Von innen nach draußen

Von Tim Hannes Schauen |
Welche Umstände drängen Mieter aus der Innenstadt sprichwörtlich an den Rand? Wie wird eine Arbeitersiedlung zum In-Viertel? Wird ein Viertel "aufgewertet", freuen sich die Stadtväter, manche Bewohner aber können sich die Altbauwohnung in der Innenstadt nicht mehr leisten und müssen umziehen. Dadurch verändert ein Viertel sein Gesicht. Der Kölner Soziologe Jürgen Friedrichs beobachtet schon lange die Mechanismen der "sozialräumliche Segregation" - so heißt das Phänomen im Forscherdeutsch.
Der Pralinenmann.

Kolmar: "Es ist ein Unglück passiert, wir sind alle sehr betroffen darüber, und hier nebenan, etwa fünfzig Meter weiter, wird auch ne riesengroße U-Bahn-Station gebaut, bei dieser Entwicklung - kann durchaus sein, dass da auch noch was passiert ..."

Die Anwohnerin.

Anwohnerin: "... jetzt hab ich Angst, ich hab schon vor etlichen Jahren, wie die angefangen haben, alle Bilder von den Wänden gemacht, weil dat doch immer n bisschen erschüttert, hier, wat hier drunter ist."

Der Fischhändler.

Hembsch: "Wir haben hier schon länger Sorge, dat wat passieren kann, wir haben auch hier im Haus Risse, weil wir hier ja im alten Rheinkiesbett sind, und dat könnte ja nachgeben ..."

"Die Südstadt ist nicht nur ein Lifestyle-Eldorado für junge Leute, sondern ein ebenso lebenswertes Quartier für alteingesessene Kölner und junge Familien. Mit mehreren Bus- und Bahnlinien erreichen Sie schnell die Innenstadt."

Hembsch: "... also man hätte sich normalerweise diese U-Bahn schenken können für diese läppischen vier Kilometer."

Kolmar: "… Sorge um dieses Viertel. Das hat einfach mit der U-Bahn-Situation zu tun, mit dem U-Bahnbau. Das ist ne wirtschaftliche Einschränkung natürlich für alle Einzelhandelsgeschäfte hier, weil viele Menschen, die das Severinsviertel besuchen, ja eigentlich auch sagen: Ich möchte ich jetzt lieber nicht dorthin."

Die Kölner Südstadt ächzt. Der Einsturz des Historischen Stadtarchivs bildet den dramatischen Tiefpunkt. Aber der Pralinenmann, die Anwohnerin, der Fischhändler - das ganze Severinsviertel, zwei Kilometer im Süden des Doms, leidet schon lange unter Lärm, Dreck, Parkplatznot. Anstelle von heiß ersehnter Laufkundschaft zwängen sich dicke Lkw durch die schmale Severinstraße. 364 Tage im Jahr. Nur an Heiligabend ist Ruhe. Fast eine Milliarde Euro sind seit 2004 für die Verbindung vom Dom bis in den Süden der Stadt verbaut worden. Die Folgekosten des Archiveinsturzes nicht eingerechnet. Viele Geschäftsleute indes mussten aufgeben, haben vor Europas größter innenstädtischer Baustelle kapituliert.

Dabei versprechen Stadtväter und Bahnbetreiber die Aufwertung der engen, urkölschen Südstadt. Durch die neue U-Bahnlinie und auch vom nahgelegenen 87. Kölner Viertel, das gerade entsteht: dem Rheinauhafen. Ein Computersoftwaregigant hat hier seine deutsche Niederlassung eröffnet, Architekten, Designer, exklusive Bistros folgten. Dieses Umfeld von Computern, Kunst und Kreativen ist für die Stadt und die Wohnwirtschaft immer interessant.
Maria Kröger, Leiterin des Kölner Amtes für Stadtentwicklung.

Kröger: "Eine verbesserte Verkehrsanbindung verändert immer einen Stadtteil. Natürlich wird der Rheinauhafen zu einer Aufwertung der Südstadt führen, das ist gar keine Frage. Und selbstverständlich werden auch Menschen, die im Rheinauhafen arbeiten, Wohnung in der Südstadt suchen, das ist auch gar keine Frage. Sicherlich wird die Südstadt davon profitieren - das denk ich schon."

Ehrenfelderin: "Hauptsächlich nach dem U-Bahnbau hat sich auch sehr viel verändert, und natürlich auch durch die Bewohnerstruktur, die hier ist. Ich bin in Ehrenfeld geboren, vor 75 Jahren, da war das ein anderer Ort, alle kannten sich, die Geschäfte untereinander, es war ne gute Geschäftstraße, meine Eltern hatten selber ein Geschäft da. Wir haben selber ein Haus auf der Venloer Straße, das kriegen sie heute auch nicht mehr sehr gut vermietet. Wohnungen wohl, aber nicht an Geschäfte."

Drei Kilometer westlich des Doms liegt Köln-Ehrenfeld.
Markttag. In zweieinhalb kurzen Reihen stehen vielleicht zehn Stände auf dem Neptunplatz, vor dem Schwimmbad aus dem Jahr 1912.
Ehrenfeld ist altes Industriegebiet. Gasfabrik, Glashütte, die Helios-Elektrizitäts-Werke. 1899 begann Audi-Vater August Horch hier mit der Entwicklung und Herstellung von Automobilen. Von hier kam das echte kölnische Wasser. Und die Arbeiter wohnten mittendrin.
Heute leben hier 35.000 Menschen, ein Drittel davon mit Migrationshintergrund. Ehrenfeld ist ein angesagter, lebendiger Stadtteil, hat eine bunte Kulturszene mit Clubs, Konzerthallen, kleinen Theatern und hippen Kneipen. Und vielen schönen Straßenzügen.
Amtsleiterin Kröger.
Kröger: "Von daher würde ich gar nicht mal sagen, dass Ehrenfeld von starker Gentrification betroffen ist. Wir haben dieses Neue, was reinrutscht, und wir haben noch die ältere Bevölkerung, die durchaus auch in Ehrenfeld lebt, und wir haben auch noch die Migranten, und die Ausländer, die dort auch n Platz haben. Und das, glaub ich, zeichnet gerade Ehrenfeld aus, dass es so vielfältig ist, so lebendig ist, dass vieles nebeneinander her existieren kann, und das finde ich sehr schön."

Gentrification von Stadtteilen, sagen Forscher, und meinen damit Veränderungen der Anwohnerstruktur und bauliche Eingriffe. All dies führe zu einer Aufwertung. Mit dem Phänomen kennt sich Dr. Jürgen Friedrichs bestens aus. Der erimitierte Kölner Soziologieprofessor beschäftigt sich seit 30 Jahren mit den Veränderungen bundesdeutscher Stadtteile und ihrer Bewohnerstruktur.
Neugierig geht Jürgen Friedrichs jetzt durch das Gewimmel auf der Venloer, der langgezogenen Einkaufsstraße und ist der Ehrenfelder Gentrification auf der Spur.

Friedrichs: "Das ist besonders interessant, weil dieser Stadtteil einer derjenigen ist, von denen man eigentlich erwarten kann, dass sich die Bevölkerung hier verändern könnte, die Bevölkerungsstruktur, weil das ein Stadtteil ist, der durch seine Vielfalt und durch seine noch alte Bausubstanz attraktiv ist für Jüngere, meist Unverheiratete, also dass so ein Prozess der Aufwertung hier eintreten könnte. Ehrenfeld selber ist sehr unterschiedlich, aber man kann es in Ansätzen sehen."

"Also äußerlich sieht man einen Wandel der Geschäfte: Also der Salon Else, in dem früher die Haare gemacht wurden, der heißt jetzt Hairways, es ist zu erkennen, dass da hochwertigere Angebote im Lebensmittel da sind, dass ist ganz eindeutig zu sehen, es beginnt aber dann auch sich die ganze Kneipenszene umzuwandeln, es gibt witzigere, auf jüngeres Publikum zugeschnittene Gaststätten oder Kneipen, und das ist ne ganz wesentliche Veränderung, woran man es äußerlich sieht."

Das Prinzip, nach dem sich die Zusammensetzung der Bewohner eines Viertels ändert, vollzieht sich fast immer nach dem gleichen Muster. Studenten oder auch "Szeneleute" sind oft Wegbereiter dieses Veränderungsprozesses.

"Also der Hintergrund ist der, dass diese Gruppe gerne ein innenstadtnahes Leben, ein urbanes Leben wie man so schön sagt, führen möchte, dass heißt, sie möchten ausgehen, sie möchten viele Einrichtungen, Kinos und Theater und Gaststätten in ihrer räumlichen Nähe haben, sie wollen also nicht weit gehen, und das haben sie natürlich, wenn sie in ein Wohngebiet ziehen, dass relativ innenstadtnah ist. Und die zweite Bedingung, die das erfüllen muss: Es muss ne Altbausubstanz geben, nach allen Studien, die wir haben, geht es darum, dass das Gebäude meistens um die Jahrhundertwende sind, und dass diese Gebäude also attraktiv sind und man deshalb versucht, in solche Wohnungen zu kommen.
Das sind so die zwei wichtigsten Merkmale: Innenstadtnähe und Altbau."

Und davon gibt es in Ehrenfeld reichlich, und Studenten haben das Viertel schon lange für sich entdeckt. Sven und Christiane leben schon lange in Köln-Ehrenfeld. Irgendwann während des Studiums hierher gezogen - und geblieben.

Sven: "Ich wohne seit fast zehn Jahren jetzt hier, und auch schon aus gutem Grund, und ja ich schätze die Infrastruktur hier, also es ist mittendrin. Zeichnet sich durch nen gewissen Pluralismus aus, also das ist sowohl sozial als auch ethnisch ganz gut durchmischt.
Leben wir hier auf 65 Quadratmetern zu zweit, allerdings mit einer ganz charmanten Dachterrasse. Mit sehr schiefen Wänden, die hohen Decken sind beibehalten, also es hat noch so einen gewissen Altbaucharme, ist zur Venloer Straße raus, das Ganze zum Preis von um die 700 Euro warm."

Kröger: "Ehrenfeld hat ganz lange gebraucht, bis Ehrenfeld sich entwickelt hat, Ehrenfeld war lange, bis in die 90er-Jahre hinein, ein Stadtteil, in dem sicherlich weniger reichere Bevölkerungsgruppen lebten, und das hat sich dann Mitte der 90er, Ende der 90er-Jahre verändert."

"Aber dass ist ein sehr langsamer Prozess und ich denke nicht, dass sich Ehrenfeld in dem Sinne komplett wandeln wird, sondern dass wir Teile haben werden, wo das eintritt, aber weite Teile eben so bleiben, wie sie heute sind."

Jürgen Friedrichs biegt jetzt links in die Körnerstraße. 30er-Zone, Einbahnstraße, schmale Bürgersteige.

"Also im Augenblick sehen wir jetzt noch Gebäude aus den 70er-Jahren, dann einige ältere, das ist Jahrhundertwende, ein sehr schönes von 1890, 95 schätze ich mal hier, dann kommen diese berühmten Dreifensterhäuser wieder, und hier gibt’s’ ein neues Geschäft, das mit Schmuck handelt, solche Schmuckgeschäfte würden natürlich auch ein Indikator dafür sein, dass sich die Kundschaft geändert hat, und dass mehr Leute wohl hier wohnen, die so etwas kaufen. Oft isses ja so, dass erstmal die Geschäfte sich ändern, die Gaststätten andere sind."

Eine Frau tritt aus einem Hausflur, lässt die Tür aufstehen.

"Also hier hängt sogar noch ein kleiner Kronleuchter im Eingang, das ist natürlich sehr ungewöhnlich, das ist schon attraktiv, Holztreppenhäuser."

An einem Schaufenster bleibt der Soziologe stehen.

"Plateauschuhe, einige sehen aus als kämen sie aus den 50er-Jahren, und ja, das ist so, das sind natürlich Dinge, die ein älteres, biederes unteres Mittelschichtpublikum nicht kaufen würde, sondern das ist schon für jüngere, moderne Leute, die das witzig finden. Und deshalb kann man eben sagen: Wenn solche Geschäfte da sind, ändert sich was. Denn die Geschäfte würde ja nicht lange bestehen, wenn es nicht genügend Kunden dafür gäbe und möglichst noch Kunden in der Gegend zunächst einmal."

Isabell: "Antiquitäten, Mode, Selbstgemachtes, also Schmuck und Porzellan, eher im Landhausstil, ShabbyChic und Mode von Personal Affairs. Seit vier Jahren. Meistens Leute in meinem Alter, also zwischen 20 und 40."

Auf der Straße geht Jürgen Friedrichs weiter, sucht nach Zeichen der Veränderung in Ehrenfeld.

"Muss man auch allgemein sagen, dass in Köln etwas sehr bemerkenswert passiert ist, das gilt zwar für alle Städte, aber für Köln ganz besonders: dass sich die Stadtteile nicht mehr so stark nach Ausländern/Nichtausländern sortieren, das heißt also, wir haben eine stärkere Mischung für die letzten 15 Jahre beobachten können, von 1990 bis 2005, sodass also die sozialräumliche Trennung von deutschen und Ausländern geringer geworden ist, unter anderem auch in Köln, und zwar relativ stark abgenommen hat. Das ist beachtlich, dass sozusagen die Kontaktchancen von deutschen und Ausländern in einem Stadtgebiet größer geworden sind."

Aber dafür bleiben Arme und Reiche zunehmend in ihren Wohnvierteln unter sich.

"Und das ist das Zweite, was wir hier auch untersucht haben auch für den Zeitraum 1990 bis 2005, und da kann man eben sagen, dass die Trennung von Ärmeren, also Sozialhilfeempfängern, und Nichtarmen zugenommen ist. Das gerade ist in Köln wieder relativ stark, was daran liegt, dass eher Besserverdienende, aus solchen Gebieten, in denen eine höherer Anteil Sozialhilfeempfänger gewohnt hat, ausgezogen sind. Sodass jetzt in den Gebieten, in denen ohnehin schon ein höherer Anteil Armer war, der Anteil noch größer geworden ist."

Köln-Chorweiler: 25 Prozent Sozialhilfeempfänger, Ostheim und Meschenich: jeweils 15. Diese Zahlen erfassen die sogenannte "bekämpfte Armut".
"Das hängt auch oft damit zusammen, dass in bestimmten Stadtteilen sich die Sozialwohnungen ballen und dass man natürlich zunächst einmal versucht, die Menschen, die in Not sind, in solche Wohnungen einzuweisen, sodass weiterhin durch diese Zuweisung, auch ne Verstärkung des Anteils der Armut zustande kommen kann."

Hierin liegt eine Besonderheit Ehrenfelds, in der Mischung von Altem und Neuem bei gleichzeitiger, bedächtiger Aufwertung.
Sozialräumliche Segregation, die homogene Verteilung von Bevölkerungsgruppen auf bestimmte Stadtteile, gibt es natürlich auch in ihrem anderen Extrem, nur gibt es sie eben weitaus seltener. Und in reichen Stadtteilen, wo pro Person exorbitant mehr Geld und Wohnraum zur Verfügung steht, wird seltener geforscht.

"Das ist mir auch ein Dorn im Auge, dass wir das nicht tun. Die Soziologen haben offenbar, über Jahrzehnte kann man sagen, immer ein großes Interesse daran gehabt, Armut zu untersuchen oder soziale Ungleichheit zu untersuchen, aber - ich sag jetzt mal wir - wir haben uns wenig interessiert für Oberschicht. Das war sozusagen kein Thema, weil man sagte, dass ist auch politisch nicht bedeutsam, sondern die Wissenschaft hat halt eher die Aufgabe, das Augenmerk auf diejenigen zu richten, die vielleicht nicht sich gut melden können, und sich mehr um das untere Ende der Ungleichheit zu kümmern."

Jürgen Friedrichs steht jetzt auf der Ehrenfelder Körnerstrasse und blickt in das Schaufenster des "MultiKulti-Afroshop". Die Soziologie, sagt er, kann der Stadt konkret helfen.

"Sie kann Hinweise darauf bekommen, welche Entwicklungen im Gange sind, und wo sie versuchen muss, gegenzusteuern. also wenn ich sehe, dass ich ne stärkere Konzentration von Armut in Gebieten haben, muss ich mal sehen, ob ich in irgendeiner Weise etwas dafür tun kann, dass ich nicht noch weitere Personen da noch einweise in diese Gebiete, beispielsweise, oder muss sehen, dass ich irgendwelche Maßnahmen ergreife, Modernisierungsmaßnahmen, die das Viertel attraktiver machen. Also wir trauen uns durchaus auch, Ratschläge zu geben."

"Was sich in Ehrenfeld in den letzen Jahren geändert hat, ist genau wie in der Südstadt, was sich alles verändert. Gehen sie doch mal die Venloer runter. Die alteingesessenen Läden sind alle weg."

Die Luft in der Kneipe ist zum Schneiden an diesem Vormittag. Die Laune der beiden gut gekleideten Rentner an der Theke auch. Der Mann stellt sein leeres Kölschglas ab. Drei Striche sind auf seinem Bierdeckel.

"Et ändert sich nur eins: et wird immer schlechter für uns. Anders jar nix."

Der Mann neben ihm stellt das Schnapsglas auf den Tresen, nickt.

"Hier kommen keine Geschäfte mehr hin, Kitschläden sind das, die kann man vergessen. Die bringen ja nix."

"Und Wohngebiete mit erhöhten Mieten und so weiter. So sieht et us."

Die Soziologie sagt, Gentrification verändere die Bevölkerungsstruktur.
Maria Kröger vom Amt für Stadtentwicklung.

Kröger: "Wer zieht weg und warum? Wer wegzieht ist etwas schwierig zu beantworten, wir wissen allerdings, dass in Ehrenfeld mehr zuziehen als wegziehen, und die, die wegziehen, die ziehen weg, weil sie oft woanders eine andere berufliche Zukunft gefunden haben, aber viele ziehen auch weg, und diese Zahl ist doch schon auch erquicklich, die einfach sagen: das Mietniveau ist zu hoch.
Was wir wissen ist die Neuvermietung, welche Preise gefordert werden bei Neuvermietung Und dieser Preis liegt - Moment jetzt muss ich nachschauen - nahe neun Euro, also durchschnittlich relativ hoch im Vergleich zu anderen Stadtteilen in Köln."

Auf die Mieten kann die Stadt teilweise Einfluss nehmen.

Kröger: "Ganz konkret Einfluss nehmen, dass sich ein Stadtteil zu einem lebendigen Stadtteil entwickelt, kann man sicherlich machen, indem man Sanierungsgebiete einrichtet, wenn denn die sozialen und baulichen Missstände da sind, immer mit der Maßgabe, dass die Einwohnerstruktur sich nicht verändern darf. Die Mieten werden auch festgelegt, das ist ja gerade der Vorteil eines Sanierungsgebietes, man hat rechtliche Möglichkeiten, dort einzugreifen und eine geordnete Entwicklung zu steuern."

Weitere Fördermöglichkeiten auf Landes- und EU-Ebene gibt es im Rahmen des Ziel2-Programms in Gebieten, wo sich die Wirtschaft neu ausrichtet. Bis 2013 erhält das Land NRW gut 1,3 Milliarden Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung, kurz: EFRE.
Dadurch sollen Städte und Regionen attraktiver und lebenswerter gemacht werden.
In Ehrenfeld gibt es viele kleine Büros für zum Beispiel Kommunikations- und Produktdesign.

Kröger: "Dort wird auch derzeit ein EFRE-Projekt im Bereich Design umgesetzt und erarbeitet. Das bedeutet ganz konkret, dass in diesem Gebiet in Ehrenfeld, Netzwerke im Bereich Design/Kreativität aufgebaut werden sollen, dass Gruppen, die in diesem Bereich tätig sind, sich zusammenfinden, ein Mehrwert praktisch erzeugt werden soll, indem man miteinander spricht, miteinander kooperiert, es sollen ganz konkrete Projekte ungesetzt werden, dass muss aber auch noch im Detail erarbeitet werden."

Vor einem schmalen Backsteinhaus bleibt der Soziologe stehen. Sechs Meter breit, in jedem Stockwerk drei Fenster. Typisch für rheinische Großstädte.

"Ich sehe gerade ein dreigeschossiges Dreifensterhaus, dass ganz frisch weiß gestrichen ist, mit Bäumen angepflanzt, mit einem sehr schönen Giebel und das ist so ein Haus, um die Jahrhundertwende, und das ist renoviert, die Fenster sind neu. Also das ist schon so ein Zeichen für das, war sich meine, als Veränderung mit Aufwertungsprozess."

In der Wahlenstraße sitzt Herr Redetzky in seinem Antiquitätengeschäft, umgeben von herrlichen alten Lampen, Möbeln und Porzellan, die Hände vor dem Bauch gefaltet. Der weiße Bart fällt bis auf seinen mächtigen Brustkorb, kontrastiert wunderbar zum schwarzen Hemd.

Redetzky: "Ich sitz hier, warte auf Kunden; es kommen im Augenblick wenig oder kaum welche, aber das ist der Jammer, den der Einzelhandel überall packt.
Es ist so, dass hier halbwegs gute Geschäfte nicht mehr existieren. Es war als Textilgeschäft der Wallpott, der ist raus aus Ehrenfeld. Es war ein Schraubeneinzelhandel, Faßbender, den gibt’s nicht mehr, von den Geschäften, die damals existierten, ist noch geblieben der Kotulla, das ist n Metzger – das hat fürchterlich viel gewechselt."

Der Aufwertung Ehrenfelds durch die U-Bahn folgte eine Entwertung, von der der Stadtteil sich jetzt so langsam aus Sicht und mithilfe der Stadt erholt. Diese Entwicklung erhöht jedoch auf lange Sicht gesehen die Mieten und verdrängt sozial Schwache aus dem Viertel.

Redetzky: "Vor genau 25 Jahren hab ich Platz gesucht, da wollte ich das Geschäft aufmachen, in die Zeit kam dann auch der U-Bahn-Bau hier in Ehrenfeld und wir haben all den ganzen Zirkus erlebt. Da meinte einer, der seinen Stand auf dem Plätzchen da gegenüber hatte: Wenn die Bahn nicht mehr oben fährt, dann gehen die Geschäfte zum Teufel. Ja, und so war’s auch."

Anwohner und Einzelhändler, Vermieter aber bedauern vor allem die schlechte Geschäftssituation.

Was in Ehrenfeld geschah und geschieht, hat die Kölner Südstadt noch vor sich. Die Qualität von Stadtentwicklung und Aufwertung ist immer eine Frage der Perspektive.