es ihr von außen nicht an. Und auch innen ist das Bemühen nach Frische groß. Zum frühest möglichen Zeitpunkt haben Birgit Walter und Sebastian Preuss den kulturpolitischen Sprecher der Christlich Demokratischen Union Deutschlands, Norbert Lammert, zur christlich demokratischen Zukunft der Kultur in Deutschland befragt. An sich ist der Abgeordnete Lammert mit der Kulturpolitik ganz zufrieden, bloß die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern ist ihm ein wenig zu bunt gemischt. Da würde er, der weder bestätigen noch dementieren will, dass er möglicherweise Christina Weiss im Amt nachfolgen wird, lieber klare Konturen sehen. Und die Berliner Staatsoper hätte er ohne Wimpernzucken in Bundesbesitz genommen, lesen wir aus diesem Interview in der BERLINER ZEITUNG.

An anderer Stelle in diesem Blatt beklagt Sebastian Preuss die bevorstehende Abschaffung des Museumspädagogischen Dienstes der Hauptstadt. Mehr als ein Drittel seines Etats soll er einsparen. Das heißt auf Deutsch: Berlin begibt sich der Möglichkeit, seine wundervollen Kulturhervorbringungen marketing-mäßig unter das Publikum zu streuen. Wann wird man endlich lernen, dass man - um Geld einzunehmen - zunächst einmal Geld mit vollen Händen auf den Markt werfen muss?

Nach den Abstimmungen über die Europäische Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden suchen die deutschsprachigen Feuilletons nach Erklärungen. In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG entwickelt der Soziologe Ulrich Beck "eine kosmopolitische Vision". Man kann das in zwei Sätzen nicht wiedergeben, es sei denn man nimmt Becks Schlagworte auf: "Souveränitätsverzicht erweitert Souveränität." Oder: "Vielfalt ist kein Problem, sondern die Lösung." Und schließlich möchte Ulrich Beck gerne, dass die Menschen in diesem vielgestaltigen Vielvölkerstaat mit den gemeinsamen Interessen sowohl Wurzeln als auch Flügel besitzen.

In der Tageszeitung DIE WELT berichtet der Schriftsteller und Übersetzer Michael Kleeberg von "Erfahrungen der letzten Tage in Frankreich". Kleeberg hat bemerkt, dass der Streit vor allem zwischen Besitzenden und Besitzlosen tobt, also Globalisierungsgewinnern und Globalisierungsverlierern. Es keimt jedoch Hoffnung in ihm, wenn er schreibt: "Eine europäische Einigung, um die mit derart harten Bandagen gekämpft wird, kann jedenfalls keine tote Idee sein."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hat sich des Sachverstandes der niederländischen Architekten Rem Koolhaas und Reinier de Graaf versichert, um ihren Lesern das Abstimmungsergebnis in den Niederlanden zu erläutern. In den Niederlanden sei gegen Führung überhaupt abgestimmt worden, erfahren wir aus dem von Jörg Häntzschel geführten Gespräch. Die Leute seien im Nachhinein zu bereits gefällten Entscheidungen befragt worden und das habe ihnen nicht gepasst. Rem Koolhaas plädiert für eine Allianz zwischen Europa, China und Indien, um dem US-amerikanischen Globalisierungssystem Paroli zu bieten. Man wird darüber nachdenken müssen. Vielleicht wieder etwas kleinteiliger, wie zum Beispiel kürzlich in Berlin, als es auf einer Tagung um spanisch-deutsche Gemeinsamkeiten ging. Die spielten bekanntlich vor allem vor fünfundsechzig Jahren eine Rolle, als in Spanien Franco und in Deutschland Hitler herrschte. Franziska Augstein berichtet darüber in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Vor allem der letzte Satz ihres Artikels ist merkenswert: "Nationen können aus der Geschichte lernen, aber dafür müssen sie zuvor erlebt haben, dass sie verdorben wurden."