Von Gregor Sander
Uwe Tellkamp nähert sich dem Maler Neo Rauch in einem Essay in der "Zeit". Mehrere Feuilletons besprechen das jüngst veröffentlichte, dritte Tagebuch von Max Frisch. Die "taz" rezensiert die Autobiographie von "Black Sabath"-Sänger Ozzy Osbourne.
Wenn Uwe Tellkamp die Bilderwelt des Neo Rauch erklärt, dann wird das keine leichte Sache. "Hermeswerft. Uhrenvergleich mit Neo Rauch" heißt der literarische Essay, mit dem sich Tellkamp dem Œuvre Rauchs nähert. Die Wochenzeitung "DIE ZEIT" hat diesen Katalogtext in Teilen abgedruckt.
"Dass einer, der Neo heißt, 1960 in der DDR sogenannt wurde, noch dazu im gerne ruppigen Leipziger Revier (ich nehme an, er wird gelitten haben in der Schule), muss außergewöhnlich wie der Tunguska-Meteorit gewesen sein,"
denkt sich Uwe Tellkamp in der "ZEIT". Der genannte Meteorit schlug übrigens im Jahre 1908 in Sibirien ein, was Tellkamp verschweigt.
An Größe und Bedeutung des Werkes Neo Rauchs hat er keinen Zweifel und drückt das auch genauso aus.
"Den Maler, der solche Visionen aus der abgründigsten aller Pinakotheken, dem Zentralnervensystem, vor fremde Augen stellt, scheint eine Frage umzutreiben: ob der schopenhauerischen Überlegung, inwieweit die Schwalbe dieses Sommers auch schon die vor hundert Jahren war, als einzelnes Tier also nichts zähle, bloßer Teil seiner Art, seines Schwarms sei wie eine Zelle Baustein und Element einer sie einbegreifenden höheren Ordnung – die Frage, ob dieser toxischen Verneinung des Individuellen ein noch toxischeres Anhängsel nachzuliefern sei: dass die einzelne Schwalbe den Schmerz und die Todesangst, wenn sie unentrinnbar in den Krallen des Falken hängt, nicht doch ganz privat empfinde?"
Mit solchen Sätzen behält Uwe Tellkamp den Gesamtüberblick und rätselt in den rätselhaften Bildern Neo Rauchs herum.
Max Frisch hätte das alles vermutlich etwas schlichter ausgedrückt und so einen Text dann vielleicht auch in sein Tagebuch aufgenommen. Ob das Tagebuch dann posthum auch veröffentlicht werden soll, da scheiden sich die Geister, wie wir bei Iris Radisch ebenfalls in der "ZEIT" nachlesen können.
"War es richtig, dass der Suhrkamp Verlag ein Manuskript zur Publikation befördert, das der Autor selbst vernichtet hat und das sich womöglich nur durch Zufall noch in einer unautorisierten Kopie in der Wohnung der langjährigen Sekretärin des Schweizer Großautors befand?"
Radisch beantwortet diese Frage eindeutig mit: Ja. Und Hans-Peter Kunisch schließt sich ihr im Berliner "TAGESSPIEGEL" an. Interessanter aber erscheint hier die unterschiedliche Lesart des Textes. Iris Radisch in der "ZEIT":
"Junge Frau angeschafft, Loft in Manhattan gekauft. Was man so macht, wenn das Leben sich neigt. Aber es funktioniert nicht. Im Loft summen die Fliegen, das Leben dreht seine endlosen Wiederholungsschlaufen, beim Sex ist der Apotheker im Spiel, in der Wohnung darüber hört man ständig den Köter, von unten dröhnt laute Musik, im Fernsehen gibt Ronald Reagan den Landesvater."
Bei Hans Peter Kunisch im "TAGESSPIEGEL" liest sich das hingegen so:
"Keine Rede davon, dass hier ein alter Mann nur noch private Trauer schiebt. Es gibt die erzählerisch wunderbar ausformulierten Sehnsuchtsträume vom 'Lebensabendhaus' mit 13 Zimmern, eine explizite Glücksliste zum Leben mit Alice (der Lynn aus 'Montauk'), es gibt die Freude des langsam Schwächeren, wenn er merkt, dass er noch immer segeln kann."
Auf so eine kontroverse Diskussion kann das Werk "Ozzy. Die Autobiografie" wohl nicht hoffen. Aber immerhin wird die Biografie des "Black Sabath"-Sängers Ozzy Osbourne von Frank Schäfer in der "TAZ" besprochen. Vor der Karriere arbeitete Osbourne im Schlachthof, und da er kein Instrument spielen konnte, gründete er mit ein paar Freunden eine Band und begann einfach zu singen.
"Sie jammen zusammen, und es klappt irgendwie, auch weil man sich ziemlich einig ist, welche Musik man nicht spielen will. 'Der süßlich Hippie-Scheiß, der die ganze Zeit im Radio lief, ging mir auf die Nerven, und zwar gewaltig.'"
Stattdessen gab es stampfenden Bluesrock, Fledermäuse und jede Mengen Drogen und Alkohol. Und daher betont Frank Schäfer in der "TAZ":
"Es wird ein Knochenjob gewesen sein für den Koautor Chris Ayres, aus den fahrigen Tonbandprotokollen diese halbwegs stringente, anekdotenreiche, durchaus witzige Autobiografie
zu formen."
"Dass einer, der Neo heißt, 1960 in der DDR sogenannt wurde, noch dazu im gerne ruppigen Leipziger Revier (ich nehme an, er wird gelitten haben in der Schule), muss außergewöhnlich wie der Tunguska-Meteorit gewesen sein,"
denkt sich Uwe Tellkamp in der "ZEIT". Der genannte Meteorit schlug übrigens im Jahre 1908 in Sibirien ein, was Tellkamp verschweigt.
An Größe und Bedeutung des Werkes Neo Rauchs hat er keinen Zweifel und drückt das auch genauso aus.
"Den Maler, der solche Visionen aus der abgründigsten aller Pinakotheken, dem Zentralnervensystem, vor fremde Augen stellt, scheint eine Frage umzutreiben: ob der schopenhauerischen Überlegung, inwieweit die Schwalbe dieses Sommers auch schon die vor hundert Jahren war, als einzelnes Tier also nichts zähle, bloßer Teil seiner Art, seines Schwarms sei wie eine Zelle Baustein und Element einer sie einbegreifenden höheren Ordnung – die Frage, ob dieser toxischen Verneinung des Individuellen ein noch toxischeres Anhängsel nachzuliefern sei: dass die einzelne Schwalbe den Schmerz und die Todesangst, wenn sie unentrinnbar in den Krallen des Falken hängt, nicht doch ganz privat empfinde?"
Mit solchen Sätzen behält Uwe Tellkamp den Gesamtüberblick und rätselt in den rätselhaften Bildern Neo Rauchs herum.
Max Frisch hätte das alles vermutlich etwas schlichter ausgedrückt und so einen Text dann vielleicht auch in sein Tagebuch aufgenommen. Ob das Tagebuch dann posthum auch veröffentlicht werden soll, da scheiden sich die Geister, wie wir bei Iris Radisch ebenfalls in der "ZEIT" nachlesen können.
"War es richtig, dass der Suhrkamp Verlag ein Manuskript zur Publikation befördert, das der Autor selbst vernichtet hat und das sich womöglich nur durch Zufall noch in einer unautorisierten Kopie in der Wohnung der langjährigen Sekretärin des Schweizer Großautors befand?"
Radisch beantwortet diese Frage eindeutig mit: Ja. Und Hans-Peter Kunisch schließt sich ihr im Berliner "TAGESSPIEGEL" an. Interessanter aber erscheint hier die unterschiedliche Lesart des Textes. Iris Radisch in der "ZEIT":
"Junge Frau angeschafft, Loft in Manhattan gekauft. Was man so macht, wenn das Leben sich neigt. Aber es funktioniert nicht. Im Loft summen die Fliegen, das Leben dreht seine endlosen Wiederholungsschlaufen, beim Sex ist der Apotheker im Spiel, in der Wohnung darüber hört man ständig den Köter, von unten dröhnt laute Musik, im Fernsehen gibt Ronald Reagan den Landesvater."
Bei Hans Peter Kunisch im "TAGESSPIEGEL" liest sich das hingegen so:
"Keine Rede davon, dass hier ein alter Mann nur noch private Trauer schiebt. Es gibt die erzählerisch wunderbar ausformulierten Sehnsuchtsträume vom 'Lebensabendhaus' mit 13 Zimmern, eine explizite Glücksliste zum Leben mit Alice (der Lynn aus 'Montauk'), es gibt die Freude des langsam Schwächeren, wenn er merkt, dass er noch immer segeln kann."
Auf so eine kontroverse Diskussion kann das Werk "Ozzy. Die Autobiografie" wohl nicht hoffen. Aber immerhin wird die Biografie des "Black Sabath"-Sängers Ozzy Osbourne von Frank Schäfer in der "TAZ" besprochen. Vor der Karriere arbeitete Osbourne im Schlachthof, und da er kein Instrument spielen konnte, gründete er mit ein paar Freunden eine Band und begann einfach zu singen.
"Sie jammen zusammen, und es klappt irgendwie, auch weil man sich ziemlich einig ist, welche Musik man nicht spielen will. 'Der süßlich Hippie-Scheiß, der die ganze Zeit im Radio lief, ging mir auf die Nerven, und zwar gewaltig.'"
Stattdessen gab es stampfenden Bluesrock, Fledermäuse und jede Mengen Drogen und Alkohol. Und daher betont Frank Schäfer in der "TAZ":
"Es wird ein Knochenjob gewesen sein für den Koautor Chris Ayres, aus den fahrigen Tonbandprotokollen diese halbwegs stringente, anekdotenreiche, durchaus witzige Autobiografie
zu formen."