Von Hauptmann bis Palucca

Von Cornelia Saxe · 02.08.2005
Um 1900 entdeckten die ersten Künstler die Insel. Schon in den 20er Jahren schwärmte Billy Wilder von Hiddensee als einem "fashionable Badeort". Gerhart Hauptmann warnte dagegen: "Stille nur, damit es kein Weltbad werde!" Die Verlegerin Ute Fritsch bietet dort in diesem Sommer verschiedene Führungen "Auf den Spuren der Künstler in Hiddensee" an.
"Nach einer halben Stunde tauchten in der Ferne die ersten kleinen Häuser von Neuendorf aus der Flut. Sie schwammen auf dem Meer so weiß und hauchig wie die Blüten einer Seerose. Bei der Einfahrt in den Hafen überraschte mich ein völlig anderes Landschaftsbild. Breitflankig lag die Insel vor meinen Augen da. Zart. Sommergrün."

So beschreibt Hans Cibulka seine Ankunft in "Sanddornzeit". Ute Fritsch steht mit einer Gruppe von zehn Leuten in der Nähe des Leuchtturms. Auf ihrem literarischen Rundgang zitiert sie den Thüringer Dichter, der einst im Haus des Leuchtturmwärters Quartier bezog. Die 38-Jährige führt nicht nur zu den Häusern von Gerhart Hauptmann und der Tänzerin Gret Palucca. Sie zeigt auch das berühmte Haus "Karussel" der Stummfilmdiva Asta Nielsen oder die Lietzenburg von Käthe Kruse. Ebenso zum Programm gehört das "Hotel am Meer" in Neuendorf, wo sich mit Vorliebe DDR-Schauspieler einquartierten.

" Armin Müller-Stahl bis Mitte der 60er Jahre, der hat dieses Hotel sehr geliebt, hier schreibt er auch eine Widmung, wie man sehen kann. Anne-Katrin Bürger, die kennt man ja noch als Schauspielerin, Frank Schöbel, der Sänger, Rainer Süß, Helga Göring. Und ganz wichtig Hans Fallada."

Besucherin: " Ich komme aus Halle. Wir sind - mit meiner Schwester zusammen - literarisch sehr interessiert und auch künstlerisch. Ich habe es eben sehr gern, so vor Ort Literatur hautnah zu erleben. "

Besucher: " Ich komme ursprünglich aus Zürich. Das ist die dritte Führung. Ich darf kurz sagen: Frau Fritsch, Sie sind kompetent und sehr sympathisch! Es ist ein Vergnügen, auf diese Weise Hiddensee zu begegnen!"

Eigentlich ist die aus Jena stammende Germanistin und Historikerin Ute Fritsch kompetent in Sachen Goethe, Schiller und Hölderlin. In Jena und Weimar hat sie dazu Führungen angeboten und auf diese Weise ihr Handwerk gelernt. Anregungen gibt’s genug:

Ute Fritsch: " Zum Beispiel ist die Haushälterin von Gret Palucca mit auf der Führung gewesen, hat mir so’n bisschen den Tagesablauf der Palucca geschildert, was ich in dem Buch jetzt aufnehmen werde oder eine ältere Frau hat mir ihre Aufzeichnungen zur Verfügung gestellt, wie sie mit ihren Eltern Ende der 20er Jahre im "Hotel Dornbusch" logiert hat und über George Grosz’n paar Details mehr. "

Heute ist kaum noch etwas von den glamourösen Gästen zu sehen. Hiddensee ist vor allem ein Ort für Familien, Senioren und Individualtouristen. Nur einige wenige Maler leben noch dort. Und die betagte Berliner Schauspielerin Inge Keller verbringt gerade ihren traditionellen Sommeraufenthalt. Einer aber hat nicht nur literarische Anregungen auf der Insel bekommen:

Ute Fritsch: " Das Orgelspielen muss ich jetzt schnell ausnutzen. (lacht) Ich möchte Ihnen Günter Grass vorstellen mit seinem Roman "Ein weites Feld". Günter Grass ist mit der Insel sehr eng in Zusammenhang zu sehen, einfach deshalb, weil seine zweite Frau Ute eine geborene Hiddenseerin ist. Und in diesem Roman beschreibt er in der Figur des Fonti auch die Stelle, wo er seine Frau Ute das erste Mal gesehen hat, nämlich hier in der Kirche, nämlich als sie Orgel spielt. "

Sogar Nina Hagens Gassenhauer "Du hast den Farbfilm vergessen" ist Fritsch auf den Grund gegangen. Der Inseltratsch habe behauptet, Michael sei der Inselarzt gewesen, mit dem die Hagen ein Verhältnis gehabt hätte. Dabei ist sie nie hier gewesen.

Ute Fritsch: " Also singen tu ich jetzt nicht. (Lacht) (Besucherin: Ich hätte mitgesungen!) (...) Nee, also ich kann wirklich nicht singen. (Liest:) Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee / Micha, mein Micha, und alles tat so weh …"

Musik Nina Hagen "Du hast den Farbfilm vergessen":
" Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee
Micha, mein Micha, und alles tat so weh
Dass die Kaninchen scheu schauten aus dem Bau
So laut entlud sich mein Leid ins Himmelblau "

Service:

Bis September bietet Ute Frisch noch ihre Führungen auf Hiddensee an. Die Termine sind auf ihrer Verlagshomepage www.jena1800.de zu finden, auf der Homepage des Seebades Insel Hiddensee oder in Aushängen auf der Insel.