Von Hans von Trotha

30.09.2013
Auf der Liste der aussterbenden Arten stehen Zeitschriften wie "100 Fragen an den Frauenarzt" und Videotheken. Warum? Weil Millionen Deutsche "Grand Theft Auto 5" spielen. Wenigstens Sascha Lobo hat noch Zeit, Botho Strauß zu lesen und "lustig" zu finden.
Die Zukunft hat schon begonnen. Indizien gibt es zuhauf. Dass etwa mächtige Verlagskonzernvorstände den Staat zukunftsträchtig umbauen wollen. Ja, Springers Mathias Döpfner fordert laut Tagesspiegel ein "Ministerium, das sich mit der Kreativindustrie beschäftigt", also nicht etwa kreativ mit der Industrie, sondern wohl irgendwie mit all denen, die derzeit in Scharen der billigen Mieten wegen nach Berlin ziehen, die ihretwegen in die Höhe schießen.

Auch die "Bild der Frau", ein Produkt aus Döpfners Haus, steht an einer Zeitenwende. "Titel wie 100 Fragen an den Frauenarzt verkaufen sich nicht mehr", hat Chefredakteurin Sandra Immoor der taz verraten. Man nimmt also zur Kenntnis, dass sich derlei Titel bisher verkauft haben müssen, und fragt sich unwillkürlich, wie Bild der Frau wohl reagiert. Die Antwort steht auch schon in der taz: mit einer Allensbach-Studie, die nichts Geringeres zum Gegenstand hat als den deutschen Mann. Und Allensbach meldet via Bild der Frau: "Männer mit Supermann-Rolle überfordert / 64 Prozent reicht es schon mit der Gleichberechtigung". Bei der Präsentation dieses Ergebnisses darf Heiner Lauterbach noch hinzufügen: "Ich bin ein Glücksfall für jede Frau". Schließlich verdient er das Geld, während seine Gattin den Haushalt machen darf. So sieht sie aus, die Zukunft in der Bild der Frau.

Noch von einer anderen düsteren Zukunft berichtet die taz: der der Videoverleiher. Die scheinen den Kampf gegen das Internet verloren zu haben. Svenja Bednarczyk zitiert eine Betroffene mit der Prognose: "In zehn Jahren wird es Videotheken in dieser Form nicht mehr geben." Denn: "Die Industrie drängt mit großem Werbeaufwand die Leute dazu, Filme zu streamen". "Gegen den Stream" kalauern deshalb die taz-Überschriftenredakteure. Aber sie haben ja Recht. Hand aufs Herz: Wann haben Sie den letzten Film ausgeliehen? Na also.

Stattdessen, geben Sie es zu, stecken Sie bei "Grand Theft Auto 5" im Stau. Stimmt´s? Irgendjemand muss ja zu der Million Deutscher gehören, die das Videospiel schon gekauft haben. Juan S. Guse berichtet in der FAZ, wie man da so seinen Tag verbringt: "Ich wache auf. Mein Psychologe schreibt mir, dass ich ihn mal wieder besuchen sollte. Ich verabrede mich lieber zum Tennis mit einem Nachbarn, stehle danach eine Propellermaschine, springe aus dem Flugzeug und lasse es am Berg zerschellen. … Ich nehme ein Taxi zum Strand, an dem junge Männer sich selbst mit ihren Handys fotografieren und Bodybuilderinnen an Freiluft-Fitnessgeräten ihre Muskeln stählen. Den Lastwagen, den ich später vom Parkplatz eines alten Diners klaue, ramme ich gegen einen vorbeifahrenden Geldtransporter, dessen Türen aufspringen und Geld auf die Straße regnen lassen. Ich erschieße das Personal, im Radio läuft Countrymusik."

Gefährlicher noch als derlei Fantasien, die sich dem GTA 5-Spieler eindringlich als Realität darbieten, scheint es allerdings sein, sie wieder los werden zu wollen. Juan S. Guse lässt uns wissen, dass er das Spiel schon "durchgespielt" hat, mit fatalen Folgen: "Auf einmal muss ich aus unzähligen Handlungsmöglichkeiten wählen und mir meine Ziele selbst setzen." Guse fasst sein Los so zusammen: "Im realen Leben will ich mich davon ablenken, dass es nichts zu tun gibt, indem ich mich im virtuellen Leben davon ablenke, dass es nichts mehr zu tun gibt."

Aber das Leben geht weiter. Auch das virtuelle. Sogar Botho Strauß ist im Netz. Und Günter Grass scheint sich von einem seiner Enkel davon erzählen haben zu lassen. Beide haben Kritiken des Internets geschrieben, die nun vom Internet zurückkritisiert werden, naturgemäß in Person von Sascha Lobo. Wie immer kommt der nicht ohne Neologismen aus. So lesen wir in der FAZ von "Besserhalbwisserei", von einem "evidenzaversen Ichling" (gemeint ist Günter Grass) und von Texten, die zu den "unüberfliegbarsten" gehören (gemeint ist Botho Strauß). Lobos Fazit Nummer eins: "Strauß und Grass: Beide sehnen sich danach, dass die Gesellschaft sich an einer Elite orientiere. Nur dass Strauß darin eine Gruppe sieht und Grass eine einzelne Person – sich selbst." Fazit zwei: "Botho Strauß ist, was Grass niemals sein will und kann: lustig." Und Fazit drei: "Jede denkende, jede fühlende Person wäre lieber rechts mit Botho Strauß als links mit Günter Grass."

Wenn das keine Steilvorlage für Koalitionsverhandlungen unter der Führung eines künftigen Kreativwirtschaftsministers ist. Herr Döpfner, übernehmen Sie!