Von Gesa Ufer

Die Feuilletons beeschäftigen sich - wie sollte es anders sein - mit der Finanzkrise und dem Unmut des Volkes gegen selbige. Der G-20-Gipfel findet Beachtung, der neue Essay-Band des FAZ-Autors Nils Minkmar, und zu guter Letzt stellt Edo Reents fest: sein Opel "Rekord" stammt noch aus einer guten Zeit.


Wir befinden uns in durchgedrehten Zeiten, soviel steht fest. Der Präsident der Berliner Akademie der Wissenschaften, Klaus Staeck, schätzt die Lage sogar als "politisch hochgefährlich" ein. Im Interview mit dem Berliner TAGESSPIEGEL fragt der Künstler:

Wie muss es bei den Leuten ankommen, dass jetzt genau die Banken mit Milliarden subventioniert werden, die das Desaster angerichtet haben. Diese Vertrauenskrise trifft unvorbereitet auf eine völlig entpolitisierte Bevölkerung. … Ich frage mich, wer stößt in diese Lücke?

Mehr Aufklärung, mehr politische Einmischung, mehr Lust auf Demokratie fordert Staeck und wettert gegen den "Wettlauf" privater Fernsehsender, "um das niedrigste Niveau".

Was passieren kann, wenn sich, in Zeiten wie diesen, Volkes Zorn Bahn bricht, beschreibt Petra Steinberger in der FRANKFURTER RUNDSCHAU, indem sie das Phänomen Populismus umfassend beleuchtet.
Während populistische Ideen maßgeblich an der Entstehung und Identität lateinamerikanischer Staaten beteiligt gewesen seien, so werde Volkes Stimme – besonders von vielen europäischen Intellektuellen zu recht gefürchtet. Denn, so schreibt Petra Steinberger:

Wenn sich die Wut gegen die Eliten richtet, die "Geldigen", die Banker, die Reichen, die Manager, dann ist der Weg in Paranoia, Xenophobie und Antisemitismus oft nicht weit. So manch anfangs gerechtfertigte Tatsachen verkümmern im populistischen Diskurs zu paranoiden Klischees.

Wie zur Bebilderung dieser These, beschreibt Gina Thomas in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG die Stimmung in London kurz vorm dortigen G-20-Gipfel.

Die Banken, schreibt Thomas, rieten ihren Mitarbeitern inzwischen in Hausmitteilungen, in der heißen Phase am besten zuhause zu bleiben, andernfalls aber unbedingt unauffällige Kleidung zu tragen und auf Firmenembleme zu verzichten. Ein "Financial Fool´s Day" sei bereits für den 1. April angekündigt, eine Art Karnevalsumzug gegen das Kapital mit blutigen Abbildern von Bankern, die an Laternenpfosten hängen. Gina Thomas schreibt:

Wenn es dem Riesenaufgebot an Sicherheitskräften nicht gelingt, der Lage Herr zu bleiben, und die hetzerische Rhetorik tatsächlich in Gewalt umschlägt, muss die britische Regierung einen Teil der Verantwortung tragen. Um vom eigenen Versagen abzulenken, hat sie den Hass auf die Banker geschürt und sie mehr oder weniger zu Freiwild erklärt.

Gleichsam den Gegenpol zu blindem Hass oder populistischem Geschwätz feiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, wenn sie euphorisch den neuen Essay-Band des FAZ-Kollegen Nils Minkmar rezensiert. Alexander Gorkow charakterisiert die Betrachtungen des Historikers, Soziologen und Philosophen Minkmar so:

Optimistisch, mit Prinzipien, aber staunend über die Tücke des ganzen Krimskrams, der so überaus gaga in der Wirklichkeit herumliegt wie Legosteine im Kinderzimmer.
Minkmar stelle in diesem Buch sogar einen Stoff vor, um die ganzen Einzelteile einer kaputten Welt wieder zusammenzuleimen. Eine Sekunden-Zweikomponenten-Klebmasse nämlich, die bei ihm bereits tonnenweise zum Einsatz gekommen sei und ihm als "eine Brücke zwischen dem freien Willen des Menschen und der sperrigen Gegenwelt der Objekte" diene. Auch deshalb urteilt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG über Minkmars Buch mit dem Titel: "Mit dem Kopf durch die Welt":

Feinere Essays über das Jetzt finden wir hier gerade nirgends.

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG steigt Edo Reents in einen prilblumenblauen Opel Rekord aus dem Jahr 1974, startet den blubbernden Motor und nimmt die Leser mit auf eine nostalgische Reise zurück in die Zeit, in der Ludwig Erhards Wort vom Wohlstand für alle noch galt und der Opel Rekord in der Werbung der "Zuverlässige" genannt wurde.

Auf dem Heimweg ins Rüsselsheimer Automuseum sieht der Autor das neue und vielleicht letzte Opel-Modell, den Insignia, den er "attraktiv zwar, aber irgendwie auch unheiter, verbissen" findet. Reents notiert:

Alles, was meinen Rekord davon trennt, sind fünfunddreißig Jahre, die nichts als Fortschritt und Wachstum waren. Ich brauche diese fünfunddreißig Jahre nicht, sie können mir gestohlen bleiben, wenn nun sogar schon Horst Köhler das Ende des Wachstums ausruft.