Von Gregor Sander

Florian Illies vermisst in der „Zeit“ bei der jungen Künstlergenertion den Mut zur Rebellion. Ebenfalls in der „Zeit“ wird eine alte Künstlerin sehr spät entdeckt: die 94-jährige Carmen Herrera. Ähnlich alt ist die Übersetzerin Swetlana Geier, die in einem Film porträtiert wird, den die „taz“ vorstellt.
Florian Illies sorgt sich um die Jugend. „Die jungen Künstler, Literaten und Schauspieler bewundern zu viel und bekämpfen zu wenig“, stellt er in der Wochenzeitung DIE ZEIT fest. Als Beweis führt er unter anderem eine Werbung der Modemarke „Louis Vuitton“ an, „deren Kampagnenmotive“, so Illies, „sehr oft mit feiner Sensorik die unterschwelligen gesellschaftlichen Verschiebungen erspüren“.

Das war uns bisher noch nicht aufgefallen. Die aktuelle Anzeige, so lesen wir erstaunt weiter, „zeigt die junge Regisseurin Sofia Coppola (Lost in Translation), die voll inniger Bewunderung zu ihrem Vater, dem Regisseur Francis Ford Coppola, aufblickt (Der Pate). Mit der Sonne scheint hier auch gleich der Generationenkonflikt in einem warmen, diffusen Konsenslicht unterzugehen. So wenig Zorn war nie.“

Und so ruft der Leiter des ZEIT-Feuilleton zum Vatermord auf.

„Wenn die Protegés nie hätten besser werden wollen als ihre Mentoren, dann würden wir immer noch Höhlenwände mit rennenden Mammuts bemalen.“

Nur Melancholie und Ironie findet Illies bei den jungen Künstlern und beklagt:

„Soll es wirklich einzig bei Daniel Kehlmanns Attacke gegen die eintönigen Spaghetti-Werfereien des Regietheaters und Neo Rauchs schöner Kampfansage ‚Abstrakt malen kann jeder‘ bleiben, soll der angry young man zu einer nostalgischen Figur des vergangenen Jahrhunderts werden?“

Illies, 1971 geboren und damit immer noch recht jung, ist bisher mit Büchern wie „Generation Golf“, „Anleitung zum Unschuldigsein“, „Generation Golf zwei“ und „Ortsgespräch“ hervorgetreten. Kein Vatermord, nirgends. Und so hoffen wir, er erinnert sich an seine Worte und packt beim nächsten eigenen Buch das Messer aus.

Dass auch früher nicht alles nur Rebellion war, erzählt uns Tobias Timm ebenfalls in der ZEIT. „Von der uralten Schule“, so ist sein Porträt der Malerin Carmen Herrera überschrieben. Sie ist 94 Jahre alt und wird, laut Timm, gerade berühmt:

„Die New York Times widmete ihr einen Artikel auf der ersten Seite. ‚The Hot New Thing in Painting‘ stand in der Titelzeile. Und der britische Observer kürte Herrera anlässlich einer Retrospektive in Birmingham gleich zur Entdeckung des Jahrzehnts.“

Unbeirrbar habe Herrera weiter an ihren minimalen, geometrischen Farbfeldern gearbeitet. Und was sagt die Künstlerin, die plötzlich mehr Geld verdient, als sie in ihrem langen Leben je besessen hat?

„Es wäre nett gewesen, wenn der Kunstmarkt sie früher entdeckt hätte, sagte Herrera der New York Times, ‚aber vielleicht auch korrumpierend‘.“
Aus einem ähnlichen Holz ist auch Swetlana Geier geschnitzt. Die 1923 in Kiew geborene Übersetzerin erreichte immerhin, dass sich die Deutschen an „Verbrechen und Strafe“ gewöhnen müssen. So lautet ihre Neuübersetzung von Dostojewskis Klassiker, der hierzulande, als „Schuld und Sühne“ eingeführt war. Vadim Jendreykos Film „Die Frau mit den fünf Elefanten“ porträtiert Swetlana Geier, und Ekkehard Knörer beschreibt in der TAZ die Arbeitsweise der alten Dame so:

„Geier übersetzt mündlich. Sie diktiert ihren Text einer Sekretärin, die ihn abtippt und dabei auch nachfragt und korrigiert. Das Abgetippte nimmt sich dann ein Freund der Übersetzerin vor, dem sie so etwas wie das absolute Gehör für Fragen des Stils und der Grammatik bescheinigt. Er ringt mit ihr beinahe um jedes einzelne Wort.“

Knörer hätte dem Film etwas mehr von der Trockenheit einer Swetlana Geier gewünscht, hält ihn aber trotzdem für unbedingt sehenswert.

Wir wollen an dieser Stelle noch einmal fragen, was denn nun die Jugend macht? Mordet sie Väter, malt sie geometrische Farbfelder? Nein: Sie singt.

„Herrlich, diese HighTech-Hinterwäldlerinnen“

So betitelt Christian Buss in der BERLINER ZEITUNG seinen Artikel über die junge schwedische Band First Aid Kit.

„Die beiden Skandinavierinnen, gerade einmal 16 und 19 Jahre alt, gehören zu einer global vernetzten Szene junger Folkies, die jeden gestandenen Kulturpessimisten von seinem Glauben abfallen lassen. Wie hier älteste Gesangsweisen mit neuesten Kommunikationsformen verbreitetet werden, wirft doch ein ganz neues Licht auf die heutige, schon als Gefühlslegastheniker und Surf-Zombies verdammte Teenagerschaft.“