Von Gregor Sander

Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit dem ersten Alzheimer-Album der Popgeschichte, mit der Kulturpolitik des Berliner Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit und mit der neuen Late Night Show von Harald Schmidt.
Wann ist es mit der Kunst zu Ende? Wenn es mit dem Künstler zu Ende geht? Nicht unbedingt meint Thomas Gross in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Rock die Demenz, nennt er seine Geschichte. "Glen Campbell war ein gefeierter Countrystar. Jetzt überrascht er mit dem ersten Alzheimer-Album der Popgeschichte."

Die großen Hits Campbells, wie Galveston oder der Rhinestone-Cowboy, sind heute noch zu hören. Außerdem war er einer der meistgebuchten und auch bestbezahlten Studiomusiker in den USA. Der 75-Jährige spielte mit Elvis, Frank Sinatra und den Beach Boys. Doch das alles war einmal, wie Thomas Gross beschreibt: "Campbells Gedächtnis ist wie ein Schweizer Käse, oft weiß er im nächsten Moment nicht mehr, was er gerade gesagt hat, und dann vergisst er, was er vergessen hat. ‚Ich hoffe, ich bin auch einen Teil des Mülls da oben losgeworden’, scherzt er an einem verregneten Nachmittag in einem Londoner Hotel, um gleich darauf in die nächste Gedächtnislücke zu stolpern."
Campbell hat den Beginn seiner Krankheit registriert. Dass er sich trotzdem noch an ein neues Werk machte, hat einen Grund: Wäre das musikalische Gedächtnis nicht weitestgehend intakt, sagt Kim, Campells Ehefrau, man hätte das Wagnis einer neuen Platte nie unternommen.

Und dieses Wagnis hat sich gelohnt, daran lässt Gross in der ZEIT keinen Zweifel: "Das Werk, unter Beteiligung von Gastmusikern wie Paul Westerberg oder Dylans Sohn Jakob im opulenten Sixties-Sensurround-Sound eingespielt, ist vieles zugleich: Vermächtnis, praktizierte Musiktherapie, Loblied auf die Lieben daheim, last but not least auch ein Versuch, Frieden zu machen mit einem Schicksal, das viele betrifft."

Wann ist es mit der Kunst vorbei? Wenn der Regierende Bürgermeister auch gleichzeitig der Kultursenator ist, so wie Klaus Wowereit in Berlin? Am kommenden Sonntag wird in der Hauptstadt gewählt, und Jens Bisky schreibt dem Kultursenator Wowereit in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ein "mangelhaft" ins Zeugnis.

"Besondere kulturpolitische Leidenschaft hat Klaus Wowereit in der Tat nur anfallsweise gezeigt. Sein Lieblingsprojekt - die Berliner Kunsthalle - ist gescheitert, auch aus finanziellen Gründen, vor allem aber aufgrund konzeptioneller Schwäche."

Wowereits Kulturstaatssekretär, der laut Bisky die eigentliche Arbeit gemacht hat, erhält bessere Noten: "Ansonsten hat André Schmitz überraschend viele seiner politischen Ziele erreicht: Von Schließungen ist in Berlin nicht mehr die Rede, es wurde endlich in die Sanierung von Kultureinrichtungen investiert, die konsumtiven Ausgaben sind leicht gewachsen. Die geplante Zerstörung des Zuschauersaals der Lindenoper konnte abgewendet und ein Kompromiss gefunden werden, obwohl das Akustik- wie Denkmalschutz-Puristen vorher für unmöglich erklärt hatten."

Biskys Fazit in der SZ hingegen klingt bedrohlich und es betrifft nicht nur Klaus Wowereit: "Wie kulturpolitisch auf die Kluft zwischen der armen Stadt und Inseln des Reichtums reagiert werden kann, wird die Frage der kommenden Legislaturperiode. Weder Parteien noch Kultureinrichtungen und Künstler scheinen darauf gut vorbereitet zu sein."

Nächste Woche startet Harald Schmidts neue Late Night Show. Zur Abwechslung mal wieder bei SAT1. Viel Neues ist allerdings gar nicht zu erwarten, wie Schmidt der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG verraten hat, in der Oliver Jungen fragt: Die neue Show ist – die alte Show? Schmidt antwortet: Absolut. Gleiches Studio, gleiches Team.

Trotzdem hat Schmidt auch noch der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ein Interview gegeben und das fast eine Woche bevor es überhaupt losgeht. "Sind Sie noch Medienjunkie, lesen alles und jeden?" fragt hier Christopher Keil und Schmidt antwortet: "Stark reduziert, ich bin zehn Jahre weiter, das heißt: Ich sehe den Autor, ich sehe die Überschrift, dann weiß ich, was kommt und spare mir den Artikel."

Nach der Lektüre von zwei Harald Schmidt Interviews kann ich mich dieser Aussage nur anschließen!