Von Hans v. Trotha

Der Tagesspiegel druckt einen sehr mutigen Brief eines aserbaidschanischen Bloggers ab. Die SZ bespricht einen Roman des amerikanischen Autors Richard Yates, der mit 34-jähriger Verspätung auf deutsch erschienen ist. Und daneben geht es ganz viel um Geld.
Vom 6. bis zum 9. November findet das "Internet Governance Forum" statt, ausgerechnet in Aserbaidschan, einem Land, in dem das Internet vollständig überwacht wird. Der TAGESSPIEGEL macht sein Feuilleton mit einem sehr mutigen und sehr offenen Brief des Bloggers und Dissidenten Emin Milli an den Präsidenten der Republik Aserbaidschan auf. Der schließt mit den Worten:

"Mir ist bewusst, dass Sie meinen Brief ignorieren können. Sie verfügen über eine große Armee und eine machtvolle Polizei. Ich habe nur Worte und das Internet. Ich werde dennoch meiner Bürgerpflicht nachkommen, Sie und unsere Gesellschaft an die Wahrheit über das Leben in Aserbaidschan zu erinnern. Ich glaube daran, dass unser Land ein besserer Ort werden kann, wenn wir gemeinsam für einen Wandel eintreten. Erst dann können wir auf ein freies Internet hoffen. Vielleicht folgt darauf eines Tages ein freies Land."

Hut ab vor dem Mut dieses jungen Mannes. Und gut, dass derlei Aktivitäten auch offline gewürdigt werden. Auch das ist Feuilleton, wenn auch vielleicht zu selten.

Ganz angemessen gedenken die Feuilletons des amerikanischen Komponisten Elliott Carter. 103 Jahre ist er alt geworden. Er war fast 90, als er seine erste Oper schrieb. Sie heißt "What´s next". Ein schönes Motto, um sich vor einem langen Leben und einem großen Lebenswerk zu verneigen.

Nicht selten erfahren Künstler den ihnen angemessenen Ruhm ja erst nach ihrem Tod. So begeht die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG den zwanzigsten Todestag des amerikanischen Erzählers Richard Yates, der einer ganzen Generation von Schriftstellern als Vorbild diente und doch fast vergessen wurde. Rezensiert werden eine Einführung in Leben und Werk von Richard Yates sowie der Roman "Eine gute Schule", der mit 34-jähriger Verzögerung auf Deutsch erschienen ist.

Ansonsten geht´s mal wieder vor allem um das Eine - ums Geld. Der TAGESSPIEGEL erzählt von schlecht bezahlten und von arbeitslosen Schauspielern und von Til Schweigers Honorar als Tatort-Kommissar. Die FAZ druckt Passagen aus dem Buch "Was man für Geld nicht kaufen kann" des amerikanischen Philosophen Michael J. Sandel ab, das erschütternde Beispiele für das Gegenteil enthält, also für Dinge, die man für Geld kaufen kann:

"Kosten für das Austragen eines Embryos durch eine indische Leihmutter: 6250 Dollar. …Das Recht, in die USA einzuwandern: 500.000 Dollar. …Das Recht, ein Schwarzes Nashorn (eine bedrohte Tierart) zu schießen: 150.000 Dollar."

Sandel erklärt, "dass Märkte tendenziell zersetzend wirken". Und er stellt die Frage:

"Wollen wir eine Marktwirtschaft oder eine Marktgesellschaft?"

Dazu passen die FAZ-Berichte über eine weitere Expansion des Supergroßverlags Penguin Random House und über die Krise von Spaniens größter Zeitung El País, die sich weiter zuspitzt. Paul Ingendaay entlarvt die empörende "Zahlenakrobatik", mit der die Chefredaktion Massenentlassungen rechtfertigt, und kommt zu dem bitteren Fazit:

"Doch was Verlust bedeutet, werden andere zu spüren bekommen."

Geld spielt auch in Ursula Meiers wunderbarem Film "Winterdieb" eine Hauptrolle. Im TAZ-Interview schwärmt die Regisseurin von ihrem hinreißenden jugendlichen Hauptdarsteller.

"Wir besprechen", erzählt sie von den Dreharbeiten, "was sein Körper macht, wie er gestikuliert, wie er mit Geld umgeht. Geld ist ja so wichtig in diesem Film: Wie er es anschaut, wie er es anfasst, wie er es zählt."

Vollends gelangt die Fusion von Kunst und Geld im Feuilleton der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG - wo auch sonst - zur Blüte. Auf ein und derselben Seite finden wir Besprechungen von einem Buch des Historikers Peter Brown (schon wieder ein Amerikaner) über den christlichen Umgang mit Reichtum in der Spätantike, Motto: "Durch das Nadelöhr in den Himmel", und von einer Frankfurter Ausstellung mit dem Titel "Goethe und das Geld". Die Überschrift bestätigt, was wir immer schon vermutet haben:

"Dieser Dichter wusste zu wirtschaften."

Der Katalog kostet 25 Euro.