Von Jens Brüning
Die "Berliner Zeitung" lässt den Intendanten des Maxim-Gorki-Theaters Berlin, Armin Petras, zu Wort kommen. Die "FAZ" widmet sich dem Philosophen Theodor W. Adorno, der am 6. August 1969 starb. Und der "Tagesspiegel" berichtet über das Kino "Cinema Jenin" im Westjordanland.
"Das Individuum ist eine Fiktion des Kapitalismus", lesen wir in der BERLINER ZEITUNG. Der Kapitalismus nämlich, weiß Armin Petras, "will uns damit Ellenbogen antrainieren". Petras ist Intendant des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin. Im Gespräch mit Ulrich Seidler erörtert er sein Verhältnis zu Heinrich von Kleist, dessen widerständiges Drama "Herrmannsschlacht" er gerade für die Münchener Kammerspiele inszeniert.
Das Stück ist vielfältig fehlinterpretiert worden. Kleist schrieb es damals als Aufruf, sich von der Herrschaft der napoleonischen Truppen zu befreien. Petras meint: "Ich finde, dass Deutschland heute moralisch ähnlich darniederliegt." Bei seinem Lieblingsdramatiker Kleist entdeckte Petras allerhand positive Denkansätze für die Zukunft. Bei seinen Recherchen zur "Herrmannsschlacht" fand er auch Schilderungen des germanischen Paradieses "Walhall": "Ein gigantischer Männerparty-Ort mit Waffen, Kämpfen, Pferden, und die Walküren bringen ordentlich was zum Saufen."
Kaum etwas zum Saufen gibt es in einem Kino, das der deutsche Regisseur Marcus Vetter zusammen mit Bewohnern im palästinensischen Westjordanland aufbaute. Marlene Halser schreibt im Berliner TAGESSPIEGEL: "Das Kino soll zeigen: Aus Jenin kann auch etwas Gutes kommen, nicht immer nur Tod und Terror." Die Idee entstand, als ein kleiner palästinensischer Junge erschossen wurde, weil er eine viel zu echt aussehende Spielzeugpistole in der Hand hatte. Sein Vater spendete die Organe seines Sohnes. Auch israelische Kinder konnten so gerettet werden. Marcus Vetter drehte einen Dokumentarfilm. Der bekam viele Preise, und viel von diesem Geld steckt nun im Kino von Jenin.
Nicht alle sind glücklich über diese Entwicklung. Palästinensische Kritiker sagen:
"Das Kino unterbreche den palästinensischen Boykott Israels, man kollaboriere mit dem Feind, spiele der Normalisierung der Besatzung in die Hände."
Der Vater des toten Jungen aber sagt: "Das Lachen von Achmeds Freunden bei der Eröffnung wird mir zeigen, dass er durch das Kino weiterlebt."
Am 6. August 1969 starb im idyllischen Kurort Visp im Schweizer Kanton Wallis der Philosoph Theodor W. Adorno. Lorenz Jäger beschäftigt sich in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG mit dessen Urlaubsgewohnheiten: "Als Adorno jung war, machte man eigentlich noch keinen Urlaub." Man nannte es "Sommerfrische", ein Wort, das uns Heutigen einen wohligen Schauer über den Rücken laufen lässt. "Kaum etwas ist so alteuropäisch wie die Sommerfrische", schreibt denn auch Lorenz Jäger, und er zitiert die behäbigen Postkarten, welche die Familie Adorno in Zeiten der Sommerfrischen wechselte. "Die Aktivitäten der Sommerfrischler", lernen wir, "sind maßvoll und geselligkeitsfördernd: Wanderungen werden unternommen, aber keine Gewaltmärsche; abends pflegt man das Kartenspiel."
Irgendwann schrieb Theodor Adorno eine Postkarte, auf der er mitteilte, "die Toskana sei nun einmal objektiv schöner als die Landschaft um Gelsenkirchen." Lorenz Jäger hat für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG aber nicht nur Adornos Postkarten aus der Sommerfrische studiert. Er las auch seine Bücher. Und im Aphorismenbuch "Minima Moralia" fand er ein passendes Zitat: "Was überhaupt im bürgerlichen Verblendungszusammenhang Natur heißt, ist bloß das Wundmal gesellschaftlicher Verstümmelung."
Das Stück ist vielfältig fehlinterpretiert worden. Kleist schrieb es damals als Aufruf, sich von der Herrschaft der napoleonischen Truppen zu befreien. Petras meint: "Ich finde, dass Deutschland heute moralisch ähnlich darniederliegt." Bei seinem Lieblingsdramatiker Kleist entdeckte Petras allerhand positive Denkansätze für die Zukunft. Bei seinen Recherchen zur "Herrmannsschlacht" fand er auch Schilderungen des germanischen Paradieses "Walhall": "Ein gigantischer Männerparty-Ort mit Waffen, Kämpfen, Pferden, und die Walküren bringen ordentlich was zum Saufen."
Kaum etwas zum Saufen gibt es in einem Kino, das der deutsche Regisseur Marcus Vetter zusammen mit Bewohnern im palästinensischen Westjordanland aufbaute. Marlene Halser schreibt im Berliner TAGESSPIEGEL: "Das Kino soll zeigen: Aus Jenin kann auch etwas Gutes kommen, nicht immer nur Tod und Terror." Die Idee entstand, als ein kleiner palästinensischer Junge erschossen wurde, weil er eine viel zu echt aussehende Spielzeugpistole in der Hand hatte. Sein Vater spendete die Organe seines Sohnes. Auch israelische Kinder konnten so gerettet werden. Marcus Vetter drehte einen Dokumentarfilm. Der bekam viele Preise, und viel von diesem Geld steckt nun im Kino von Jenin.
Nicht alle sind glücklich über diese Entwicklung. Palästinensische Kritiker sagen:
"Das Kino unterbreche den palästinensischen Boykott Israels, man kollaboriere mit dem Feind, spiele der Normalisierung der Besatzung in die Hände."
Der Vater des toten Jungen aber sagt: "Das Lachen von Achmeds Freunden bei der Eröffnung wird mir zeigen, dass er durch das Kino weiterlebt."
Am 6. August 1969 starb im idyllischen Kurort Visp im Schweizer Kanton Wallis der Philosoph Theodor W. Adorno. Lorenz Jäger beschäftigt sich in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG mit dessen Urlaubsgewohnheiten: "Als Adorno jung war, machte man eigentlich noch keinen Urlaub." Man nannte es "Sommerfrische", ein Wort, das uns Heutigen einen wohligen Schauer über den Rücken laufen lässt. "Kaum etwas ist so alteuropäisch wie die Sommerfrische", schreibt denn auch Lorenz Jäger, und er zitiert die behäbigen Postkarten, welche die Familie Adorno in Zeiten der Sommerfrischen wechselte. "Die Aktivitäten der Sommerfrischler", lernen wir, "sind maßvoll und geselligkeitsfördernd: Wanderungen werden unternommen, aber keine Gewaltmärsche; abends pflegt man das Kartenspiel."
Irgendwann schrieb Theodor Adorno eine Postkarte, auf der er mitteilte, "die Toskana sei nun einmal objektiv schöner als die Landschaft um Gelsenkirchen." Lorenz Jäger hat für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG aber nicht nur Adornos Postkarten aus der Sommerfrische studiert. Er las auch seine Bücher. Und im Aphorismenbuch "Minima Moralia" fand er ein passendes Zitat: "Was überhaupt im bürgerlichen Verblendungszusammenhang Natur heißt, ist bloß das Wundmal gesellschaftlicher Verstümmelung."