Von Jens Brüning

Die "Süddeutsche" berichtet, wie sich Condoleezza Rice durch ihre Äußerungen an der Stanford University selbst diskreditiert hat. Die "NZZ" schildert die Auswirkungen der Schweinegrippe auf den amerikanischen Alltag. Und nach Recherchen des "Tagesspiegels" geht das Zeitungssterben in den USA in die nächste Runde.
"Er weint viel", lesen wir in der BERLINER ZEITUNG. Er, das ist der Rhetorik-Professor Walter Jens, dessen Gattin jüngst Neuestes vom Alltag des demenzkranken Gelehrten zum Besten gab. Dirk Pilz spießt dies und die Stellungnahmen des Rundum-Inszenierers Christoph Schlingensief zu seiner Befindlichkeit nach der Lungen-Operation auf, um uns eine Selbstverständlichkeit mitzuteilen, die allerdings im Gezwitscher und Geplapper der rundum offenen Medien-Buden verloren zu gehen droht: "Voyeurismus", so lernen wir aus der BERLINER ZEITUNG, ist nicht "allgemeine Bürgerpflicht."

Obwohl es natürlich so manch schöne Erkenntnis ans Licht des Tages bringt, was sonst womöglich hinter finsteren akademischen Mauern verborgen geblieben wäre. Da hat nämlich die Studentin Reyna Garcia an der berühmten Stanford University eine höchst prominente Professorin mit ihrer Videokamera gefilmt und dieses Filmchen ins Netz gestellt. Willi Winkler berichtet davon in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, und er würde das sicher nicht so ausführlich tun, wäre diese Professorin nicht Condoleezza Rice und hätte diese Politik-Professorin nicht gesagt:

"Definitionsgemäß kann etwas, das der Präsident autorisiert hat, nicht gegen unsere Verpflichtungen nach der Anti-Folter-Konvention verstoßen."

Hui, da sah man, was man für die amerikanische Demokratie gehalten hatte, in Nullkommanichts durch die finsteren Schlote der Diktatur rauschen! Willi Winkler über die Heldentat der Studentin:

"Mit diesem Video hat Reyna Garcia einen größeren Beitrag zur Demokratie geleistet, als George W. Bush mit seiner ganzen Amtszeit."

Und über die Sicherheitsberaterin und Außenministerin der Regierung Bush urteilt Winkler in der SZ:

"Sie mag eine begnadete Pianistin sein, sogar einen gewissen Ruf als politische Wissenschaftlerin genießen, durch ihr Mitwirken in der Folter-Regierung ist sie fortan diskreditiert."

Es gibt bereits eine Protestbewegung gegen die rückkehrwillige Professorin. Ihr Kollege Henry Kissinger übrigens bekam im akademischen Leben der Havard-University kein Bein mehr auf den Boden, nachdem er sich zu lange mit dem lügenden Vietnam Präsidenten Nixon gemein gemacht hatte.

In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG fand sich in Bezug auf die Vereinigten Staaten von Amerika folgender Hinweis:

"Die ganze Nation hat einen Händewaschzwang, und wo einer hustet, wird es im Bruchteil einer Sekunde sehr einsam um ihn."

Andrea Köhler berichtet natürlich über die Auswirkungen der Schweinegrippe auf den amerikanischen Alltag und weiß, dass es in den Satiremagazinen des World-Wide-Web die tollsten Verschwörungstheorien über den Ursprung des Virus gibt. Die NZZ-Autorin: "Also viel Spaß."

Wenig Spaß haben gegenwärtig alle nordamerikanischen Menschen, die mit der Herstellung und Verbreitung von bedrucktem Papier ihren Lebensunterhalt verdienen. Denn das Zeitungssterben will nicht enden. Schon steht der "Boston Globe", ein Blatt, das in seiner Geschichte 20 Pulitzerpreisträger beherbergte, auf der Kippe. Nicht nur dem Berliner TAGESSPIEGEL ist das einen Artikel wert. Rita Neubauer weiß Zahlen von ungeheuren Ausmaßen zu nennen und erinnert daran, dass auch das Schwesterblatt "New York Times" auf wackeligen Füßen steht. Und es gibt im Zeichen der allüberall ausgegebenen Rettungsschirme die tollsten Ideen. Wir lesen im TAGESSPIEGEL:

"Wenn nicht ein Rettungspaket, dann sollte der Staat Lesern das Abo von der Steuer abziehen lassen – wie eine Spende zur Rettung einer aussterbenden Tierart."

Die Tageszeitung DIE WELT hat zwei Freunde des Kabarettisten Wolfgang Neuss gebeten, sich im Gespräch an den vor 20 Jahren Verstorbenen zu erinnern. Volker Kühn und Ilja Richter tun das mit Emphase, doch hängen bleibt ein Satz von Neuß: "Heut’ mach ich mir kein Abendbrot, heut’ mach ich mir Gedanken, wär’ ja mal ’ne Alternative."