Von Jens Brüning

Gegenüber der Verleihung des Nobelpreises an Herta Müller spielten andere Themen in der Kulturberichterstattung deutschsprachiger Zeitungen nur die zweite Geige: Die Rochade in der Führungsebene des ZDF wurde beendet und die angedachte Zusammenlegung der beiden Berliner Sinfonieorchester wurde nach dem Motto gelöst: Mit den zweien spielt sich's besser.
"Was für ein Glück", lasen wir am Sonnabend in der FRANKFURTER RUNDSCHAU, "dass sie den Preis nicht schon vor einem Jahr bekam." Nicole Henneberg gönnte Herta Müller den Literatur-Nobelpreis durchaus. Aber anlässlich der Preisübergabe am Donnerstagabend in Stockholm kam ihr dann doch die Idee: "Sie hätte ihr Buch nicht in Ruhe fertig schreiben können." Denn die Menschen in Stockholm hätten die zarte Frau vor lauter Verehrung und Liebe "fast erdrückt". Und das ist gar keine gute Voraussetzung für das Schreiben von Büchern mit großem Tiefgang.

"Abgewürgt" stand über einem Bericht des Berliner TAGESSPIEGELS am Donnerstag, in dem es um die Parlamentsdebatte über die Zukunft der beiden Berliner Orchester ging, die in der "Rundfunkorchester und -chöre GmbH", kurz ROC, vereinigt sind. Nach indiskreten Äußerungen von interessierter Seite war etwas früh herausgekommen, dass der mit der Zukunftsplanung für die Orchester beauftragte Intendant des Deutschlandradios die Idee ventiliert hatte, die beiden Klangkörper zu einem zu verschmelzen. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fuhr am Montag gleich mächtige Abwehrraketen auf die Szene: Wolfgang Schreiber zitierte den berühmten Dirigenten Otto Klemperer, der die Finanziers seines Orchesters in Los Angeles gewarnt hatte: "Gestatten Sie dem Teufel Materialismus nie, Ihr Orchester zu töten." Auch die übrigen überregionalen Blätter legten sich für das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin ordentlich ins Zeug. Verkürzt gesagt waren alle gegen eine Fusion. In der Wochenzeitung DIE ZEIT fragte Claus Spahn: "Was ist das für eine Rundfunkanstalt, die stolz einen nationalen Kultursender betreibt, sich aber gleichzeitig mit banausischen Kulturabwicklungsszenarien blamiert?" In der FRANKFURTER RUNDSCHAU hob Hans-Jürgen Linke am Dienstag hervor, "dass die Orchester der Stadt Berlin mehr für die Kultur getan haben als alle Regierungen zusammen. Verantwortungsträger sollten es als ihre Aufgabe akzeptieren, das weiterhin zu ermöglichen." Und so wurde die Debatte des Berliner Abgeordnetenhauses auch schnellstens verschoben. Aber Frederik Hanssen notierte am Donnerstag im TAGESSPIEGEL: "Fortsetzung folgt. Garantiert." Manuel Brug brachte selbigen Tags in der Tageszeitung DIE WELT einen eigenen Vorschlag ein. Danach wären die vier Klangkörper des ROC an vier unterschiedliche Finanziers zu verteilen. "Wäre so nicht allen geholfen?" fragte Brug in der WELT.

Hilfreich waren in der vergangenen Woche die vielfältigen Hinweise auf die Hintergründe bei der umstrittenen Wahl des neuen ZDF-Chefredakteurs Peter Frey. Sein Vorgänger war ja vom Verwaltungsrats-Vorsitzenden Roland Koch aus dem Amt gedrängt worden, weil er als hessischer Ministerpräsident und CDU-Mann kein gutes Haar an Nikolaus Brender gelassen und seine Kohorten rechtzeitig auf seine Haltung vergattert hatte. Nach der Wahl des Neuen sagte zwar der grüne Fraktionschef im hessischen Landtag, Tarek al Wazir, laut TAGESSPIEGEL vom Freitag: "Sie wollen sich den Rundfunk untertan machen." Das war so ein Satz, der sich gut zitieren lässt, aber nur den Zustand beschreibt. Der Rundfunkrechtler Wolfgang Hoffmann-Riem hatte bereits am Donnerstag im Politik-Teil der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG darauf hingewiesen, dass Roland Koch mit der umstrittenen Personalentscheidung ein ganz anderes Ziel vor Augen hatte: Die grundlegende Veränderung der öffentlich-rechtlichen Rundfunklandschaft. Und da geht es dann wieder um Geld, das der Bürger zu zahlen hat, und also - folgerte Hoffmann-Riem in der SZ: "Die anstehende Diskussion wird es den Gegnern öffentlich-rechtlichen Rundfunks erleichtern, Stimmung gegen die bisherige Rundfunkordnung zu machen." Da ist schon allerhand im Gange: In der FRANFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG wundert sich Harald Staun, "wie da plötzlich ein roter Stuhl schwarz angestrichen wird, ohne dass das ganze Gebäude einstürzt." Staun glossiert die politische Farbenlehre innerhalb des ZDF, nach der einem "Roten" immer ein "Schwarzer" gegenüberstehen muss. Aber Claudia Tieschky stellte bereits am Sonnabend in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG fest: "Wer ihn für einen politisch gefälligen Akteur hielte, würde Peter Frey unterschätzen." Und gemünzt auf seine Nachfolgerin als Studioleiterin des ZDF in Berlin, Bettina Schausten, schrieb Tieschky: "Sie könnte sich dort rasch unabhängiger machen und mit eigenen Gedanken profilieren." Das hatte am Freitag bereits Michael Hanfeld in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG angemerkt: "Am Ende der Rochade, die den der Union missliebigen Journalisten Brender ins Aus befördert, steht also wahrscheinlich die SPD als Sieger da."

Eindeutige Favoritin dieser Woche war Herta Müller, Trägerin des diesjährigen Nobelpreises für Literatur. In der FAZ vom Sonnabend berichtete Felicitas von Lovenberg über das Festbankett: "In ihrem schlichten schwarzen Kleid mit weißem Gürtel und weißem Saum war Herta Müller inmitten der opulenten Ballroben und des allgemeinen Geglitzers mancher echter und vieler falscher Juwelen die eigentliche Hauptperson des Abends. Nicht nur in ihrer Erscheinung steht sie für die Konzentration aufs Wesentliche." Sie hatte in ihrer Stockholmer Nobel-Vorlesung Variationen über ein längst vergessenes Textil in den Mittelpunkt gestellt: Das Taschentuch. "Eine wahrhaft zu Herzen gehende Rede", urteilte Burkhard Müller in der SZ vom Mittwoch. Und im Berliner TAGESSPIEGEL vom Sonnabend zitierte sie ihr guter Freund Ernest Wichner so: "Nichts sonst spricht so eindringlich mit uns selbst wie ein Buch. Und erwartet nichts dafür, außer dass wir denken und fühlen."