Von Hans von Trotha

Die Feuilletons erweisen Otto Sander die letzte Ehre, warnen vor zu viel Gewalt im Film "Freedom Bus" und vor Rosamunde Pilcher im Fernsehen. Die "FAZ" vergleicht "Star Trek" mit der Realität.
Neben erwartbaren Schlagzeilen wie "Schwergewicht der leichten Muse" (NZZ) oder "Der Komiker, der vom Himmel fiel" (FAZ) sind die Nachrufe auf Otto Sander voll von wirklich schönen Komplimenten. Etwa wenn Lothar Müller in der SÜDDEUTSCHEN resümiert:

"Otto Sander verstand es, die Komik auf die Seite der Traurigkeit zu tragen – und wieder zurück."

Oder wenn sich Jürgen Berger in der TAZ erinnert:

"Otto Sander war ein Schauspieler, der kaum wahrnehmbar irgendwo hinten auf der Bühne erscheinen konnte und sofort den Raum ausfüllte, ohne einem Kollegen Platz wegzunehmen."

Gerhard Stadelmaier spricht in der FAZ von "der mürben Grazie anstrengungslosen Könnens". Und dann die Stimme - "diese unglaubliche Stimme, die man ganz einfach hat und die nicht allein durch intensiven Zigarettengenuss zu erwerben ist" (TAZ), die "unnachahmliche, dunkel raspelnde Reibeisenstimme" (FAZ), diese Stimme, die, so Lothar Müller, in den späten Jahren "Solokarriere" gemacht hat. Die immerhin, schwacher Trost, wird bleiben.

Und sonst im Feuilleton? Politik und Weltflucht.

Claus Löser stellt in der BERLINER ZEITUNG den Film "Freedom Bus" von Fatima Geza Abdollahyan vor und findet darin immer wieder "Momente, in denen die Scheidelinie zu Intoleranz und Gewalt sehr spürbar wird." Im gleichen Blatt ruft Ahmed Rashid aus: "Das hat der Prophet nicht gewollt" und erklärt: "Intoleranz ist ein politischer Akt der Vergeltung, der Rache und der Eroberung. Mit Religion hat sie nichts zu tun." Und weiter:

"Wenn das Geld, das Saudi-Arabien und andere Golfstaaten seit den 1970er-Jahren zur Verbreitung des Wahhabismus ausgegeben haben, stattdessen dafür verwandt worden wäre, dass jedes muslimische Kind lesen lernt, hätte die muslimische Welt heute Nobelpreisträger und wäre nicht das Zentrum des Analphabetismus und der Unwissenheit."

Hätte … Mit dem Konjunktiv sind wir dann auch schon bei der Weltflucht.

"Captain Kirk würde nie anderer Leute Daten missbrauchen", titelt die FAZ. Der IT-Sicherheitsberater und Blogger Felix von Leitner erinnert daran, wie viel von unserer heutigen Lebenswelt schon in "Star Trek" zu sehen war. Automatische Türen, Klappmobiltelefon, Touch Screen, USB-Stick: gab es da alles schon – als hätten sich die Ingenieure daran orientiert. Leitner erklärt auch, warum das so ist:

"Als einziges Science-Fiction-Programm zeigte 'Star Trek' eine Zukunft, die zwei Bedingungen erfüllte: Sie war realistisch genug, um sich selbst in dieser Welt sehen zu können, und sie war grundsätzlich positiv. Die gezeigte Welt war erstrebenswert."

In dieser Welt läuft alles über den Computer, und alle können alle Daten jederzeit abfragen. Leitner erinnert an Dialogzeilen wie: "Computer, wo hält sich Fähnrich Ro auf" und entsprechende Antworten, etwa: "In Holodeck 3." Das Phänomen, so Leitner: "Aber niemand in der Serie stört sich daran." Denn:

"Der Captain ist edel und gut und würde niemals anderer Menschen Daten missbrauchen. Mit anderen Worten: Die Vision der Zukunft ist, dass wir den Kampf gegen allgegenwärtige Überwachung verloren haben, aber dass das nicht schlimm ist."

Genau so wünscht sie sich das die NSA. Leitner berichtet:

"NSA-Chef General Keith Alexander hat sich seinen Befehlssitz im Intelligence and Security Command der US Army von Hollywood-Designern wie die Brücke vom Raumschiff Enterprise nachbauen lassen."

Der Autor scheint seine Fassungslosigkeit schon überwunden zu haben, denn sein Fazit lautet:

"Der erfreulichste Aspekt an diesen Überlegungen ist, dass sie auch einen klaren Weg aus der Krise aufzeigen: Wir brauchen wieder positive Science Fiction. Wir brauchen eine erstrebenswerte Zukunftsvision."

Und was haben wir? Die Lindenstraße und Rosamunde Pilcher. Aber, das erklärt uns Nikolaus von Festenberg in einem "Plädoyer für seichtes Fernsehen" im Tagesspiegel, das ist auch okay. Überschrift: "Die Zuschauerseele braucht Feuchtgebiete". Festenberg befindet: "Das Schlechte ist auch Freiheit" und verweist auf einen Selbstversuch, in dem er sich immer für die Hörbiger-Pilcher-Liga entschieden hat. Wer genau hinsieht, liest allerdings, dass er das gerade mal "eine halbe Woche" lang getan hat, und dass sich das Lob, zu dem er dann noch fähig war, auf ein "Und ich lebe noch" beschränkt.

Eines scheint klar zu sein: Nicht nur am Fernsehprogramm, auch an unseren Utopien müssen wir gehörig arbeiten.