Von Gregor Sander

Der Feuilleton-Chef der FAZ hat ein Buch über die „deutsche Angst vor dem Islam“ verfasst und spricht darüber mit den Kollegen der SZ. Die hät auch noch einen Buchtipp zur ägyptischen Revolution bereit: „Im Taxi“ von Khalid Al-Khamissi.
„Sarrazin liefert abgepackt, durchgezählt und medizinisch auf Erbkrankheiten durchgecheckt den konstitutionellen Versager als Sozialfigur frei Haus. Der Muslim sitzt zusammen mit einem grotesk verfetteten Unterschichtsangehörigen auf dem widerlichen Plastiksofa und guckt schreckliches Fernsehen.“

Das sagt Patrick Bahners im Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT. Gemeint sind damit natürlich nicht die freiheitsliebenden Ägypter in Ägypten, sondern die Muslime in Deutschland.

Bahners, Feuilletonchef der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, versucht mit einem Buch dieses Bild zu korrigieren. „Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam“, lautet der Titel. Thomas Assheuer und Ijoma Mangold haben den Autor zum Interview gebeten.

„Nichts ruft so starke Affekte hervor wie die Frage nach dem Islam. Warum?“

so die erste Frage in der ZEIT und Bahners antwortet:

„Das ist für mich ein Rätsel. Ich bin überrascht darüber, dass alte nationalistische Stereotype zurückgekommen sind und von Politikern aufgenommen werden.“

Nun erwartet man die Verteidigung der Muslime nicht unbedingt vom Feuilletonchef der konservativen FAZ, stellen Mangold und Assheuer fest. Bahners kontert:

„Ich sehe mich nicht als Apologeten sämtlicher Formen des islamischen Lebens in Deutschland. Mir geht es um eine Kritik der Öffentlichkeit, wie diese über den Islam und seine Lebensformen spricht.“
Auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG empfiehlt ein Buch um die muslimische Welt zu verstehen. Dieses Mal aber wirklich die in Ägypten.

„Wer die Gründe für die Revolution in Ägypten kennenlernen will, der lese diesen Roman: Khalid Al-Khamissis böses, kluges Buch ‚Im Taxi‘“,

lautet die Aufforderung von SZ-Autor Stefan Weidner. Schon vor den Demonstrationen habe dieses Buch in Ägypten Bestsellerstatus erreicht denn:

„Die Geschichten funktionieren nach einem einfachen Muster. Der Erzähler hält eines der achtzigtausend Kairoer Taxis an und kommt mit einem der 250.000 Kairoer Taxifahrer ins Gespräch. Nach einem kurzen Beschnuppern, einer Beschreibung der oft kuriosen Typen und noch kurioseren Taxis kommt es schnörkellos zur Hauptsache: Wut, Trauer und Witz angesichts der eigenen Situation oder der des Landes sind die Themen dieser Taxigespräche.“

Die sind nun auf Deutsch erschienen und Weidner legt sie dem Leser ans Herz. Nicht nur, um etwas über das Leben in Ägypten zu lernen, sondern auch um zu erfahren, was die Ägypter über den Westen denken.

„Wir könnten zum Beispiel fordern, die Wahlen in Amerika zu beobachten, weil wir nicht glauben, dass sie einwandfrei ablaufen,“

so ein Zitat aus „Im Taxi“. Was die ägyptischen Taxifahrer über die italienische Demokratie denken, erfahren wir nicht. Dafür klärt uns Dirk Schümer in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG auf, dass in Berlusconis Italien trotz heftiger Demonstrationen gegen den Ministerpräsidenten vor allem die Opposition schwächelt.

„Aber welche Opposition? Diese Frage hört man überall, denn politisch ist der lebenslustige Cavaliere mit Hang zu sehr jungen Damen aus sehr zweifelhaftem Milieu letztlich unbestritten. Was einmal eine linke Alternative zur Regierungskoalition gewesen war oder hätte werden sollen, ist heillos zerstritten, unfähig zur Übernahme von Verantwortung.“
Wer sich da auf italienischen Straßen gegen Berlusconi zusammenfindet ist schon erstaunlich:

„Eine moralische Koalition von Katholiken und linken Laizisten gegen den Libertinismus wirkt da umso surrealer, als es die italienischen Bürgerrechtler waren, die vor allem in den wilden siebziger Jahren die Legalisierung von Verhütung, Pornographie, Abtreibung und Homosexualität vorantrieben.“

Und so kommt Dirk Schümer in der FAZ zu folgendem Schluss:

„Die ‚befreite‘ Sexualität, das ist eine von vielen Lektionen Berlusconis, ist eben nicht automatisch auch eine selbstbestimmte und nichtkommerzielle.“

Wir möchten hinzufügen: Mit der Demokratie verhält es sich genauso.