Von Jens Brüning

Die Feuilletons gratulieren unter anderem dem Dirigent Pierre Boulez zu seinem 80.Geburtstag.
Wenn man die Literaturseite der Süddeutschen Zeitung aufschlägt, liest man eine Überschrift, die von einer scheinbar ewigen Wahrheit kündet: "Es schweigt der Mann, solang er spricht." Diese Überschrift aber steht über einem Doppelporträt der beiden Schreibenden in der Familie Lustiger / Frankfurt, Paris. Arno Lustiger ist der gelernte und äußerst erfolgreiche Unternehmer in der "Damenmodebekleidungsbranche", der als autodidaktischer Historiker den Menschen bewies, dass die Juden sich von den Nazis nicht wie Lämmer zur Schlachtbank führen ließen, sondern erfolgreicher widerständig waren, als man ahnte. Seine Tochter Gila, 1963 geboren, hat einen Familienroman geschrieben, der von der Familie Lustiger erzählt. Beide saßen Ijoma Mangold in einem berühmten Berliner Hotel gegenüber, und er kam sich dabei ein wenig vor, wie ein Mann im fremden Badezimmer, was ihn sehr ehrt. Der SZ-Autor berichtet uns dennoch von der bohrenden Frage des Vaters an die Tochter, was so schlimm sei am Entchenfüttern im Frankfurter Palmengarten.

Auf der Medienseite der Süddeutschen Zeitung lesen wir die Kehrseite der Geschichte der Familie Lustiger, nämlich ein Interview mit dem Regisseur Heinrich Breloer, der einen Film über Hitlers Rüstungsminister Albert Speer gedreht hat. Das Interview liest sich sehr spannend und sei zur gründlichen Lektüre vor dem vom 9. bis 11. Mai im ARD-Fernsehen laufenden Dreiteiler ausdrücklich empfohlen. - Im Wochenmagazin Focus erklärt der 49-jährige Historiker Norbert Frei seinem Interviewer Stephan Sattler, "wie sich das Hitler-Bild der Deutschen wandelt"." Bemerkenswert scheint dem derzeit in Jena lehrenden Zeitgeschichtler, dass sich die Menschen heutzutage mehr für Geschichten interessieren, nicht so sehr für Geschichte. Immerhin ist er zuversichtlich, ""dass die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit auch weiterhin aktuell bleibt"."

Ewiges Rätsel Presseschau: Welche Brücke führt von Hitler zur nachlassenden Sangeslust der Deutschen, über die der Bariton-Star Thomas Quasthoff mit Spiegel-Redakteur Klaus Umbach spricht? Also, Thomas Quasthoff hat grundsätzlich ""keine Zweifel an der wohltuenden Wirkung des Singens", denn "Wer singt, öffnet sein Herz"." Aber, das lesen wir in diesem Gespräch auch: die Sangeslust der Deutschen hat einen durch die Nazizeit verursachten Dämpfer bekommen, dem heute noch "Glotze und Computer" zur Seite treten und das Gefühl der Jugend, nur ganz besonders "cool" sei das Leben zu bestehen.

""Aus meiner Oper wird wohl nichts mehr", stöhnt der Komponist und Dirigent Pierre Boulez in der Tageszeitung Die Welt. Er feiert am Sonnabend in Berlin seinen 80. Geburtstag, und Die Welt ist nicht das einzige Blatt, das ihm zu Ehren viel Platz frei geräumt hat. In der Süddeutschen Zeitung ist ein Gespräch mit Reinhard-J. Brembeck abgedruckt, und in einem Extrakasten dort lesen wir einen Geburtstagsgruß vom Komponistenkollegen Wolfgang Rihm. Er gratuliert ""dem humorvollen, wunderbaren Menschen, dem abgründig unfassbaren Künstler Pierre Boulez"." In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung singt Wolfgang Sandner ein recht hymnisches Ständchen, und Peter Hagmann lobt in der Neuen Zürcher Zeitung den Dirigenten Boulez, der bei der Interpretation der Werke seiner Komponistenkollegen darauf abziele, "den unerhörten strukturellen Reichtum dieser Werke mit aller Genauigkeit, und das heißt: mit aller Liebe auszubreiten." Im Berliner Tagesspiegel schließlich kommt Daniel Barenboim zu Wort, der seit über vierzig Jahren mit Boulez eng befreundet ist. Er hat ihm den Geburtstag in Berlin ausgerichtet, und er wünscht: "Kraft! Inspiration!"