Von Gregor Sander

Der 80. Geburtstag des Malers Gerhard Richter sorgt für lange Glückwunschschreiben in den Feuilletons. Zudem liest man Ausblicke auf die heute beginnende Berlinale sowie Gedanken zu Frost und Schnee in Europa.
"Gerhard Richter ist sich selbst das größte Rätsel, und wie sollte es auch anders sein?" schreibt Hanno Rauterberg in der Wochenzeitung DIE ZEIT zum 80. Geburtstag des Künstlers. "Über 50 Jahre lang malt er nun Bilder, die nichts sagen, nichts zeigen und nichts bedeuten sollen, Bilder 'ohne Sinn u. ohne Moral, ohne Lehre', wie er schon 1963 schrieb", meint Rauterberg und fügt hinzu: "Richter ist ein Künstler des postideologischen Zeitalters. Er verschafft der Kunst eine neue Freiheit, er entlastet sie von Symbolen und Behauptungen. Er überführt sie in ein stilles Reich der Neutralität, in dem Klorollen ebenso bildwürdig erscheinen wie Stühle, Kampfflieger, tote Terroristen oder auch abstrakte Farbenflecke. Richter kokettiert mit dem Banalen, seine Kompositionen sind oft so schlicht wie seine Sujets, und manchmal drohen die Bilder ins Beliebige zu kippen. Doch findet Richters größte Tugend, seine Gelassenheit, stets ein Gegengewicht: in seinem Perfektionismus."

Die Flucht Gerhard Richters aus der DDR im Frühjahr 1961 ist für Patrick Bahners in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG das "entscheidende Ereignis" seiner Karriere. "Im Westen bekehrte er sich zur Moderne – um alle Schulprogramme und Gruppenmanifeste, wie sie den Siegeszug der Moderne prägten, als Varianten des tyrannischen Dogmatismus zu verurteilen, den er hinter sich gelassen hatte."

Und in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG schreibt Georg Imdahl über Richter: "Er wünschte, er könne glauben, hat er zu Protokoll gegeben. Selbst das Domfenster in Köln zeugt mehr von der Sehnsucht nach Transzendenz als von dieser selbst. In schier unerschöpflicher Produktion, so scheint es bisweilen, arbeitet Richter auch gegen die Vergeblichkeit der diesseitigen Existenz an. Im Innersten bleibt sein Werk ohne jede Verheißung von Glück, bar jeglicher Utopie, fast schmerzhaft illusionslos."

Etwa 400 Filme werden auf der diesjährigen Berlinale zu sehen sein, die am Donnerstag beginnt. "Die Sponsoren engagieren sich und der European Film Market meldet Jahr für Jahr neue Erfolge. Kurz, es brummt am Potsdamer Platz", stellt Christina Nord in der TAZ fest, um dann genervt fortzufahren: "Leider brummt es so laut, dass man für Fragen der ästhetischen Relevanz kein Ohr mehr hat. 2011 stieß der mit 16 Filmen ohnehin schmal bestückte Wettbewerb auf wenig Zuspruch. Filmkritiker aus dem In- und Ausland klagten über die mangelnde Bedeutung des Programms." Für 2012 erkennt Nord eine leichte Besserung.

Über fehlende Prominenz in der Jury muss man auch in diesem Jahr nicht klagen. Neben dem Jury-Präsidenten Mike Leigh sind dort Anton Corbijn oder François Ozon zu finden. Und die Schauspielerin Charlotte Gainsbourg, die Jan Schulz-Ojala vom Berliner TAGESSPIEGEL zum Interview gebeten hat. Angesprochen auf ihre Erfahrung als Jurymitglied in Cannes 2001 gesteht sie: "Ich hatte das Gefühl, keine gute Richterin zu sein – unfähig, die Filme so zu analysieren, wie sich das gehört. In den Diskussionen traute ich mich nicht, einen Film einfach subjektiv zu sehen. Inzwischen stehe ich zu meiner Subjektivität. In einer Jury will ich nicht als Schauspielerin mit 20 Jahren Berufserfahrung urteilen, sondern als Zuschauerin."

Die klirrende Kälte in Europa ist nun auch im Feuilleton angekommen. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG hat dem Schriftsteller Georg Klein gleich die ganze erste Seite zu Verfügung gestellt, um sich über den Frost auszulassen. In der TAZ hingegen berichtet Francesca Sabatinelli aus der Ewigen Stadt: "Noch immer ist ganz Rom weiß. Ganz Rom? Nein! Der winzige Vatikan hat so schnell und effizient auf die böse Witterung reagiert, wie man es auch von der Hauptstadt der achtgrößten Volkswirtschaft der Welt hätte erwarten dürfen. Sofort wurden Schaufeln ausgepackt, aber nicht nur dort: Der päpstliche Winterdienst begab sich zum Schneeräumen auch auf ausländisches, italienisches Territorium, um den Zugang für Autos ins eigene Staatsgebiet zu ermöglichen; und damit waren sie in den schlimmsten Stunden des Desasters die einzigen Offiziellen in Rom, die ihrer Pflicht nachkamen."