Von Gregor Sander

15.02.2012
Die Feuilletons beschäftigen sich heute mit dem Literaturskandal der Woche: dem Rassismus-Vorwurf gegenüber Christian Krachts neuen Roman "Imperium". In der "Zeit" verteidigt der Schriftsteller Uwe Timm seinen Kollegen, und auch die "Süddeutsche Zeitung" zeigt sich Verwundert über die harsche Kritik eines "Spiegel"-Kritikers.
Christian Krachts neuer Roman "Imperium" erscheint an diesem Donnerstag. Doch schon vor dem Erscheinen hat er für reichlich Aufregung im Feuilleton gesorgt. Worüber sich Sabine Vogel von der BERLINER ZEITUNG wundert:

"Bitte keine Rezension vor dem 16. Februar. So steht es in meinem Exemplar des neuen Romans 'Imperium' von Christian Kracht. Aber wenn Christian Kracht einen neuen Roman veröffentlicht, stehen die Literaturkritiker in der Spur und da sind Sperrfristen Makulatur."

Iris Radisch fasst die Handlung des Romans in der Wochenzeitung DIE ZEIT, die "Imperium" schon letzte Woche besprach, so zusammen:

"'Imperium' erzählt im nachgeahmten hochironischen Stil des 19. Jahrhunderts von einem Sonderling und Zivilisationsaussteiger, dem deutschen Lebensreformer August Engelhardt, der auf einem Eiland im Stillen Ozean kurz nach der vorigen Jahrhundertwende einen 'Sonnenorden' gründet, dessen einziges ordentliches Mitglied er bleibt."

Im aktuellen SPIEGEL warf Georg Diez dem Autor eine rechtextreme und rassistische Weltsicht vor. Uwe Timm verteidigt Kracht in der ZEIT:

"Ich habe in dem Roman viel über offenen und versteckten Rassismus gelesen, der aber ist den Figuren inhärent, wird in der erstaunlich artifiziellen Sprache des Erzählers mehrfach gebrochen, auch ins Komische, was eine Qualität des Romans ausmacht."

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG fügt Christopher Schmidt hinzu:

"In unredlicher Manier werden im 'Spiegel' Zitate Krachts aus einem E-Mail-Wechsel mit Auszügen aus dem Roman gleichgesetzt, als wäre das eine die Klartext-Übersetzung des anderen. Arglistig kassiert der Verfasser des Artikels damit die Differenz zwischen Kunst und Leben und macht sich selbst jenes reaktionären Ästhetizismus schuldig, dessen er den Autor bezichtigt. Dabei dreht er das Argument um: dass aus den inkriminierten Passagen nichts Eindeutiges hervorgehe, wird dem Autor als bewusste Verdunklung ausgelegt. So etwas aber ist nicht Journalismus, sondern Rufmord."

Joachim Günther sorgt sich in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG ebenfalls um missglückte Vergleiche mit dem Nationalsozialismus. Allerdings nicht in der Literatur:

"Regelmäßig protestieren Athener Demonstranten gegen den von außen erzwungenen Sparkurs mit Transparenten, die deutsche und EU-Symbole mit Hakenkreuzen kombinieren. Auch in Italien steigt die Wut auf das ökonomische Schwergewicht im Norden, das von den Ratingagenturen als Musterknabe gehandelt wird und mit Exportüberschüssen prosperiert, aber bei der innereuropäischen Vergemeinschaftung nationaler Schulden nicht so mitspielt, wie die von Staatsbankrotten bedrohten Länder das gern hätten."

Und das führe in der Auseinandersetzung zu Stereotypen, die man fast schon überwunden glaubte:

"Hier deutsche Herrenmenschen, dort unnütze 'Pleite-Griechen' und italienische Muttersöhnchen."

Zum selben Thema stellt Thomas Schmid in der FRANKFURTER RUNDSCHAU fest:

"Doch wer auf der Gewinnerseite steht, kann Angriffe unter der Gürtellinie kulant einstecken. Wer hingegen auf der Verlierseite steht, sieht sich schnell in seiner Würde verletzt. Es ist eine Verletzung, die Populisten jeglicher Couleur gerne ausnutzen. Das zumindest sollte bedenken, wer Griechenland in Europa halten will. Und dafür gibt es viele gute Gründe."

Einen guten Grund hat die Sängerin Adele gefunden um: "Auf Wiedersehen" zu sagen, wie Michael Pilz in der Tageszeitung DIE WELT fassungslos berichtet:

"Am Sonntag stand Adele Adkins mit sechs Grammys in den Armen auf der Galabühne in Los Angeles. Sie war gerührt, sie strahlte, niemand sang zuletzt erfolgreicher als sie, als Sängerin gehörte ihr die Zukunft. Anschließend ließ sie über die Zeitschrift 'Vogue' ausrichten: 'Ich bin vier, fünf Jahre raus.' Adele sagt, das Musikgeschäft verschleiße sie."

Vielleicht, so mutmaßt Pilz, habe sie gelernt vom Tod Amy Winehouse' und Whitney Houstons:

"Selbstbewusst verkündet sie, dass sie das kleine Leben, die Familie und den Garten, mehr schätzt als das große. Sie ist dann mal weg. Und wenn sie wieder da ist, wird Adele darüber singen. Davon, was sich jeder manchmal wünscht, für eine Weile."