Von Hans von Trotha
Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung kontert die Architektin Zaha Hadid den Vorwurf, ihre neuesten Bauten in China seien Kopien. Die taz rezensiert zweiten Band des Werkes "Nachmetaphyisches Denken" von Jürgen Habermas.
"Obvñzfhnhxds."
Mit dieser per Twitter verbreiteten Botschaft stach der argentinische Oppositionspolitiker Hermes Binner seine in der FAZ als "Twitterkönigin" geehrte Präsidentin Cristina Kirchner aus. Während deren Tweets, mit denen sie ihre Landsleute "wissen lassen" will, "was die Medien verbergen", zwar eine stattlich Zahl von Followern generieren, aber sonst wohl doch eher rasch verhallen, erlangte die schwer auszusprechende Kürzestnachricht aus den Reihen der Opposition den Status eines trending topic, also eines Kultslogans, auch wenn sie, wie die FAZ aufzuklären weiß, sehr wahrscheinlich unabsichtlich von einem ungesicherten Smartphone in einer Jackettasche generiert wurde.
Vorsicht also mit den Worten. Aber es sind ja nur Worte. So wie "türkenfrei". Das ist auch nur so ein Wort. Benutzt hat es Pfarrer Jürgen Fliege mit Blick auf die katholische Kirche. Dass das klingt wie "judenfrei" …. Nun ja. Zitat Fliege zur taz über Fliege
"Das ist so ein typischer Reflex vom Fliege, der zwar etwas auf den Punkt bringt, aber auch sehr provozierend ist."
Also doch nur ein Wort?
Im Tagessspiegel zitiert Ernest Wiechner den jüdischen Dichter Bruno Schulz, dem eine Ausstellung auf dem Bebelplatz verwehrt wird, also gerade da, wo die Nazis demonstrativ Wörter, nämlich Bücher, verbrannt haben, mit dem Satz:
"Wir halten das Wort üblicherweise für den Schatten der Wirklichkeit, für ihr Abbild. Richtiger wäre die umgekehrte Behauptung: Die Wirklichkeit ist der Schatten des Wortes."
So spricht der Dichter, der noch mit der Feder schrieb. Heute steht dem Überfluss an Worten oft ein Mangel an Wirklichkeit entgegen. Die Süddeutsche berichtet, dass Kubas berühmteste Bloggerin Yoani Sánchez endlich reisen darf. Und wovon handeln ihre ersten Worte in der Welt da draußen?
"Danke, internationaler Flughafen von Recife, für die Aufmerksamkeit und Zuneigung",
twitterte Sanchez nach der Landung in Freiheit, weil sie so begeistert war vom kabellosen Internet.
Die Wirklichkeit ist eh nicht immer die Wirklichkeit, jedenfalls nicht mehr. Oft ist es, wenn nicht nur ihre Simulation, bloß noch ihre Kopie. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung kontert die Architektin Zaha Hadid den Vorwurf, ihre neuesten Bauten in China seien Kopien, mit dem absolut twittertauglichen Statement:
"Alles ist Kopie."
Kai Strittmatter erläutert dazu gleich unter dem Interview, dass die Kopierwut der Chinesen, die nicht nur den Eiffelturm, das Weiße Haus und den Markusplatz nachgebaut haben, sondern auch die kompletten Städte Hallstatt und Dorchester, als ein
"Zeichen neuer Stärke."
Er zitiert die amerikanische Autorin Bianca Bosker, die auf die die Frage, warum China sich so versessen den Westen aneigne, die entwaffnende Antwort parat hat:
"Weil es das kann." - "Was oberflächlich wie eine ‚Anbetung des Westens‘ aussehen mag",
so Bosker weiter,
"ist für Chinesen in Wirklichkeit eine Bestätigung ihrer eigenen Überlegenheit."
Sieht sie so aus, die Wirklichkeit der Zukunft? Kopiert? Bleibt das Denken. Aber auch da leben wir längst in einer Welt nach aller Metaphysik. Das zumindest erklärt Jürgen Habermas nun schon in einem zweiten Band mit dem Titel "Nachmetaphyisches Denken". Rezensent Rudolf Walther erläutert in der taz:
"`Nachmetaphysisch´ nennt man ein philosophisches Denken, das keinen privilegierten Zugang zur Wahrheit mehr beansprucht."
Kein privilegierter Zugang mehr zur Wahrheit – das klingt ja fast wie die philosophische Rechtfertigung, Hallstadt nachzubauen.
Die Süddeutsche würdigt den Philosophen Grigorij Pomeranz. Auch sein Tod ist eine Epochenwende, wenn man der Zeitung glauben will, galt er doch als letzte anerkannte moralische Instanz Russlands. Über Putin hat Pomeranz gesagt:
"Er kotzt mich an."
Und über die Gegenwart:
"Erziehung ist eine schwierige Sache. Die Jugend klebt am Fernseher, der müde Mensch auch, sie werden mit Bonbons und mit Müll zugeschüttet."
Und wenn man dann doch hinausgeht in die Welt, dann ist die plötzlich zugestellt mit Kopien. Oder wir meinen, sie schon zu kennen. Aus irgendeinem Blog.
Mit dieser per Twitter verbreiteten Botschaft stach der argentinische Oppositionspolitiker Hermes Binner seine in der FAZ als "Twitterkönigin" geehrte Präsidentin Cristina Kirchner aus. Während deren Tweets, mit denen sie ihre Landsleute "wissen lassen" will, "was die Medien verbergen", zwar eine stattlich Zahl von Followern generieren, aber sonst wohl doch eher rasch verhallen, erlangte die schwer auszusprechende Kürzestnachricht aus den Reihen der Opposition den Status eines trending topic, also eines Kultslogans, auch wenn sie, wie die FAZ aufzuklären weiß, sehr wahrscheinlich unabsichtlich von einem ungesicherten Smartphone in einer Jackettasche generiert wurde.
Vorsicht also mit den Worten. Aber es sind ja nur Worte. So wie "türkenfrei". Das ist auch nur so ein Wort. Benutzt hat es Pfarrer Jürgen Fliege mit Blick auf die katholische Kirche. Dass das klingt wie "judenfrei" …. Nun ja. Zitat Fliege zur taz über Fliege
"Das ist so ein typischer Reflex vom Fliege, der zwar etwas auf den Punkt bringt, aber auch sehr provozierend ist."
Also doch nur ein Wort?
Im Tagessspiegel zitiert Ernest Wiechner den jüdischen Dichter Bruno Schulz, dem eine Ausstellung auf dem Bebelplatz verwehrt wird, also gerade da, wo die Nazis demonstrativ Wörter, nämlich Bücher, verbrannt haben, mit dem Satz:
"Wir halten das Wort üblicherweise für den Schatten der Wirklichkeit, für ihr Abbild. Richtiger wäre die umgekehrte Behauptung: Die Wirklichkeit ist der Schatten des Wortes."
So spricht der Dichter, der noch mit der Feder schrieb. Heute steht dem Überfluss an Worten oft ein Mangel an Wirklichkeit entgegen. Die Süddeutsche berichtet, dass Kubas berühmteste Bloggerin Yoani Sánchez endlich reisen darf. Und wovon handeln ihre ersten Worte in der Welt da draußen?
"Danke, internationaler Flughafen von Recife, für die Aufmerksamkeit und Zuneigung",
twitterte Sanchez nach der Landung in Freiheit, weil sie so begeistert war vom kabellosen Internet.
Die Wirklichkeit ist eh nicht immer die Wirklichkeit, jedenfalls nicht mehr. Oft ist es, wenn nicht nur ihre Simulation, bloß noch ihre Kopie. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung kontert die Architektin Zaha Hadid den Vorwurf, ihre neuesten Bauten in China seien Kopien, mit dem absolut twittertauglichen Statement:
"Alles ist Kopie."
Kai Strittmatter erläutert dazu gleich unter dem Interview, dass die Kopierwut der Chinesen, die nicht nur den Eiffelturm, das Weiße Haus und den Markusplatz nachgebaut haben, sondern auch die kompletten Städte Hallstatt und Dorchester, als ein
"Zeichen neuer Stärke."
Er zitiert die amerikanische Autorin Bianca Bosker, die auf die die Frage, warum China sich so versessen den Westen aneigne, die entwaffnende Antwort parat hat:
"Weil es das kann." - "Was oberflächlich wie eine ‚Anbetung des Westens‘ aussehen mag",
so Bosker weiter,
"ist für Chinesen in Wirklichkeit eine Bestätigung ihrer eigenen Überlegenheit."
Sieht sie so aus, die Wirklichkeit der Zukunft? Kopiert? Bleibt das Denken. Aber auch da leben wir längst in einer Welt nach aller Metaphysik. Das zumindest erklärt Jürgen Habermas nun schon in einem zweiten Band mit dem Titel "Nachmetaphyisches Denken". Rezensent Rudolf Walther erläutert in der taz:
"`Nachmetaphysisch´ nennt man ein philosophisches Denken, das keinen privilegierten Zugang zur Wahrheit mehr beansprucht."
Kein privilegierter Zugang mehr zur Wahrheit – das klingt ja fast wie die philosophische Rechtfertigung, Hallstadt nachzubauen.
Die Süddeutsche würdigt den Philosophen Grigorij Pomeranz. Auch sein Tod ist eine Epochenwende, wenn man der Zeitung glauben will, galt er doch als letzte anerkannte moralische Instanz Russlands. Über Putin hat Pomeranz gesagt:
"Er kotzt mich an."
Und über die Gegenwart:
"Erziehung ist eine schwierige Sache. Die Jugend klebt am Fernseher, der müde Mensch auch, sie werden mit Bonbons und mit Müll zugeschüttet."
Und wenn man dann doch hinausgeht in die Welt, dann ist die plötzlich zugestellt mit Kopien. Oder wir meinen, sie schon zu kennen. Aus irgendeinem Blog.