Von Jens Brüning

Der Schriftsteller Burkhard Spinnen besingt in der "Welt" den Frühling aus der Perspektive seines Hundes. Die britische Psychoanalytikerin Susie Orbach, bei der einst Prinzessin Diana auf der Couch gelegen hatte, äußert sich in der "FR" zu Essstörungen, Diätwahn und Schönheitschirurgie. In der "NZZ" schreibt die Hamburger Soziologin und Publizistin Necla Kelek über die Türkei.
"Mit halb geöffneter Schnauze", "

lesen wir in der Tageszeitung DIE WELT,

" "kann man durch die Bäche und Gräben pflügen und sich den Frühling durchs Maul ziehen, dass er einem noch lange von den Lefzen tropft."

Der Schriftsteller Burkhard Spinnen nutzt den Frühling, um seinen Gefühlen Auslauf zu geben. Er macht dies allerdings aus der Perspektive seines Hundes. Darum kommen in seiner Schilderung die erwähnten Lefzen vor, die der Schriftsteller Spinnen naturgemäß nicht sein eigen nennt. Er hat vielmehr, wie er in der Tageszeitung DIE WELT schreibt, ein Problem beruflicher Art: "

" Jeder Frühling", "

lesen wir,

"mag einzigartig sein, mein Gefühl für ihn auch; doch ich muss fürchten, dass mir auf dem Weg vom Herzen zum Mund alles zum Zitat wird."

Das mit den "Lefzen" steht bei Rilke und anderen Kollegen zum Beispiel nicht.
Unter der Überschrift "Der Körper als Selbstzweck" berichtet die britische Psychoanalytikerin Susie Orbach der FRANKFURTER RUNDSCHAU über Essstörungen, Diätwahn und Schönheitschirurgie. Bei ihr hatte Prinzessin Diana auf der Couch gelegen und über eben diese Probleme gesprochen.

Susie Orbach untersucht in ihrem neuesten Buch den Körperfetischismus der industrialisierten Welt. Darin stellt sie die Probleme dar, die aus dieser Mode erwachsen. Im FR-Interview lesen wir, dass alles recht früh beginnt:

"Jedenfalls geht es um die ersten Lebensjahre", "

meint Frau Orbach.

" "Wenn sich ein Kind in dieser Zeit in seinem Körper stabil und wohl fühlt, dann ist das eine gute Grundlage."

Werbung, Medien und dergleichen spielen eine große Rolle, denn jeder Mensch sieht zwei- bis fünftausend Bilder pro Woche, die digital bearbeitet, also idealisiert wurden. So entstehen Modelle, denen sich der schwache Mensch anzupassen sucht. Schwach ist der Mensch in den anspruchsvollsten Berufen. Susie Orbach sagte der FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Letzte Woche war ich auf einem Analytikertreffen in New York. Auch dort habe ich Analytiker mit operierten Maskengesichtern gesehen."

In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG schreibt die in Istanbul geborene Hamburger Soziologin und Publizistin Necla Kelek über die Türkei. Bei dem Text handelt es sich um ein Referat, das Necla Kelek auf dem NZZ-Podium "Türkei" gehalten hat. Das Podium fand Anfang des Monats unter dem Titel "Schlüsselland zwischen Okzident und Orient" statt. Necla Kelek sagte unter anderem:

"Die Türken sind in mehrerer Hinsicht ein Volk ohne Wurzeln."

Die Geschichte ist kompliziert: Antike, griechische und römische Spuren sind im einstigen Osmanischen Reich zu finden. Necla Kelek meint:

"Vielleicht sind die Türken heute deshalb so nationalistisch, weil sie im Inneren das Gefühl haben, dass diesen ehemaligen Vielvölkerstaat eigentlich nur die Fahne zusammenhält."

Das Zusammenhalten eines ganzen Staates durch eine Fahne ist ein Kunststück, das noch nie funktioniert hat. Im Fall der Türkei kommt eine weitere artistische Übung hinzu, wie Necla Kelek in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG schreibt:

"Die USA brauchen die Türkei geopolitisch mit ihrem starken Militär als stabile Kraft im Mittleren Osten. Die Türkei braucht auch aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen dringend Europa. Die USA werden die Türkei bei ihrem Prozess zur EU-Mitgliedschaft unterstützen und gehen davon aus, dass Europa den Preis zahlen wird."

Den Preis für eine unsägliche Dummheit hat der Journalist Gerd Heidemann bezahlt. Er war der Entdecker der berühmten "Hitler"-Tagebücher aus der Feder des Kunstfälschers Konrad Kujau. Johannes Schneider erinnert im Berliner TAGESSPIEGEL an dieses damals höchste Aufmerksamkeit erregende Ereignis. Im April 1983 flog die Sache auf. Der einstige Sensationsreporter lebt inzwischen am Rand der Armut. Er hat ein umfangreiches Archiv. Zu seinen Einkünften erzählte er dem Kollegen:

"Wenn ich mal was übrig habe, kaufe ich mir neue Klarsichthüllen."