Von Jens Brüning
Der 11. April 1954 war doch nicht der langweiligste Tag des Jahrhunderts, stellt Deutschlands bekanntester Theaterwüterich klar. Ein ebenso namhaftes Feuilleton ermahnt die von Wikileaks berauschten jungen Journalisten.
„Briten und ihre Suchmaschinen haben keine Ahnung“, lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Gerhard Stadelmaier glossiert das Forschungsergebnis eines „ziemlich gelangweilten britischen Computerwissenschaftlers“, nach dem der 11. April 1954 der absolut langweiligste Tag des zwanzigsten Jahrhunderts war. Jener Forscher hatte seinen Blechtrottel mit 300 Millionen Fakten – Stadelmaier schreibt: „sogenannten Fakten“ – gefüttert, und heraus kam:
„Es sei an diesem Tag nichts passiert; niemand sei geboren worden oder gestorben, nichts explodiert, nichts zusammen- oder ausgebrochen.“
Pustekuchen, meint Stadelmaier in der FAZ und weiß es besser: Er hatte nämlich an jenem Tag ein Dreirad der Luxusklasse geschenkt bekommen, es flugs gegen ein Leberwurstbrot aus der Hand seiner damaligen Herzensgöre getauscht und dafür die seinerzeit üblichen väterlichen Backpfeifen eingehandelt. Kurz:
„Die junge Liebe zerbrach. Sie hat dann auch jemand anderen geheiratet.“
Die Lehre aus dieser Glosse ist so alt wie die Geschichte von Archiven welcher Art auch immer: Man findet nur, was drinsteckt. Es ist allerdings fraglich, ob der britische Computerwissenschaftler Stadelmaiers Tragödie angemessen zu würdigen wüsste.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG stellt Hans Leyendecker „die Systemfrage“. Der für gründliche und hintergründige Recherchen bekannte Journalist alter Schule diskutiert die Fragen, die sich aus der Praxis der Betreiber von Internetplattformen wie „Wikileaks“ ergeben. Wir lesen:
„Die Kritik vieler Journalisten wird von ihnen nicht als das wahrgenommen, was es sein soll: ein Appell, handwerkliche Tugenden wie das Einordnen und die Gewichtung von Informationen in die digitale Welt hinüberzuretten.“
Zu Recht mahnt Leyendecker in der SZ:
„Es geht auch um die Verlässlichkeit von Quellen und darum, ob und wie abgezapfte Datensammlungen den Journalismus verändern können.“
Leyendecker beginnt seinen Artikel nämlich mit Depeschen amerikanischer Botschaften in aller Welt, von denen wir nur wissen, dass sie wahrscheinlich geschrieben worden sind. Sie stellen das irakische Regime im Jahre 2003 in den düstersten Farben dar und beschwören die bevorstehende atomare Apokalypse herauf. Hätte jemand das damals – vor dem Feldzug der US-Armee in den Irak – ins Netz gestellt, hätte das irgendetwas geändert? Die heutige Netzgemeinschaft zuckt auf so eine Frage die Achseln und geht zur Tagesordnung über. Hans Leyendecker aber schreibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:
„Journalisten, die argumentieren, dass auch Staaten in bestimmten Fällen ein Recht auf Verschwiegenheit haben, sind aus Sicht der Jungen nicht Teil irgendeiner Lösung, sondern ein Teil des Systems.“
Anlässlich der Übergabe des diesjährigen Friedensnobelpreises in Oslo an den abwesenden chinesischen Schriftsteller Liu Xiaobo schreibt Mark Siemons in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
„Man hört häufig die Bemerkung, dass alle Norweger bequem in Peking Platz fänden.“
Das ist ein Hinweis darauf, dass viele Chinesen die Ehrung eines wegen angeblicher „Untergrabung der Staatsgewalt“ verurteilten unabhängigen Geistes nicht in Ordnung finden. „Ein Gutteil des Rumorens im Internet kritisiert die Kommunistische Partei“, schreibt Siemons, „sie reagiere zu schwach und versöhnlerisch auf die Zumutungen des Westens.“ Mark Siemons hat in der ganzen Debatte im riesigen chinesischen Staat ein Vakuum entdeckt. Er schreibt über die Rezeption des Friedensnobelpreisträgers im eigenen Land in der FAZ:
„Von den Texten dieses besonnenen Manns des Wortes ist in China bislang nicht so sehr die Rede.“
„Es sei an diesem Tag nichts passiert; niemand sei geboren worden oder gestorben, nichts explodiert, nichts zusammen- oder ausgebrochen.“
Pustekuchen, meint Stadelmaier in der FAZ und weiß es besser: Er hatte nämlich an jenem Tag ein Dreirad der Luxusklasse geschenkt bekommen, es flugs gegen ein Leberwurstbrot aus der Hand seiner damaligen Herzensgöre getauscht und dafür die seinerzeit üblichen väterlichen Backpfeifen eingehandelt. Kurz:
„Die junge Liebe zerbrach. Sie hat dann auch jemand anderen geheiratet.“
Die Lehre aus dieser Glosse ist so alt wie die Geschichte von Archiven welcher Art auch immer: Man findet nur, was drinsteckt. Es ist allerdings fraglich, ob der britische Computerwissenschaftler Stadelmaiers Tragödie angemessen zu würdigen wüsste.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG stellt Hans Leyendecker „die Systemfrage“. Der für gründliche und hintergründige Recherchen bekannte Journalist alter Schule diskutiert die Fragen, die sich aus der Praxis der Betreiber von Internetplattformen wie „Wikileaks“ ergeben. Wir lesen:
„Die Kritik vieler Journalisten wird von ihnen nicht als das wahrgenommen, was es sein soll: ein Appell, handwerkliche Tugenden wie das Einordnen und die Gewichtung von Informationen in die digitale Welt hinüberzuretten.“
Zu Recht mahnt Leyendecker in der SZ:
„Es geht auch um die Verlässlichkeit von Quellen und darum, ob und wie abgezapfte Datensammlungen den Journalismus verändern können.“
Leyendecker beginnt seinen Artikel nämlich mit Depeschen amerikanischer Botschaften in aller Welt, von denen wir nur wissen, dass sie wahrscheinlich geschrieben worden sind. Sie stellen das irakische Regime im Jahre 2003 in den düstersten Farben dar und beschwören die bevorstehende atomare Apokalypse herauf. Hätte jemand das damals – vor dem Feldzug der US-Armee in den Irak – ins Netz gestellt, hätte das irgendetwas geändert? Die heutige Netzgemeinschaft zuckt auf so eine Frage die Achseln und geht zur Tagesordnung über. Hans Leyendecker aber schreibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:
„Journalisten, die argumentieren, dass auch Staaten in bestimmten Fällen ein Recht auf Verschwiegenheit haben, sind aus Sicht der Jungen nicht Teil irgendeiner Lösung, sondern ein Teil des Systems.“
Anlässlich der Übergabe des diesjährigen Friedensnobelpreises in Oslo an den abwesenden chinesischen Schriftsteller Liu Xiaobo schreibt Mark Siemons in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
„Man hört häufig die Bemerkung, dass alle Norweger bequem in Peking Platz fänden.“
Das ist ein Hinweis darauf, dass viele Chinesen die Ehrung eines wegen angeblicher „Untergrabung der Staatsgewalt“ verurteilten unabhängigen Geistes nicht in Ordnung finden. „Ein Gutteil des Rumorens im Internet kritisiert die Kommunistische Partei“, schreibt Siemons, „sie reagiere zu schwach und versöhnlerisch auf die Zumutungen des Westens.“ Mark Siemons hat in der ganzen Debatte im riesigen chinesischen Staat ein Vakuum entdeckt. Er schreibt über die Rezeption des Friedensnobelpreisträgers im eigenen Land in der FAZ:
„Von den Texten dieses besonnenen Manns des Wortes ist in China bislang nicht so sehr die Rede.“