Von Jens Brüning

Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit dem "Futuristischen Manifest", mit den Bildschirmkünstlern Kurt Krömer und Oliver Pocher sowie mit dem 100. Geburtstag von Heinz Erhardt.
"Der Führer der Futuristen", lasen wir am Mittwoch in der Tageszeitung DIE WELT, "war ein geschworener Feind der Pasta." Wolf Lepenies, der vor Zeiten mit einer Arbeit über "Melancholie und Gesellschaft" promoviert wurde, erläuterte zwei Tage vor dem 100. Geburtstag des vom italienischen Dichter Marinetti ausgerufenen Futurismus dessen kulinarische Vorlieben.

Nur ein Beispiel: "Das ‚Exaltierte Schwein’ bestand aus einer abgepellten Salamischeibe, die in heißem Espresso schwamm, dem ein gehöriger Schuss Eau de Cologne beigemischt war." Daran merkt man schon, dass der Futurismus keine massentaugliche Bewegung werden konnte. Allenfalls mit einem Bekenntnis, das Bernhard Schulz im Berliner TAGESSPIEGEL vom Donnerstag zitierte, hätte sich eine Mehrheit gewinnen lassen: "Wir wollen dieses Land"," donnerte Marinetti, ""von dem Krebsgeschwür der Professoren, Archäologen, Fremdenführer und Antiquare befreien." Schulz wies im TAGESSPIEGEL auch auf These 9 des am 20. Februar 1909 veröffentlichten "Futuristischen Manifestes" hin. Die lautet: "Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt – den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt." Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG widmete dem Futurismus und seiner Wirkung zwei Seiten. Holger Liebs schrieb in dem Editorial zu dieser kleinen Zeitung in der Zeitung: "Man kann sagen, dass sich nahezu alle totalitären Träume der Futuristen im 20. Jahrhundert erfüllt haben, meist nicht zu ihrem Vorteil."

In Großbritannien kam der Futurismus gar nicht gut an, wie Lothar Müller uns in der SZ erläuterte. Der in den USA geborene Dichter Ezra Pound lebte damals in London. Müller zitierte ihn zum Abschluss seines Artikels: "Ezra Pound mochte im Futurismus nur eine ‚beschleunigte Spielart des Impressionismus’ erkennen und stellte seinem Mailänder Protagonisten einen unmissverständlichen Totenschein aus: ‚Marinetti ist ein Kadaver.’"

Kia Vahland schaute nach Italien und meinte, gewisse Elemente des Futurismus seien heute wieder gefragt in seinem Geburtsland, zum Beispiel die Zukunftsgläubigkeit und der Hang, alles Schlechte der Vergangenheit in die Schuhe zu schieben. Wir lasen am Donnerstag in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Das passt zur aktuellen Kulturpolitik Berlusconis, die vom Bewahren wenig hält und Museen rationalisieren und ökonomisieren will. Die Künstler sind immer noch nicht an der Macht, aber die Herrschaft hat von ihnen gelernt. Die Pasta allerdings ist nicht mehr in Gefahr."

In der TAGESZEITUNG, kurz TAZ, resümierte Tomas Schramme: "Wohin das Kaputtschlagen führen sollte, konnte auch Marinetti nicht sagen. Und so war der Futurismus selbst wie eine Maschine, eine Dampfwalze, die alles platt machte, ohne Sinn für das Wohin der planierten Gegenwart." Um noch einmal auf Wolf Lepenies zurückzukommen, dieses Mal anlässlich des 20. Februars und wieder in der Tageszeitung DIE WELT: Er wies zum Schluss seines Aufsatzes mit dem Titel "Größe und Wahn einer Bewegung" auf die Richtung, die das alles genommen hatte: "In Gottfried Benns Bewunderung für Marinetti wurde deutlich, wie gerne Intellektuelle und Künstler in Deutschland Faschisten geblieben wären – wenn die Nazis es nur gestattet hätten." Die Beschreibung der futuristischen Abende, die Marinetti in Norditalien inszenierte, erinnert an Theaterphänomene der jüngeren Vergangenheit: "Sie begannen mit einer Publikumsbeschimpfung und einer Verspottung der lokalen Honoratioren, bevor aggressive Happenings die Zuschauer vollends zur Rage brachten."

Sehen wir solche Dinge nicht ab und an im Fernsehen? Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG brachte am Dienstag einen großen Artikel von Klaus Raab über den Neuköllner Bildschirmkünstler Kurt Krömer. Der Artikel stand im Feuilleton, nicht auf der Medienseite. Und wir lasen: "Kurt Krömer parodiert seine soziale Herkunft nicht nur, er vermittelt sie auch. Und gehört damit zu den wenigen ernstzunehmenden Milieufiguren im deutschen Fernsehen." Was die Aggression angeht, wurde uns mitgeteilt, Krömer habe die Blaskapelle des Neuköllner Albert-Schweitzer-Gymnasiums als Begleitband in seine Show geladen: "Wenn ein Gast langweilig wird, soll sie schnell was spielen."

Das Stichwort "Langeweile" stand bereits im Titel eines Interviews mit dem Bildschirmkünstler Oliver Pocher, mit dem die Medienseite des Berliner TAGESSPIEGELs am Mittwoch gefüllt wurde. Langeweile sei nämlich "das Schlimmste" sagte Pocher, und er fügte hinzu: "Das Publikum bleibt immer das gleiche. Ungefähr eine Million Menschen, die dahin schalten, wo ich zu sehen bin."

Früher, in der guten alten Zeit des Schwarz-Weiß-Fernsehens, gab es einen Menschen, der am 20. Februar seinen 100. Geburtstag hätte feiern können. Er starb allerdings schon vor 30 Jahren, und dass er immer noch so gut im Gedächtnis der Menschen verankert ist, liegt nach Ansicht von Jens Jessen, Feuilletonchef der Wochenzeitung DIE ZEIT, an folgendem Phänomen: "Literaturgeschichtlich stehen Erhardts Verse zwischen Morgenstern und Robert Gernhard." Heinz Erhardt wurde in der vergangenen Woche sehr gefeiert. Jessen urteilte: "Heinz Erhardt war nicht harmlos. Er wird verharmlost." Michael Wenk zitierte den schwergewichtigen Bühnenkünstler in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG: "Wer sich selbst auf den Arm nimmt, erspart anderen die Arbeit." Und Volker Kühn lobte in der BERLINER ZEITUNG: "Es gibt gereimte Shorties von ihm, vor deren Scharfsinn man die Waffen streckt: ‚Das, was man so als Dichter schreibt, / vergeht entweder oder bleibt.’"