Von Gregor Sander

Begeistert zeigen sich die Feuilletons der Tageszeitungen von der Ausstellung "Gesichter der Renaissance" im Berliner Bode-Museum. Die Wochenzeitung "Die Zeit" widmet sich in einem Schwerpunkt dem Thema Müßiggang.
Irgendwie muss es der Feuilletonredaktion der Wochenzeitung DIE ZEIT gereicht haben. Vielleicht lag es am schlechten Sommerwetter. Und so ist der zweiseitige Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe wie folgt überschrieben:

"Genug gerannt, gekauft, geschlungen! Der Fachmann für Müßiggang, Tom Hodgkinson, ruft zum Ausstieg aus dem rasenden Kapitalismus auf."

Und wem Tom Hodgkinson kein Begriff ist, dem sei gesagt, dass er der Autor eines Bestsellers mit dem Titel "Anleitung zum Müßiggang" ist. ZEIT-Autorin Susanne Gaschke hat ihn besucht. Natürlich in seinem herrlich verlottertem Haus unweit von London:

"Unsere Gesellschaft", sagt Hodgkinson – da hat er mir gerade ein Bier eingeschenkt, eine Pizza in den Holzofen geschoben, vier Labradorwelpen aus der unglaublich schmutzigen Küche geworfen und ein etwas mickriges Hühnerküken im Brutkasten aufmunternd angestupst –, "unsere Gesellschaft leidet an Gier, Konkurrenz, einsamem Streben, Grauheit, Schulden, McDonald’s und GlaxoSmithKline", "

einem britischen Pharmaunternehmen. Also einfach mal raus aus allem, rät Hodgkinson, einfach kündigen und Teilzeit arbeiten. Und aufhören mit dem Fernsehen. Gaschke fallen immerhin noch ein paar Fragen ein:

" "Ist es nicht, erstens, total naiv? Kann die Wirtschaft so funktionieren? Na bitte. Und ist es nicht, zweitens, auch zynisch – angesichts von Arbeitslosigkeit, sozialen Spannungen, der mangelnden Bildung vieler Jugendlicher, der Angst der Mittelschicht vor dem wirtschaftlichen Abstieg?"

Darauf, das sei hier verraten, hat der Müßigkeitsguru leider keine befriedigenden Antworten, und das "mickrige Hühnerküken im Brutkasten", von Hodgkinson noch "aufmunternd angestupst" hat diese Reportage leider auch nicht überlebt.

Unisono begeistert zeigt sich das Feuilleton von der Ausstellung "Gesichter der Renaissance" im Berliner Bode-Museum.

"Selten nur rückt einem die Kunst so nahe wie hier, in der großen Ausstellung des Bode-Museums in Berlin, die in dieser Woche eröffnet wird. Aus den nachtschwarzen Räumen leuchten die Gesichter der Renaissance, die all jene enttäuschen werden, die auf Sensationen und Spektakel hoffen. Zu sehen gibt es nichts als Köpfe, oft klein im Format, oft bescheiden in Komposition und Symbolik,"

schreibt Hanno Rauterberg in der ZEIT. Sebastian Preuss fügt in der FRANKFURTER RUNDSCHAU hinzu:

"Das ist das Faszinierende der Porträtkunst, die diese Ausstellung im Berliner Bode-Museum versammelt: Wir sehen Artefakte, die in ihrer Programmatik oft intellektuell verschlüsselt sind, aber zugleich stoßen wir auf Menschen, die es vor bald sechshundert Jahren tatsächlich gab und deren Wesen die Künstler für alle Zeiten eingefangen haben."

Kia Vahland hat in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zumindest einen Makel ausgemacht:

"Einzig der Venedigsaal fällt ein wenig ab. Giovanni Bellini hatte einst durchgesetzt, dass alle Patrizier der Stadt sich porträtieren lassen müssen. Von ihm aber ist wenig zu sehen, stattdessen darf ein unbenannter französischer Reisender sein karikaturhaftes Gemälde eines Venezianers zeigen, und die Damenbildnisse, nicht immer in bester Qualität, sind überrepräsentiert."

In der Tageszeitung DIE WELT versucht Eckehard Fuhr die Rolle des gerade verstorbenen Loriots im Zweiten Weltkrieg zu beleuchten. Oberleutnant sei Vicco von Bülow immerhin gewesen und so mutmaßt Fuhr weiter:

"Wir müssen also annehmen, dass Loriot im Kaukasus und an den sich anschließenden Kriegsschauplätzen seiner Division hauptsächlich mit dem Handwerk des Tötens beschäftigt war. Mehr oder weniger eigenhändig. Daraus ist ihm kein Vorwurf zu machen. Er gab sich dazu zeitlebens eher wortkarg. Doch wenn er als Oberleutnant mit der Erfassung von Flora und Fauna eroberter Gebiete befasst gewesen wäre, hätte er das wohl erzählt, weil es seine Pflicht gewesen wäre, die darin verborgenen Pointen zu heben."

Ein etwas bizarrer Nachruf ist das geworden, was Fuhr da in der WELT über Loriot mutmaßt. Aber vielleicht lag das ja auch an diesem merkwürdigen Sommerwetter.