Von Jens Brüning

Die "Welt" regt ein Buch über die Familie des Schriftstellers Martin Walser an. In der "SZ" wird die Debatte über Helene Hegemanns Roman "Axolotl Roadkill" und die Frage "Textmontage oder Plagiat?" fortgesetzt.
"Diese Familie hat das Potenzial zur Telenovela für Intellektuelle", "

lesen wir in der Tageszeitung DIE WELT. Uwe Wittstock hat sich der Sippe des Schriftstellers Martin Walser angenommen und viel Material für dramatische Wendungen entdeckt. Nicht nur, dass die vier Töchter des Alten vom Bodensee allesamt kreativ tätig sind und entsprechende Beziehungen führen, auch Halbbruder Jakob Augstein ist wichtiges Element für Seifenoperndramaturgie. Das nach Meinung Wittstocks "schaffenskräftige Haus" hat neben vielen Bewunderern auch ausreichend Neider im Kulturbetrieb. Also: Ran an den Laptop und drauflos gedichtet! Uwe Wittstock warnt allerdings in der WELT:

" "Niemand sollte auf die Idee verfallen, er könnte bei diesem Buch umstandslos von der Literatur aufs Leben oder gar aufs Walsersche Familienleben schließen."

Womit wir das Wesen der Literatur schon sehr hübsch umschrieben bekommen haben. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG wird die Debatte um ein Druckwerk fortgesetzt, das sich als nicht eben eigenständige Schöpfung herausgestellt hat. Helene Hegemanns Roman mit dem exotischen Titel steht im Mittelpunkt von Lothar Müllers Erörterung, die "Das Drama des begabten Kindes" überschrieben ist. Müller schreibt:

"Man muss nicht lange in diesem Buch gelesen haben, um zu begreifen, dass die studierte Bohéme ihre Kinder nicht minder fest im Griff hat als je das Mainstream-Bürgertum die seinen."

Müller nennt dieses Milieu "die ästhetische Bohéme" und weiß, dass hier "Karrieren auch ohne Schulabschluss" garantiert werden können. Beruhigend immerhin:

"In Wahrheit will auch die antibürgerliche intellektuelle Bohéme nicht, dass ihre Kinder auf ihre Herkunftswelt kotzen und an Drogen zugrundegehen."

Die Literaturseite der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist voller Artikel zum Thema "Textmontage oder Plagiat?" Der Kieler Schriftsteller Feridun Zaimoglu, den auch schon ein Plagiatsvorwurf ereilte, meint:

"Das geistige Eigentum ist nicht Verhandlungsmasse von entfesselten Kleinbürgern."

Und er kritisiert die Literaturkritiker, die zunächst mehrheitlich auf Helene Hegemann hereingefallen waren:

"Was führen die eigentlich für ein ödes Leben?"

Zaimoglu hingegen lebt wild und gefährlich, denn er besitzt keinen Führerschein, und einen PC hat er auch nicht:

"Ich habe es mit dem Computer versucht", "

gesteht er der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG,

" "und ich wurde geschwätzig."

Es ist auffällig, dass alle Artikel auf dieser SZ-Literaturseite von Männern geschrieben wurden. Burkhard Müller bezichtigt Helene Hegemann eines "Eigentumsdelikts von paradoxer Art", Jens-Christian Rabe befragte den auch als Discjockey und Radiomacher tätigen Autor Thomas Meinecke zu Techniken wie "Sample", "Mashup" und "Remix", und Dirk von Gehlen steuert die diesbezügliche Begriffsklärung bei. Er gelangt zu dem Fazit:

"Das schriftstellerische Genie, das literarische Wunderkind, das alleine in der Dichterstube sitzt und gottgleich Kunst erschafft, ist eine Erfindung der jubelnden Literaturkritik, mit der schöpferischen Realität des 21. Jahrhunderts ist diese Vorstellung kaum mehr vereinbar."

Für die FRANKFURTER RUNDSCHAU hat Oliver Reese, der bis vor einem Jahr am Deutschen Theater zu Berlin tätige jetzige Intendant des Schauspiels Frankfurt, seine Erlebnisse im und mit dem Berliner Technoclub Berghain aufgeschrieben. Wir lesen:

"Nicht Drogen und Sex sind das Zentrum des Clubs, sondern – Musik und Raum. Oder von mir aus: Kommunikation und Stil."

Solchermaßen beruhigt wenden wir uns der BERLINER ZEITUNG zu, in der wir eine Rezension der kommentierten Ausgabe von Thomas Manns "Betrachtungen eines Unpolitischen" entdecken. Dirk Pilz schreibt:

"Im Zentrum dieser Mann'schen Selbstverständigung steht die Frage, wie man im Gewirr der Zeiten ein autonomes, selbstdenkendes Subjekt bleibt."