Von Hans von Trotha

Die Feuilletonisten vieler Zeitungen ziehen ihren Hut vor dem verstorbenen Kinderbuchautor Otfried Preußler. Dankbarkeit schwingt in ihren Zeilen mit, während sich Kollegen von ihnen über das Pferdefleisch in der Lasagne lustig machen.
"Hut ab!", steht groß über dem Feuilleton der BERLINER ZEITUNG. Das liest sich im ersten Moment eher wie ein Befehl als wie die Referenz, die es vor allem sein will. Sie gilt Otfried Preußler, dem "konservativen Anarchisten", wie ihn die TAZ nennt, dem, so die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, "christlichen Traditionalisten, der sich in der Pflicht seiner kindlichen Leser sah". Mehrere Feuilletons lassen gleich mehrere Feuilletonisten ihre Gedanken zum Tod Otfried Preußlers aufschreiben.

Schließlich hat jeder, dem als Kind vorgelesen wurde und der als Kind gelesen hat, seine eigene Geschichte mit Preußler und den Preußler- Büchern. Andrian Kreye interpretiert den ""Kleinen Wassermann" in der SÜDDEUTSCHEN als Gegenbeweis zu Platons Höhlengleichnis. Frank Schirrmacher, dessen neues Buch "Ego", dies nur nebenbei, in der TAZ unter der als Frage formulierten Überschrift "Deutschlands letzter großer Denker oder allererster Wichtigtuer?" besprochen wird, nennt Preußler in der FAZ einen "Kindermagier" und schwärmt: "Es gibt eine topographische Exaktheit und eine seelische. In beiden Techniken war er ein Meister."

Die NZZ hebt hervor, dass das Vorlesen von Preußlers Büchern "heute noch ein All-Age-Vergnügen" sei, während Benno Schirrmeister in der TAZ meint: "Er ist wohl zu erinnern als wichtiger, und nicht ungefährlicher, Dichter der Gegenaufklärung." Der Welt dagegen ist er schlicht ein "Meisterwerker", und so titelt das Blatt in ans Klassische gemahnender Redakteurspoesie: "Unsterblich, wo das Unvergessliche wohnt". Cornelia Geißler und Petra Ahne zitieren in der BERLINER ZEITUNG dankenswerterweise den Verstorbenen selbst mit dem in seiner Schlichtheit großen Satz: "Kinder sind in erster Linie Kinder."

Es kommt nicht oft vor, dass ein Autor von Kinderbüchern derart groß im Feuilleton gewürdigt wird. Vielleicht liegt das auch daran, dass denen, die da schreiben, die eigene Kindheit vor Augen geführt und ins Herz zurückgerufen wird, Gefühle, Ängste, Ahnungen frühester literarischer Sozialisation. So nennt der TAGESSPIEGEL den Verstorbenen den "Mann, der die Angst vertrieb". Vielleicht ist ja auch Dankbarkeit für diese Kraft von Geschichten, die da mit durch die Feuilletons weht. Unübersehbar ist dabei das Bedürfnis der Leser von Kinderbüchern nach einer Vaterfigur. Denn Vaterfiguren vermitteln, was realen Vätern nicht immer gelingt, Überlegenheit und Sicherheit. Auch so vertreiben sie die Angst.

Womit wir bei Benedikt XVI. wären. "Die vaterlose Gesellschaft" ist eine "Folgenabschätzung" in CHRIST UND WELT überschrieben, die sich um die bekennenden Benedikt-Fans unter den Journalisten hierzulande sorgt. Dasselbe Blatt spürt unter der Überschrift "Don Giorgio braucht Ruhe" den Gerüchten nach, was aus Georg Gänswein wird, während in der SÜDDEUTSCHEN Kerim Balci, Chefredakteur des Magazins TURKISH REVIEW, den türkischen Blick auf das Ratzinger-Pontifikat skizziert. Fazit: Aufgrund einer von Balci diagnostizierten "Anfälligkeit der Türken für Verschwörungstheorien", werde das für sie vor allem wegen des Rücktritts interessant.

Für Verunsicherung sorgt seit Wochen auch die Sache mit dem Pferdefleisch. Die ist nach der Phase der journalistischen Aufklärung über die der politischen Empörung und der kulinarischen Erziehung (Pferd ist zart und schmeckt süß) in die der feuilletonistischen Ironisierung getreten.

"Ein Skandal: Man hat uns Tier in Fleisch gemischt!",

ruft Jens Friebe in der FAZ aus, die ihren Gastautor als "Musiker, Autor und Vegetarier" vorstellt. Der Artikel trägt die hübsche Überschrift: "Die carnivorische Verblendung", und Friebe zitiert darin den Sportreporter Werner Hansch mit dem Satz: "Ich weiß, dass ich sterbe, aber ich glaube nicht daran", um uns vor Augen zu führen, wie schräg es ist, als tierliebende Fleischesser einkaufen zu gehen.

CHRIST UND WELT weiß: "Das Pferd will nicht in die Lasagne", und in der TAZ beginnt der Text "Noch einen vom Pferd" von Jopseph Winkler mit einem "Verbraucherschutzhinweis: Dieser Text kann Pferde und Spuren von Eseln enthalten." Er enthält, wie da gleich zu vermuten ist, auch Spuren von Witz und Ironie. Das ist das Los der Feuilletons, wenn sie sich der Themen annehmen, die in den anderen Büchern derselben Zeitung längst so totgeritten worden sind wie hier die Sache mit dem Pferd.