Von Jens Brüning

Der 250. Geburtstag von Friedrich Schiller und die Eröffnung der neuen Dauerausstellung im Schiller-Nationalmuseum ist heute Thema in den Feuilletons. Die „Süddeutsche Zeitung“ gratuliert dem Klassiker und würdigt seinen Einsatz für Gedankenfreiheit. „Die Welt“ dagegen konstatiert, dass er nicht mehr der Dichter unserer Zeit sei.
„De nobis ipsis silemus“, lesen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. „Von uns selbst aber schweigen wir.“ Diese starken Worte entlehnte Immanuel Kant dem Werk des überwiegend lateinisch schreibenden englischen Kollegen Francis Bacon. Gemeint war damals – vor 200 Jahren – die Tugend, sich selbst nicht in den Vordergrund zu spielen. Man lebte gut mit dieser Grundhaltung.

250 Jahre ist es her, dass in Marbach am Neckar als zweites Kind des Offiziers und Wundarztes Johann Caspar Schiller und seiner Gattin Elisabeth Dorothea, geborene Kodweiß, jener Johann Christoph Friedrich geboren wurde, der Jahre später zusammen mit seinen Dichterkollegen Herder, Goethe und Wieland zum sogenannten „Viergestirn der Weimarer Klassik“ wurde.

„Das Lied von der Socke“, überschreibt Hubert Spiegel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG einigermaßen respektlos seinen Bericht über die neue Dauerausstellung im frisch renovierten Schiller-Nationalmuseum zu Marbach am Neckar. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG gratuliert dem Klassiker mit einem bunten „Strauß von Skizzen zu Leben und Werk“ und notiert im Editorial der Seite:

„Verlässlich war der Dramatiker der Geschichte und der Historiker mit dem Sinn fürs Dramatische zur Stelle, wenn in Deutschland Gedankenfreiheit, aber auch, wenn Reisefreiheit zu fordern war.“

Aber in der Tageszeitung DIE WELT konstatiert Dirk Pilz: „Schiller ist nicht mehr der Dichter unserer Zeit.“ Und Pilz fordert: „Wir brauchen keine Genies, wir brauchen Störenfriede.“ Ein solcher war Friedrich Schiller ja zu seiner Zeit, wenn wir an seine Auseinandersetzung mit der Obrigkeit denken und an sein starkes Stück mit dem Titel „Die Räuber“. Das hatte ihn berühmt gemacht. Und seine in rascher Folge erscheinenden Theaterstücke trugen seinen Ruhm in alle Welt hinaus. Dirk Pilz schreibt in der Tageszeitung DIE WELT: „Er hoffte auf die Wirksamkeit der Kunst und wusste doch um ihre Nutzlosigkeit.“

Sein Kollege Uwe Wittstock war in Marbach und schlenderte durch das Geburtsstädtchen des großen Friedrich, sah Kindern zu, die sich auf dem Weg von der Schule vertrödelten und hatte sofort ein Zitat parat: „Ein freies Leben führen wir, / Ein Leben voller Wonne“, zitiert er in der WELT aus den „Räubern“. Wittstocks Bericht von der Marbacher Museumseröffnung ist gespickt mit wahren Worten von Friedrich Schiller, zum Beispiel: „Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.“ Wohl wahr! Was blieb? Uwe Wittstock sah:

„Eine etwas sargartige Vitrine mit materiellen Überbleibseln von Schillers Dichterexistenz: Von Schillers Hut über seine Weste, Hose und Strümpfe bis hin zu seinen Schuhschnallen, von Schillers Schnupftabakdose über seine Uhr, seine Schreibfedern, Handwärmer, Stöcke bis hin zu seinen Löffeln und Gläsern sind allerlei Dichter-Reliquien versammelt.“

Dahin – nämlich in das Literaturarchiv der Moderne, das ja auch in Marbach residiert – soll das Archiv des Suhrkamp-Verlages, wenn es nach dem Willen der Verleger-Witwe ginge. Nun hat der Anwalt des Verleger-Sohnes dem Marbacher Archiv geschrieben, „der geplante Verkauf der Archive des Hauses Suhrkamp an Marbach sei ‚schwebend unwirksam’.“ Wir entnehmen diese hübsche Floskel der FRANKFURTER RUNDSCHAU, in der auch die Reaktion des Hauses Suhrkamp auf dieses Verdikt zu lesen ist: „Kein Kommentar.“

Im selben Blatt lesen wir ein Lob auf die Zeitungslektüre. Arno Widmann war ganz betroffen, als er von einem der „erfolgreichsten Manager der Republik“ erfuhr, dessen Namen er nicht nennt, „er habe die Woche über keine Zeit mehr, Zeitung zu lesen“. Widmann schreibt in der FR: „Der Mann ist verloren.“ Es lohnt, diese kluge Spalte Feuilletonismus nachzulesen. Denn, wie hieß es doch in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:

„Wer wirklich privat sein will, muss es vor allem auch mit sich allein aushalten können.“