Von Grabenkämpfe zwischen Wissenschaft und Aberglauben

Von Kopernikus, Galilei, Newton und Darwin hat jeder schon einmal gehört, aber wer kennt James Hutton, den Schöpfer der modernen Geologie und sein 1785 erschienenes Buch "Theory of the Earth"? Dabei war Hutton für die Entwicklung der Wissenschaft genauso wichtig wie seine berühmten Kollegen, denn der Arzt und Hobby-Geologe James Hutton, 1726 in Edinburgh geboren, war einer jener wissenschaftlichen Väter, auf denen Darwin dann seine Evolutionstheorie aufbauen konnte.
James Hutton nun einem breiten Publikum bekannt zu machen, das hat sich das Sachbuch von Jack Repcheck zur Aufgabe gemacht: "Der Mann, der die Zeit fand. James Hutton und die Entdeckung der Erdgeschichte."
Bis ins 19. Jahrhundert hinein glaubten Naturwissenschaftler, dass alle erdgeschichtlichen Erkenntnisse strikt mit der Bibel übereinstimmen müssten. Fest stand für die bibeltreue Mehrheit der Wissenschaftler, dass Gott die Erde genau im Jahr 4004 v. Chr. geschaffen hatte, am 23. Oktober, mittags um 12 Uhr, natürlich an einem Montag; und alle Chemiker, Mathematiker oder Geologen bastelten Theorien, die das vermeintlich bewiesen.

Dieses Weltbild nun zerstörte James Hutton durch einfache Betrachtung der Natur; indem er versuchte, Felsformationen oder Gesteinsschichten zu verstehen, entwickelte er seine Theorie, dass die Erde mindestens etliche Millionen Jahre alt sein musste. Heute wissen wir, dass die Erde 4,2 Milliarden Jahre alt ist.

Die bibeltreuen Wissenschaftler gingen davon aus, dass Gott die Erde im heutigen Zustand geschaffen hatte und dass am Anfang die Erde von Wasser, komplett von einem Ur-Ozean überzogen war. Hutton wunderte sich nun z.B., warum man dann Fossilien von Muscheln in tieferen Erdschichten fand und nicht überall an der Oberfläche. Huttons Gegner räumten irgendwann ein, wahrscheinlich habe es mehrere Sintfluten gegeben.

Eine anderes Phänomen, das Hutton stutzig machte, war, dass man an der Erdoberfläche Kalkstein findet; da der aber wasserlöslich ist, hätte er sich in dem Ur-Ozean auflösen müssen.

Die einzigen Ursachen, die Hutton für all seine Beobachtungen schlüssig erschienen, waren jene Fakten, die für uns heute selbstverständlich sind: dass das Bild der Erde durch Vulkanismus entstanden ist, also durch die Faktoren Hitze und Druck, und auch durch Erosion.

"Der Mann, der die Zeit fand" ist kein trockenes Wissenschaftsbuch, obwohl es sich sehr britisch und ruhig anlässt. Repcheck beschreibt ein schrulliges Genie und erzeugt eine unterschwellige Spannung, bis der Leser begreift, dass er eine Art Wissenschaftskrimi liest, der die erbitterten Grabenkämpfe zwischen Wissenschaft und Aberglauben schildert.

Hervorragend sind die großen Überblicke, die Repcheck dem Leser gibt, in dem er jenes Jahrhundert der Aufklärung verständlich und übersichtlich macht, indem er die Stadt Edinburgh beschreibt, in der sich im 18. Jahrhundert die Creme de la Creme der Wissenschaftselite versammelte wie zum Beispiel James Watt und Adam Smith.

Sehr verständlich und sehr plastisch wird der Stoff, wenn Repcheck Experimente beschreibt: wie sich zum Beispiel der Chemiker James Hall Kanonenrohre besorgen musste. Dramatisch der Moment, als Charles Darwin am Tag vor seiner Abreise um die Welt zufällig ein Buch über die Theorie Huttons geschenkt bekommt: Das Aha-Erlebnis für Darwin. Und, nicht zu vergessen, "Der Mann, der die Zeit fand" ist ein Buch, das selbst dem Laien chemische wie geologische Details spannend begreiflich macht. Fehlt dann eigentlich nur noch das passende Kaminfeuer.


Rezensiert von Lutz Bunk

Jack Repcheck: Der Mann, der die Zeit fand. James Hutton und die Entdeckung der Erdgeschichte.
Übersetzt von Christa Broermann.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2007, 272 Seiten, 22,50 Euro