Von Gregor Sander

07.08.2013
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Suhrkamp Verlag kommt manchem wie eine schlechte Reality-Show vor. Aber die neue ZDF-Reihe "Auf der Flucht" geht noch mehr in die Hose, meint die FAZ.


"Es sieht so aus, als wenn nun entgegen allem Pessimismus doch noch Nägel mit Köpfen gemacht würden", schreibt Andreas Zielke in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG nachdem nun das Amtsgericht Berlin das Insolvenzverfahren für Suhrkamp eröffnet hat. Zielke sieht in der erhofften Umwandlung des Verlages in eine Aktiengesellschaft die Rettung: "Man kann die Umwandlung nachgerade als die eleganteste Lösung des Suhrkamp-Krieges bezeichnen. Nicht zufällig war sie seit längerem abzusehen. Beide Gesellschafter bleiben die einzigen Gesellschafter des Verlags, kein ominöser weißer Ritter muss hervorgezaubert, keiner der beiden Streithähne zwangsweise hinaus befördert werden. Wie bisher bleibt die Stiftung mit 61 Prozent, Barlach mit 39 beteiligt."

Auch Sandra Kögel von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zeigt sich begeistert: "Die Nachricht über den Insolvenzplan ist deshalb spektakulär, weil er der Zerschlagung eines gordischen Knotens gleichkommt." Also: Alles gut im Hause Suhrkamp? Der Minderheitsgesellschafter Hans Barlach in die Ecke gedrängt und freie Fahrt für die Literatur? Peter Michalzik meldet in der BERLINER ZEITUNG leise Zweifel an: "Es scheint immer noch gut möglich, dass mit dem Schutzschirmverfahren und der Insolvenz ein Verfahren angestoßen wurde, in dem der Verlag wie der Zauberlehrling noch Überraschungen erlebt. Das Ganze wirkt wie ein Spiel mit hohem Risiko – ein Verfahrensstreit am Abgrund."

Und Jörg Sundermeier fragt in der TAZ: "Zu welchem Preis wurde dieser Triumph erreicht? Viele Autoren des Verlags könnten nun, weil sich der Verlag in der Insolvenz befindet, sofort ihre Rechte zurückfordern und einen neuen Verlag suchen. So geschah es bei der Insolvenz des Aufbau Verlags. Viele werden wohl bleiben. Doch so oder so ist es ein sehr riskantes Spiel, das hier gespielt wird."

Wem das Suhrkamp-Verfahren wie eine schlechte Reality-Show im Fernsehen vorkommt, dem sei gesagt, dass es dort noch viel absurder zugeht. "Auf der Flucht" heißt eine neue Doku-Reihe auf ZDF-Neo, die Nina Pauer in der Wochenzeitung DIE ZEIT so beschreibt: "Dieses ‚Experiment‘ hätte ein mutiges Projekt werden können. Das Thema von Flüchtlingen in Europa aufzugreifen, indem man Orte wie Lampedusa, die zur medialen Schablone verkommen sind, einfach besucht, von dort aus weiterreist, rückwärts, nach Äthiopien, Eritrea, in den Irak – ‚Auf der Flucht‘ hätte eine Perle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens werden können, voller subtiler Beobachtungen, Einzelbiografien aufgreifend und sie zu einem großen Ganzen zusammenführend."

Doch eben das passiert nicht, wenn die Reihe am Donnerstagabend auf ZDF Neo beginnt. Denn "schließlich fährt kein Reporter die Routen ab, sondern sechs gecastete, in ‚Teams‘ eingeteilte ‚Flüchtlinge auf Zeit‘. Ein ehemaliger Bundeswehrsoldat, eine Streetworkerin, ein Model, ein ehemaliger Rocksänger, ein Nazi-Aussteiger, eine glühende Verehrerin Thilo Sarrazins – die Belegschaft ist nicht uninteressant," meint Nina Pauer überraschenderweise in der ZEIT, um dann doch festzustellen: "Dieses kühne, überfrachtete Format geht ordentlich in die Hose, da helfen auch die lobenswerten informativen Passagen nicht, die wie Durchsagen aus der Zentrale für politische Bildung aus dem Off ertönen."

Das klingt doch eher wie ein makabrer Versuch, das Sommerloch zu füllen, oder es wenigstens zu versuchen. Aber gibt es denn da keine andere Lösung? Doch meint Margarete Stokowski in der TAZ: "Sex geht immer. Ist so. Sommerloch auf, Sex rein, Sommerloch zu." Stokowski belegt diese Behauptung dann auch empirisch: "Einmal habe ich einen Text geschrieben, in dem es um schlechtes Wetter ging…Viel mehr stand in dem Text nicht drin. Aber in der Überschrift gab es das Wort ‚Ficken‘. Es wurde der meistgeklickte Artikel des Tages auf taz.de. Auf dem zweiten Platz war ein Text, in dem beschrieben wurde, wie in Nordkorea die Lage immer dramatischer wird. Nun. So sind sie, die Menschen."