Von Jens Brüning
Die "NZZ" bespricht Samuel Kassows Buch "Ringelblums Vermächtnis – Das geheime Archiv des Warschauer Ghettos". "Berliner Zeitung" und "FR" thematisieren den Streit um ein in Istanbul geplantes Künstlerhaus im Stil der Villa Massimo.
"Es könnte losgehen", lesen wir in FRANKFURTER RUNDSCHAU und BERLINER ZEITUNG. Beide Blätter profitieren von ihrer in Berlin angesiedelten DuMont Redaktionsgemeinschaft, der auch Harry Nutt angehört. Der schreibt über einen Streit um eine schöne Idee. Im Istanbuler Vorort Tarabaya, überwiegend von Diplomaten bewohnt, soll ein "Künstlerhaus nach dem Vorbild der Villa Massimo in Rom" eingerichtet werden. Der vorige Außenminister hatte das in Gang gesetzt, der jetzige beziehungsweise seine Staatsministerin Pieper will nichts mehr davon wissen. Ihr schwebt "eine Tagungslocation im osmanischen Stil" vor. Von tiefer unten im Betrieb, wo das diplomatische Corps seiner aufreibenden Tätigkeit nachgeht, hört man: "Die Botschaftsleute wollten den schönen Blick auf den Bosporus lieber für sich behalten."
Nun gibt es jedoch Bundestagsbeschlüsse zu diesem Thema, und es gibt eine Kulturausschussvorsitzende, die der CDU angehört und ihrer Position alle Ehre macht. Monika Grütters heißt die couragierte Dame. Am Montag tagte der Ausschuss unter ihrem Vorsitz, und seitdem, lesen wir in FRANKFURTER RUNDSCHAU und BERLINER ZEITUNG, steht fest: "Per Beschluss wurde das Auswärtige Amt dazu aufgefordert, zum ursprünglichen Konzept einer künstlerischen Begegnungsstätte auf dem Botschaftsgelände bei Istanbul zurückzukehren."
Ebenfalls aus beiden Blättern erfahren wir dank einer Reportage von Arno Widmann: "Es gibt in Bayern 850 Orte, die keinen Gasthof mehr haben." Langensendelbach nördlich von Nürnberg gehört nicht dazu. Dort ist seit Generationen die Familie Zametzer für die Versorgung der Bevölkerung mit Speis, Trank, Spiel und Unterhaltung aktiv: "Oben wurde getanzt und unten Karten gespielt und politisiert." Es wird einem beim Lesen dieser Reportage in FR und BERLINER ZEITUNG ordentlich warm ums Herz, denn ein paar Kilometer nördlich von diesem Gasthof steht ein Baum: "Älter als die Kirche, vielleicht sogar älter als das Dorf ist die Linde." Diese Tanzlinde von Effeltrich erfreut seit über 800 Jahren die Vorbeireisenden. Aber Arno Widmann schreibt dann doch: "Kein heiliger Schauer rollt einem über den Rücken. Zu gebrechlich, zu hilfsbedürftig steht der Baum an der von Lastern befahrenen Hauptstraße."
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG bespricht Cord Aschenbrenner das Buch "Ringelblums Vermächtnis – Das geheime Archiv des Warschauer Ghettos" des amerikanischen Historikers Samuel Kassow. Emanuel Ringelblum, Historiker und Kommunist, legte während des Zweiten Weltkriegs mit vielen Mitarbeitern ein Archiv über die laufenden Ereignisse in den Ghettos und Lagern des besetzten Polen an. Ringelblum
"wollte sicherstellen, dass, selbst wenn keiner von ihnen überlebte, die Welt zumindest im Nachhinein etwas von der Vitalität, der Widerstandskraft und dem verzweifelten Überlebenskampf der polnischen Juden erfahren würde."
Ringelblum und seine Familie wurden im März 1944 von den deutschen Häschern ermordet. Das Archiv, vergraben in Blechkisten, wurde wiedergefunden. Darin auch das im Artikel in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG eingangs zitierte Gedicht von Leyb Goldin:
"Die Welt steht Kopf. Ein Planet zerschmilzt zu Tränen. Und ich – ich habe Hunger, Hunger. Ich habe Hunger."
Insofern ist die Katastrophe, die Andreas Kilb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG an die Wand malt, überwiegend harmlos. Kilb sieht das Weltkulturerbe der Potsdamer Schlösser und Gärten in Gefahr, wenn nicht die Ein- und Ausflugschneise des in zwei Jahren zu eröffnenden Großflughafens Berlin-Brandenburg International anders geführt werden. Kilb warnt: "Statt nach Blumen riecht es in Arkadien bald nach Kerosin."
Nun gibt es jedoch Bundestagsbeschlüsse zu diesem Thema, und es gibt eine Kulturausschussvorsitzende, die der CDU angehört und ihrer Position alle Ehre macht. Monika Grütters heißt die couragierte Dame. Am Montag tagte der Ausschuss unter ihrem Vorsitz, und seitdem, lesen wir in FRANKFURTER RUNDSCHAU und BERLINER ZEITUNG, steht fest: "Per Beschluss wurde das Auswärtige Amt dazu aufgefordert, zum ursprünglichen Konzept einer künstlerischen Begegnungsstätte auf dem Botschaftsgelände bei Istanbul zurückzukehren."
Ebenfalls aus beiden Blättern erfahren wir dank einer Reportage von Arno Widmann: "Es gibt in Bayern 850 Orte, die keinen Gasthof mehr haben." Langensendelbach nördlich von Nürnberg gehört nicht dazu. Dort ist seit Generationen die Familie Zametzer für die Versorgung der Bevölkerung mit Speis, Trank, Spiel und Unterhaltung aktiv: "Oben wurde getanzt und unten Karten gespielt und politisiert." Es wird einem beim Lesen dieser Reportage in FR und BERLINER ZEITUNG ordentlich warm ums Herz, denn ein paar Kilometer nördlich von diesem Gasthof steht ein Baum: "Älter als die Kirche, vielleicht sogar älter als das Dorf ist die Linde." Diese Tanzlinde von Effeltrich erfreut seit über 800 Jahren die Vorbeireisenden. Aber Arno Widmann schreibt dann doch: "Kein heiliger Schauer rollt einem über den Rücken. Zu gebrechlich, zu hilfsbedürftig steht der Baum an der von Lastern befahrenen Hauptstraße."
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG bespricht Cord Aschenbrenner das Buch "Ringelblums Vermächtnis – Das geheime Archiv des Warschauer Ghettos" des amerikanischen Historikers Samuel Kassow. Emanuel Ringelblum, Historiker und Kommunist, legte während des Zweiten Weltkriegs mit vielen Mitarbeitern ein Archiv über die laufenden Ereignisse in den Ghettos und Lagern des besetzten Polen an. Ringelblum
"wollte sicherstellen, dass, selbst wenn keiner von ihnen überlebte, die Welt zumindest im Nachhinein etwas von der Vitalität, der Widerstandskraft und dem verzweifelten Überlebenskampf der polnischen Juden erfahren würde."
Ringelblum und seine Familie wurden im März 1944 von den deutschen Häschern ermordet. Das Archiv, vergraben in Blechkisten, wurde wiedergefunden. Darin auch das im Artikel in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG eingangs zitierte Gedicht von Leyb Goldin:
"Die Welt steht Kopf. Ein Planet zerschmilzt zu Tränen. Und ich – ich habe Hunger, Hunger. Ich habe Hunger."
Insofern ist die Katastrophe, die Andreas Kilb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG an die Wand malt, überwiegend harmlos. Kilb sieht das Weltkulturerbe der Potsdamer Schlösser und Gärten in Gefahr, wenn nicht die Ein- und Ausflugschneise des in zwei Jahren zu eröffnenden Großflughafens Berlin-Brandenburg International anders geführt werden. Kilb warnt: "Statt nach Blumen riecht es in Arkadien bald nach Kerosin."