Von Jens Brüning

Die neu entflammte Debatte um die Spitzeltätigkeit Oskar Pastiors beschäftigt auch die Feuilletons. Die "Süddeutsche" schreibt über das Begräbnis Adrian Paunescus, den Hofdichter des Diktators Ceausescu, sowie über "nützliche Verbrecher", ehemalige Nazis in den Diensten der CIA.
"Es ist alles andere als überflüssig, die Akten zu sichten", lesen wir in der FRANKFURTER RUNDSCHAU. Hans-Jürgen Linke trägt im Fall des als Securitate-Spitzel tätig gewordenen Dichters Oskar Pastior einige Überlegungen nach, die sich aus jüngsten Aktenfunden ergeben haben. Pastior starb 2006, bevor seine Verpflichtungserklärung gefunden worden war. Nun las der rumäniendeutsche Schriftsteller Dieter Schlesak seine Opferakte und entdeckte weitere Einzelheiten, die die Schwärze des Abgrunds, in den wir blicken, nicht aufhellen können. "Man dürfe 'die Akten niemals als Wahrheitsquellen ansehen'", zitiert Linke Schlesak in der FRANKFURTER RUNDSCHAU, und bringt einige Hinweise, die nahelegen, dass er damit eine Wahrheit ausgesprochen hat.

Elmar Krekeler, der in der Tageszeitung DIE WELT die erneut entflammte Debatte aus dem September kommentiert, nimmt sich den toten Dichter Oskar Pastior vor. Er sei "ein durchaus emsiger Mitknüpfer an einem höllischen Netz, in dem beinahe jeder jeden bespitzelte, denunzierte, ans Messer lieferte, in dessen Mitte eine Angst umging, die man sich heutzutage nicht mehr vorstellen kann." Gut, dass Krekeler diesen Aspekt noch anführt, denn Pastiors enge Freundin, die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, hatte nach Bekanntwerden der Spitzeltätigkeit des Freundes Mitte September zur FAZ gesagt:

"Wenn Pastior noch leben würde, würde ich jedes Mal, wenn ich zu ihm käme, insistieren, dass er seine Akte lesen und selbst darüber schreiben soll. Aber jedes Mal würde ich ihn dabei in den Arm nehmen."

Elmar Krekeler aber weiß es heute besser:

"Es bleibt banale, erbärmliche Spitzeltätigkeit. Schuld. Und niemand wird seine Biografie mehr davon reinwaschen können."

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG lässt Kathrin Lauer anlässlich des Todes von Adrian Paunescu den rumänischen "Vergangenheitszirkus" Revue passieren. Paunescu war Hofdichter des Diktators Ceausescu. Er starb Anfang November 67-jährig in Bukarest. In den siebziger Jahren veranstaltete er zum Ruhme des Diktators gigantische Popfestivals und rief seinem Publikum zu: "Ich grüße dich, Generation in Jeans." Sein Begräbnis, schreibt Kathrin Lauer in der SZ, zog Menschenmassen an. Es war kinoreif:

"Aus einem Hubschrauber des Privatsenders Realitatea TV regnete es Blumen auf Paunescus Grab. Der Chef des Senders ist ein undurchsichtiger Geschäftsmann. Freunde erzählen, dass er oft Rilke liest."

Wie sich Paunsecu zu Lebzeiten auch oft mit Rilke-Versen aus der Klemme half.

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichten Nicolas Richter und Willi Winkler über "nützliche Verbrecher". Gemeint sind damit die alten Nazis, die nach 1945 als Antikommunisten oder Raketenspezialisten in die Dienste der einstigen Gegner, der USA nämlich, traten. In den nun einsehbaren amerikanischen Akten liest man zum "Schlächter von Lyon", Klaus Barbie:

"Barbies Leistungen für die US Army Intelligence waren außerordentlich, er galt als eine der wertvollsten Kräfte, die gegen die Operationen des sowjetischen Geheimdienstes und subversive kommunistische Elemente in Deutschland eingesetzt waren."

Das hätte Heinrich Himmler ja auch gern in seinem Abgangszeugnis von dieser Welt gelesen. Aber er war eine Nummer zu groß. Der Raketenspezialist und SS-Sturmbannführer Wernher von Braun hatte da mehr Glück. Er starb hoch geehrt 1977 kurz nach seiner Pensionierung.

Günstig ging auch die Bewerbung des Abwehrchefs "Fremde Heere Ost", Reinhard Gehlen, aus. Er wurde Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND). In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG lesen wir:

"Im Kampf gegen die rote Gefahr ist ein Demokrat zusammen mit einem Alt-Nazi stärker als ohne ihn."