Von Gregor Sander
Prominente als Kritiker unterwegs: Architekt Peter Eisenman hat sich für die "Zeit" den "Parsifal" in Bayreuth angesehen, während Thomas Gottschalk in der "FAZ" die Passionsspiele in Oberammergau analysiert.
Prominente als Kritiker unterwegs: Architekt Peter Eisenman hat sich für die "Zeit" den "Parsifal" in Bayreuth angesehen, während Thomas Gottschalk in der "FAZ" die Passionsspiele in Oberammergau analysiert.
Die Wochenzeitung DIE ZEIT schickt jedes Jahr einen prominenten Künstler auf den grünen Hügel, um die Bayreuther Festspiele einmal aus anderer Perspektive kritisieren zu lassen. Nach Patti Smith, Michel Houellebecq, Slavoj Žižek und Rufus Wainwright erledigt das in diesem Jahr Peter Eisenman. Allerdings mit gemischten Gefühlen:
"Die einmalige Chance, in Bayreuth den 'Ring' zu erleben, weckte erwartungsvolle Vorfreude, doch mit 'Parsifal' hatte ich meine Probleme. Wenn diese Oper so antisemitisch daherkäme wie in zahlreichen älteren Inszenierungen, was würde ich als Architekt des Berliner Holocaust-Mahnmals dann sagen?"
Die Ring-Inszenierung gefällt Eisenman. Der Parsifal von Stefan Herheim, in dem die Gralsritter eine Naziparteiversammlung auf der Bühne abhalten und sich der Gralstempel schließlich in den Bundestag verwandelt, begeistert den New Yorker Architekt:
"Gesehen habe ich etwas, das in keinem sakral-religiösen Kontext mehr stand, es war etwas ganz anderes, etwas Säkulares und Inspirierendes. Der Abend war vom ersten Takt an faszinierend, aber besonders die Schlussszenen des zweiten und dritten Akts waren darstellerisch großartig und von brillanter Symbolik – und in dieser Form wohl nur in Deutschland möglich."
Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schickte einen Fremdkritiker los. Es handelt sich um Thomas Gottschalk, der die Passionsspiele in Oberammergau zum ersten Mal erleben durfte:
"Nach dem leichten Champagner-Kater, ohne den man Bayreuth und Salzburg nicht übersteht, schaltete ich also auf demütigen Pilgermodus, reservierte für die dreistündige Pause das Ettaler Klosterstüberl, aber verkniff mir die Frechheit, den 'Kinderteller Herodes' vorzubestellen. Obwohl selbst die Heiden von Spiegel Online in ihrer Rezension vor der aktuellen Inszenierung artig niedergekniet waren, richtete ich mich doch eher auf biederes Volkstheater mit entsprechend touristischer Vermarktung ein."
Aber Deutschlands beliebtester Fernsehmoderator wird natürlich von der dargestellten christlichen Leidensgeschichte bekehrt, um schließlich doch wieder nur bei sich selbst zu landen:
"Ich werde vom bekehrten Thomas schlagartig wieder zum begehrten Thommy. Textbücher werden mir zum Unterschreiben hingehalten. 'Für Kevin, bitte!' Es ist mir etwas peinlich, mein 'Be cool, Kevin' neben den Corpus des gekreuzigten Heilands zu setzen, der das Programmheft ziert, aber dem Kevin wird das egal sein."
Alle Zeitungen vermelden die neue Longlist 2010 für den Deutschen Buchpreis mit ein paar Zeilen, wohl wissend, dass es wichtigeres gibt - nämlich den Preisträger in paar Wochen. Die TAZ kommentiert diesen Umstand so:
"Wenn im Oktober, zum Start der Frankfurter Buchmesse, der Gewinner des Preises bekannt gegeben wird, wird das garantiert wieder ein Bestseller werden; alle anderen Kandidaten werden allerdings weitgehend leer ausgehen. Letzteres mag man bedauern, spiegelt aber nur die Bedürfnisse des Literaturmarktes wider: Mehr als ein, zwei deutschsprachige Romane wollen oder können die meisten Leser eben nicht lesen."
Peter Wawerzinek, der mit seinem Roman "Rabenliebe" auf der Longlist gelandet ist, gehört sicher zu den Favoriten. Hat er mit diesem autobiografischen Text doch schon den diesjährigen Bachmannpreis gewonnen. Seine Mutter verließ ihn als kleines Kind, um in den Westen abzuhauen, und Wawerzineks Versuch sich diesem Trauma schreibend zu nähern, beschreibt Ulrich Greiner in der ZEIT so:
"Wir hören das Oratorium einer Muttersuche, das Lied von der Einsamkeit, vom Barmen um Zuwendung. Keine ordentliche Chronologie lesen wir, sondern tauchen ein in die Erinnerungsströme, in die Vergangenheitsbilder einer von Grund auf verstörten Seele."
Es wäre zu wünschen, dass so ein Buch den Bedürfnissen des Literaturmarktes entspricht und seine Leser findet. Das wäre sicher auch im Interesse von Ludvik Kunderea. Der tschechische Dichter und Übersetzer, ein Cousin Milan Kunderas, hat deutsche Autoren wie Peter Huchel, Günter Kunert oder Franz Führmann ins tschechische übersetzt. 2002 erhielt er dafür den Preis der Leipziger Buchmesse. Ludvik Kundera ist, wie der Berliner TAGESSPIEGEL meldet, nun 90-jährig gestorben.
Die Wochenzeitung DIE ZEIT schickt jedes Jahr einen prominenten Künstler auf den grünen Hügel, um die Bayreuther Festspiele einmal aus anderer Perspektive kritisieren zu lassen. Nach Patti Smith, Michel Houellebecq, Slavoj Žižek und Rufus Wainwright erledigt das in diesem Jahr Peter Eisenman. Allerdings mit gemischten Gefühlen:
"Die einmalige Chance, in Bayreuth den 'Ring' zu erleben, weckte erwartungsvolle Vorfreude, doch mit 'Parsifal' hatte ich meine Probleme. Wenn diese Oper so antisemitisch daherkäme wie in zahlreichen älteren Inszenierungen, was würde ich als Architekt des Berliner Holocaust-Mahnmals dann sagen?"
Die Ring-Inszenierung gefällt Eisenman. Der Parsifal von Stefan Herheim, in dem die Gralsritter eine Naziparteiversammlung auf der Bühne abhalten und sich der Gralstempel schließlich in den Bundestag verwandelt, begeistert den New Yorker Architekt:
"Gesehen habe ich etwas, das in keinem sakral-religiösen Kontext mehr stand, es war etwas ganz anderes, etwas Säkulares und Inspirierendes. Der Abend war vom ersten Takt an faszinierend, aber besonders die Schlussszenen des zweiten und dritten Akts waren darstellerisch großartig und von brillanter Symbolik – und in dieser Form wohl nur in Deutschland möglich."
Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schickte einen Fremdkritiker los. Es handelt sich um Thomas Gottschalk, der die Passionsspiele in Oberammergau zum ersten Mal erleben durfte:
"Nach dem leichten Champagner-Kater, ohne den man Bayreuth und Salzburg nicht übersteht, schaltete ich also auf demütigen Pilgermodus, reservierte für die dreistündige Pause das Ettaler Klosterstüberl, aber verkniff mir die Frechheit, den 'Kinderteller Herodes' vorzubestellen. Obwohl selbst die Heiden von Spiegel Online in ihrer Rezension vor der aktuellen Inszenierung artig niedergekniet waren, richtete ich mich doch eher auf biederes Volkstheater mit entsprechend touristischer Vermarktung ein."
Aber Deutschlands beliebtester Fernsehmoderator wird natürlich von der dargestellten christlichen Leidensgeschichte bekehrt, um schließlich doch wieder nur bei sich selbst zu landen:
"Ich werde vom bekehrten Thomas schlagartig wieder zum begehrten Thommy. Textbücher werden mir zum Unterschreiben hingehalten. 'Für Kevin, bitte!' Es ist mir etwas peinlich, mein 'Be cool, Kevin' neben den Corpus des gekreuzigten Heilands zu setzen, der das Programmheft ziert, aber dem Kevin wird das egal sein."
Alle Zeitungen vermelden die neue Longlist 2010 für den Deutschen Buchpreis mit ein paar Zeilen, wohl wissend, dass es wichtigeres gibt - nämlich den Preisträger in paar Wochen. Die TAZ kommentiert diesen Umstand so:
"Wenn im Oktober, zum Start der Frankfurter Buchmesse, der Gewinner des Preises bekannt gegeben wird, wird das garantiert wieder ein Bestseller werden; alle anderen Kandidaten werden allerdings weitgehend leer ausgehen. Letzteres mag man bedauern, spiegelt aber nur die Bedürfnisse des Literaturmarktes wider: Mehr als ein, zwei deutschsprachige Romane wollen oder können die meisten Leser eben nicht lesen."
Peter Wawerzinek, der mit seinem Roman "Rabenliebe" auf der Longlist gelandet ist, gehört sicher zu den Favoriten. Hat er mit diesem autobiografischen Text doch schon den diesjährigen Bachmannpreis gewonnen. Seine Mutter verließ ihn als kleines Kind, um in den Westen abzuhauen, und Wawerzineks Versuch sich diesem Trauma schreibend zu nähern, beschreibt Ulrich Greiner in der ZEIT so:
"Wir hören das Oratorium einer Muttersuche, das Lied von der Einsamkeit, vom Barmen um Zuwendung. Keine ordentliche Chronologie lesen wir, sondern tauchen ein in die Erinnerungsströme, in die Vergangenheitsbilder einer von Grund auf verstörten Seele."
Es wäre zu wünschen, dass so ein Buch den Bedürfnissen des Literaturmarktes entspricht und seine Leser findet. Das wäre sicher auch im Interesse von Ludvik Kunderea. Der tschechische Dichter und Übersetzer, ein Cousin Milan Kunderas, hat deutsche Autoren wie Peter Huchel, Günter Kunert oder Franz Führmann ins tschechische übersetzt. 2002 erhielt er dafür den Preis der Leipziger Buchmesse. Ludvik Kundera ist, wie der Berliner TAGESSPIEGEL meldet, nun 90-jährig gestorben.