Von Hans von Trotha
Die "Süddeutsche Zeitung" verneigt sich in einem Nachruf vor der verstorbenen Künstlerin Almut Klotz. Die "taz" schreibt über den erneuten Versuch, in der Schweiz die Armee abzuschaffen, und die "FAZ" widmet sich dem spanischen Bibliothekensystem.
Am Freitag erscheint das neue Album von Almut Klotz und Christian Dabeler mit dem Titel Lass die Lady rein. Almut Klotz hat kurz vorher den Kampf gegen ihre schwere Krankheit verloren. Eine Stimme ist verstummt, nicht nur eine musikalische, wie Joachim Hentschel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG meint.
Der Roman des Duos Aus dem Leben des Manuel Zorn von 2005 habe "im Zweifel mehr mit Alfred Döblin zu tun als mit Hegemann oder Stuckrad-Barre". So verneigt sich jeder in Nachruf auf seine ganz persönliche Weise vor einer offenbar sehr starken Frau.
In unserem Bedürfnis nach Wahrem, Schönem, Gutem, nach Ablenkung und geistiger Erholung - wo, wenn nicht im Feuilleton, sollen wir das denn finden, bitteschön - übersehen wir leicht, dass es auch auf den Kulturseiten gerade so wie auch in der Politik, wie im Wirtschaftsteil, vom Sport gar nicht zu reden, am Ende immer um das Eine geht: um Kämpfe.
Die Schweiz nimmt zum wiederholten Mal den Kampf gegen ihre eigene Armee auf und lässt über deren Abschaffung abstimmen. Die taz berichtet darüber. Fazit:
"Zeitgemäß und demokratisch angemessen wäre einzig eine allgemeine Sozialdienstpflicht für Männer und Frauen."
Das dürfte allerdings noch ein längerer Kampf werden. "Kampf ums Buch" ist ein Artikel von Paul Ingendaay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung überschrieben.
Die Diagnose lautet: "Das System der öffentlichen Bibliotheken in Spanien zerbröckelt zu Papierstaub." - "Zu den harten Budgetkürzungen", erläutert Ingendaay, "kommen die Bildungsmisere, der Verfall der Lesekultur und die völlige Hilflosigkeit des spanischen Verlagswesens vor dem E-Book".
Dagegen formiert sich nun ein Kampf um öffentliche Bibliotheken, und am Ende steht als spanische Pointe überraschenderweise: "Das Leihbuch als eines der wenigen Güter, um die sich zu kämpfen lohnt."
Der bevorzugte Kampfplatz im Feuilleton ist natürlich die Sprache. Ein Verband von Sinti und Roma verlangt von der Firma Knorr, das Produkt "Zigeunersoße" aus dem Programm zu nehmen.
Die taz interviewt einen Firmensprecher, der findet, Zigeunersoße sei "keine unternehmensspezifische Thematik", der Begriff betreffe ja "die gesamte Kulinarik" und außerdem: "Per se ist die Bezeichnung" – gemeint ist der Zigeuner – "in der Alltagssprache nicht negativ, aber ich kann das ja nicht aus der Perspektive der Sinti und Roma beurteilen". Womit wir mitten im Thema wären, um nicht zu sagen: an der Kampflinie.
In der Süddeutschen wagt sich Burkhard Müller in eine der wohl am häufigsten im Feuilleton ausgemessenen Kampfzonen. Der Anlass:
"Vom 1. November an gibt es im deutschen Personenstandsrecht ein unbestimmtes Geschlecht."
Müller fragt: "Wie soll es zur Sprache kommen?" Und schon tobt er, der Kampf. Schließlich ist Müller überzeugt:
"Alle Auseinandersetzung der Geschlechter und um das Geschlecht hat sich … als ein Kampf der Worte vollzogen, genauer: als ein Krieg der Wörter; denn hier wächst dem einzelnen Namen und Begriff überwältigende Macht zu."
Das ist immerhin eine These und Müller verfolgt sie konsequent. Dabei erklärt uns endlich mal jemand den Unterschied zwischen sex und gender:
"Sex", so lernen wir, "ist, was Stier und Kuh trennt, und gender, was der Mensch draus macht."
Und dann ist da natürlich der Kampf, der uns besonders aufwühlen sollte, aber gerade so ganz und gar nicht erreicht – der Wahlkampf. Der, das führt uns Tim Neshitov in der Süddeutschen vor Augen, ist kein Kampf der Worte sondern ein Kampf der Bilder.
"Eine Bildbetrachtung aus aktuellem Anlass", lesen wir über Neshitovs Stück.
Anlass ist allerdings nicht die Bundestagswahl, sondern der Tod von Wladimir Putins Judo-Lehrer. Zu sehen ist ein Putin, der scheinbar ganz allein durch Sankt Petersburg spaziert, "spontan", wie behauptet wird, in Trauer, wie wir lesen und dann auch gleich zu sehen meinen.
Neshiotov schreibt: "Während sich Deutschlands Wahlkämpfer als gesellige Alltagsmenschen inszenieren, gibt Wladimir Putin den einsamen Herrscher."
Wo also Merkel und Steinbrück eher ungelenk versuchen, eine Legitimierung durch das Volk nicht nur in Worten, sondern auch in Bildern zu inszenieren, sehen wir den russischen Präsidenten, so Neshitov, im "Bestreben, Putin durch Putin zu legitimieren".
Und wir verstehen, warum der Wahlkampf bei uns so schrecklich öde ist. Und wie verdammt froh wir darüber sein können.
Der Roman des Duos Aus dem Leben des Manuel Zorn von 2005 habe "im Zweifel mehr mit Alfred Döblin zu tun als mit Hegemann oder Stuckrad-Barre". So verneigt sich jeder in Nachruf auf seine ganz persönliche Weise vor einer offenbar sehr starken Frau.
In unserem Bedürfnis nach Wahrem, Schönem, Gutem, nach Ablenkung und geistiger Erholung - wo, wenn nicht im Feuilleton, sollen wir das denn finden, bitteschön - übersehen wir leicht, dass es auch auf den Kulturseiten gerade so wie auch in der Politik, wie im Wirtschaftsteil, vom Sport gar nicht zu reden, am Ende immer um das Eine geht: um Kämpfe.
Die Schweiz nimmt zum wiederholten Mal den Kampf gegen ihre eigene Armee auf und lässt über deren Abschaffung abstimmen. Die taz berichtet darüber. Fazit:
"Zeitgemäß und demokratisch angemessen wäre einzig eine allgemeine Sozialdienstpflicht für Männer und Frauen."
Das dürfte allerdings noch ein längerer Kampf werden. "Kampf ums Buch" ist ein Artikel von Paul Ingendaay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung überschrieben.
Die Diagnose lautet: "Das System der öffentlichen Bibliotheken in Spanien zerbröckelt zu Papierstaub." - "Zu den harten Budgetkürzungen", erläutert Ingendaay, "kommen die Bildungsmisere, der Verfall der Lesekultur und die völlige Hilflosigkeit des spanischen Verlagswesens vor dem E-Book".
Dagegen formiert sich nun ein Kampf um öffentliche Bibliotheken, und am Ende steht als spanische Pointe überraschenderweise: "Das Leihbuch als eines der wenigen Güter, um die sich zu kämpfen lohnt."
Der bevorzugte Kampfplatz im Feuilleton ist natürlich die Sprache. Ein Verband von Sinti und Roma verlangt von der Firma Knorr, das Produkt "Zigeunersoße" aus dem Programm zu nehmen.
Die taz interviewt einen Firmensprecher, der findet, Zigeunersoße sei "keine unternehmensspezifische Thematik", der Begriff betreffe ja "die gesamte Kulinarik" und außerdem: "Per se ist die Bezeichnung" – gemeint ist der Zigeuner – "in der Alltagssprache nicht negativ, aber ich kann das ja nicht aus der Perspektive der Sinti und Roma beurteilen". Womit wir mitten im Thema wären, um nicht zu sagen: an der Kampflinie.
In der Süddeutschen wagt sich Burkhard Müller in eine der wohl am häufigsten im Feuilleton ausgemessenen Kampfzonen. Der Anlass:
"Vom 1. November an gibt es im deutschen Personenstandsrecht ein unbestimmtes Geschlecht."
Müller fragt: "Wie soll es zur Sprache kommen?" Und schon tobt er, der Kampf. Schließlich ist Müller überzeugt:
"Alle Auseinandersetzung der Geschlechter und um das Geschlecht hat sich … als ein Kampf der Worte vollzogen, genauer: als ein Krieg der Wörter; denn hier wächst dem einzelnen Namen und Begriff überwältigende Macht zu."
Das ist immerhin eine These und Müller verfolgt sie konsequent. Dabei erklärt uns endlich mal jemand den Unterschied zwischen sex und gender:
"Sex", so lernen wir, "ist, was Stier und Kuh trennt, und gender, was der Mensch draus macht."
Und dann ist da natürlich der Kampf, der uns besonders aufwühlen sollte, aber gerade so ganz und gar nicht erreicht – der Wahlkampf. Der, das führt uns Tim Neshitov in der Süddeutschen vor Augen, ist kein Kampf der Worte sondern ein Kampf der Bilder.
"Eine Bildbetrachtung aus aktuellem Anlass", lesen wir über Neshitovs Stück.
Anlass ist allerdings nicht die Bundestagswahl, sondern der Tod von Wladimir Putins Judo-Lehrer. Zu sehen ist ein Putin, der scheinbar ganz allein durch Sankt Petersburg spaziert, "spontan", wie behauptet wird, in Trauer, wie wir lesen und dann auch gleich zu sehen meinen.
Neshiotov schreibt: "Während sich Deutschlands Wahlkämpfer als gesellige Alltagsmenschen inszenieren, gibt Wladimir Putin den einsamen Herrscher."
Wo also Merkel und Steinbrück eher ungelenk versuchen, eine Legitimierung durch das Volk nicht nur in Worten, sondern auch in Bildern zu inszenieren, sehen wir den russischen Präsidenten, so Neshitov, im "Bestreben, Putin durch Putin zu legitimieren".
Und wir verstehen, warum der Wahlkampf bei uns so schrecklich öde ist. Und wie verdammt froh wir darüber sein können.