Von Gift und Stromschlägen
Mord spielt nicht nur unter Menschen eine nicht unbedeutende Rolle - auch die Tiere können davon nicht lassen. Der Biologe Markus Bennemann beschreibt in vierzehn spannenden Kapiteln mit welcher Raffinesse da gemeuchelt wird: So tötet die Bolaspinne per Klebstoffkugel, der Hermelin nutzt die Hypnose und die Wüstentodesotter macht vergiftete Geschenke.
Der Nachtfalter hat schlechte Karten. Erst täuscht ihn die Bolaspinne mit einem Duft, der ihm ein paarungsbereites Weibchen vorgaukelt und wenn er darauf reingefallen ist, dann fängt sie ihn mit einem Lasso. Sobald sie nämlich mitbekommt, dass er heranflattert, schwingt sie einen Seidenfaden, an dessen Ende eine kleine Klebstoffku-gel sitzt.
Sobald diese Kugel auf die Flügel des Falters trifft, fließt der Klebstoff unter dessen Schuppen und haftet an der Folienhaut an. Jetzt braucht die Spinne nur ihr reißfestes Lasso einholen und dem Nachtfalter eine Dosis Gift ins Gedärm spritzen, dann kann sie ihn in aller Ruhe auffressen. Ende eines Hochzeitsfluges.
Die Natur kennt viele Methoden, sich Nahrung zu beschaffen und dass es dabei nicht immer friedlich zugeht, weiß man zu Genüge von den Raubtieren. Allerdings hat die Evolution dabei ein paar Tricks ausgeheckt, die jeden Krimiautoren erbleichen lassen, so grenzenlos ist ihre Fantasie.
In vierzehn Kapiteln erzählt der Biologe Markus Bennemann in sehr lebendigem, bisweilen blumigem Stil, welche raffinierten Schachzüge sich Tiere haben einfallen lassen, um an ihre Beute zu kommen. Da gibt es die Hypnotiseure. So hüpft, tanzt, springt, kobolzt zum Beispiel der Hermlin vor einem Kaninchen so lange hin und her, bis sich dem armen Pelztier der Kopf so dreht, dass es alle Fluchtgedanken vergisst und wie gebannt auf den Irrwisch starrt. Das so hypnotisierte Kaninchen wird für den erheblich kleineren Räuber zur leichten Beute.
Der Kragenbär im Himalaja ist auf eine andere Strategie verfallen. Da sein dunkles Fell schon von Weitem den von ihm bevorzugten Kaschmir-Hirschen verrät, lässt er sich einfach in den Schnee fallen und kommt dann als weißer Schnellball herangesaust. Bevor die Hirsche begriffen haben, dass die weiße Kugel Zähne und Klauen hat, hat der Kragenbär sich schon eines der Tiere geschnappt.
Der Jagdmethoden sind viele. Farbgewitter gehören ebenso dazu wie Stromschläge, Schallwellen unter Wasser und Radargeräte aus Federn. Tarnung und Mimikry hat der Biologe in der Tierwelt entdeckt. Außerdem gibt es vergiftete Geschenke. So vergräbt sich die Wüstentodesotter, bis nur noch ein kleines Stück ihres Schwanzes wie ein Wurm auf dem Sand ragt. Wenn der sich dann bewegt, sieht der Blauzungenskink nur noch eine verlockende Beute. Das wird ihm zum Verderben.
Sogar Schusswaffen hat die Evolution entwickelt. Der Schützenfisch zum Beispiel holt sich seine Nahrung gerne direkt vom Blatt. Dort hockt nichts ahnend eine Grille, bis sich im Wasser unter ihrem Mangrovenbaum plötzlich ein Mund öffnet und sie ein scharfer Strahl Wasser vom Grün fegt. Sie ist ein Opfer des Schützenfischs gewor-den.
Der kann seine Zunge so an den Gaumen legen, dass sich dort ein Rohr bildet. Wenn er dann die Kiemen plötzlich zusammenpresst, schießt unter hohen Druck ein Wasserstrahl so zielgerichtet in die Höhe, dass der Jäger auf eineinhalb Meter genau trifft. K.O. geschlagen plumpsen die getroffenen Insekten ins Wasser.
Ausgesprochen gemein ist auch die Ausnutzung sexueller Hörigkeit. Bei den Leuchtkäfern schaltet ein Männchen auf Brautschau seine Leuchtkörper in einem bestimmten Blinkmuster an und aus. Die Weibchen seiner Art kennen den Code und antworten entsprechend. Er fliegt zu ihnen hin und wird plötzlich gefressen, denn leider haben sich die Weibchen einer anderen Glühwürmchenart die Signalfrequenzen eingeprägt und nutzen ihr Wissen nun, um fremde Männchen zu erbeuten.
Markus Bennemann belässt es nicht bei der Aufzählung der verschiedenen faszinierenden Mordmethoden und Mordinstrumente. Er erzählt auch unter welchen Umweltbedingungen Täter wie Opfer leben, was sie auszeichnet, welche Fähigkeiten sie haben, wie sie sich ernähren und fortpflanzen. Dabei meidet er, so gut es geht, alle Fachbegriffe, schildert seine Protagonisten vom Chamäleon bis zum Buckelwal stets mit einem Augenzwinkern.
Er nimmt nichts tierisch ernst und sein Vokabular ist eindeutig menschlich. Er schiebt den Tieren Gefühle unter, wie wir sie beim Zuschauen empfinden und das ist der einzige kleine Makel dieser 256 Seiten. Aber das Buch ist ja auch keine wissenschaftliche Studie, sondern eine eher heitere Aufklärung über für uns verrückte Mordmethoden aus dem Tierreich. Die Evolution ist für manche Überraschung gut.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Markus Bennemann, Im Fadenkreuz des Schützenfischs
Die raffiniertesten Morde im Tierreich
Eichborn Verlag Frankfurt 2008
256 Seiten, 19, 95 Euro
Sobald diese Kugel auf die Flügel des Falters trifft, fließt der Klebstoff unter dessen Schuppen und haftet an der Folienhaut an. Jetzt braucht die Spinne nur ihr reißfestes Lasso einholen und dem Nachtfalter eine Dosis Gift ins Gedärm spritzen, dann kann sie ihn in aller Ruhe auffressen. Ende eines Hochzeitsfluges.
Die Natur kennt viele Methoden, sich Nahrung zu beschaffen und dass es dabei nicht immer friedlich zugeht, weiß man zu Genüge von den Raubtieren. Allerdings hat die Evolution dabei ein paar Tricks ausgeheckt, die jeden Krimiautoren erbleichen lassen, so grenzenlos ist ihre Fantasie.
In vierzehn Kapiteln erzählt der Biologe Markus Bennemann in sehr lebendigem, bisweilen blumigem Stil, welche raffinierten Schachzüge sich Tiere haben einfallen lassen, um an ihre Beute zu kommen. Da gibt es die Hypnotiseure. So hüpft, tanzt, springt, kobolzt zum Beispiel der Hermlin vor einem Kaninchen so lange hin und her, bis sich dem armen Pelztier der Kopf so dreht, dass es alle Fluchtgedanken vergisst und wie gebannt auf den Irrwisch starrt. Das so hypnotisierte Kaninchen wird für den erheblich kleineren Räuber zur leichten Beute.
Der Kragenbär im Himalaja ist auf eine andere Strategie verfallen. Da sein dunkles Fell schon von Weitem den von ihm bevorzugten Kaschmir-Hirschen verrät, lässt er sich einfach in den Schnee fallen und kommt dann als weißer Schnellball herangesaust. Bevor die Hirsche begriffen haben, dass die weiße Kugel Zähne und Klauen hat, hat der Kragenbär sich schon eines der Tiere geschnappt.
Der Jagdmethoden sind viele. Farbgewitter gehören ebenso dazu wie Stromschläge, Schallwellen unter Wasser und Radargeräte aus Federn. Tarnung und Mimikry hat der Biologe in der Tierwelt entdeckt. Außerdem gibt es vergiftete Geschenke. So vergräbt sich die Wüstentodesotter, bis nur noch ein kleines Stück ihres Schwanzes wie ein Wurm auf dem Sand ragt. Wenn der sich dann bewegt, sieht der Blauzungenskink nur noch eine verlockende Beute. Das wird ihm zum Verderben.
Sogar Schusswaffen hat die Evolution entwickelt. Der Schützenfisch zum Beispiel holt sich seine Nahrung gerne direkt vom Blatt. Dort hockt nichts ahnend eine Grille, bis sich im Wasser unter ihrem Mangrovenbaum plötzlich ein Mund öffnet und sie ein scharfer Strahl Wasser vom Grün fegt. Sie ist ein Opfer des Schützenfischs gewor-den.
Der kann seine Zunge so an den Gaumen legen, dass sich dort ein Rohr bildet. Wenn er dann die Kiemen plötzlich zusammenpresst, schießt unter hohen Druck ein Wasserstrahl so zielgerichtet in die Höhe, dass der Jäger auf eineinhalb Meter genau trifft. K.O. geschlagen plumpsen die getroffenen Insekten ins Wasser.
Ausgesprochen gemein ist auch die Ausnutzung sexueller Hörigkeit. Bei den Leuchtkäfern schaltet ein Männchen auf Brautschau seine Leuchtkörper in einem bestimmten Blinkmuster an und aus. Die Weibchen seiner Art kennen den Code und antworten entsprechend. Er fliegt zu ihnen hin und wird plötzlich gefressen, denn leider haben sich die Weibchen einer anderen Glühwürmchenart die Signalfrequenzen eingeprägt und nutzen ihr Wissen nun, um fremde Männchen zu erbeuten.
Markus Bennemann belässt es nicht bei der Aufzählung der verschiedenen faszinierenden Mordmethoden und Mordinstrumente. Er erzählt auch unter welchen Umweltbedingungen Täter wie Opfer leben, was sie auszeichnet, welche Fähigkeiten sie haben, wie sie sich ernähren und fortpflanzen. Dabei meidet er, so gut es geht, alle Fachbegriffe, schildert seine Protagonisten vom Chamäleon bis zum Buckelwal stets mit einem Augenzwinkern.
Er nimmt nichts tierisch ernst und sein Vokabular ist eindeutig menschlich. Er schiebt den Tieren Gefühle unter, wie wir sie beim Zuschauen empfinden und das ist der einzige kleine Makel dieser 256 Seiten. Aber das Buch ist ja auch keine wissenschaftliche Studie, sondern eine eher heitere Aufklärung über für uns verrückte Mordmethoden aus dem Tierreich. Die Evolution ist für manche Überraschung gut.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Markus Bennemann, Im Fadenkreuz des Schützenfischs
Die raffiniertesten Morde im Tierreich
Eichborn Verlag Frankfurt 2008
256 Seiten, 19, 95 Euro