Von flunschigen Frauen und devoten Männern

Von Astrid von Friesen · 18.09.2005
Was ist los mit Männern und Frauen? Zickig, unzufrieden und klagend die eine Seite, devot, hilflos, schweigend dagegen der männliche Part. Gesellschaftliche Macht liegt - in der Tat - meist in den Händen von Männern. Sagen wir bei rund fünf Prozent. Die anderen 95 Prozent der Männer sind ebenso abhängig wie wir Frauen von dieser Macht.
Und erdulden, erleiden zudem die Macht der Frauen, deren Meinungshoheit in Sachen Gefühle und Kinder: "Ich fühle, also bin ich, also habe ich Recht." Sie sind ausgeliefert an die weibliche Interpretation der Menschenrechte, wenn es um die Kinder geht: Frauen verheimlichen den Vater, sie setzen Kuckuckskinder und damit Lügen in die Familien oder sie reproduzieren sich gleich eigenhändig bzw. verstoßen Männer aus den Familien. "Bürogamie", die neue Lebensform: Eine Frau, ein Kind und der Staat in Gestalt eines Bürokraten.

Deutsche Strafgefangene haben ein Recht auf Familienkontakte, viele deutsche Kinder weder auf Kontakte zu beiden Eltern noch allen Großeltern! Warum? Etliche der 68iger Sozialarbeiter und Familienrichter schleppen ihre Angst vor der eigenen omnipotenten Mutter mit ins Büro, so dass sie in hinterherhinkendem Gehorsam allen Müttern, die vor ihrem Schreibtisch das Blaue von Himmel herunterlügen, willfährig nachgeben. Zumal der nationalsozialistische Mythos der großen Mutter offenkundig noch in vielen Seelen herumwabert, völlig ungefiltert!

Die feministische (!) Schriftstellerin Susan Faludi nennt diese Männer-Generation das "betrogene Geschlecht". Männer, deren Väter und Großväter als Soldaten im 1. und 2. Weltkrieg dazu verdammt waren, als 18-Jährige ihren Kopf hinzuhalten, sich tot oder kaputt schießen zu lassen, ihre Jugend auf dem Schlachtfeld, in der Gefangenschaft zu verbringen, hineingeworfen in die Schrecken von Blut, Vernichtung und Grauen.

Ihre Söhne erbten dieses Muster und wiederholen es, endlos: Stumm den Kopf hinzuhalten, um das Joch der Berufstätigkeit in einer nicht von ihnen eingerichteten Welt zu erfüllen. Klaglos, wie ihre Väter damals als Soldaten!

Die Hälfte des Himmels und aller Macht forderte die Frauenbewegung. O. k., so der Soziologe Gruner, dann aber bitte auch die Hälfte der Kanalreinigungs-, Müllmänner- und Bergarbeiterjobs und aller Nachtschichten. Auch die Retter von Tschernobyl hätten dann nicht zu 100 Prozent männlich sein müssen. Und die 24 am schlechtesten bezahlten Jobs in der USA sind ebenfalls Männern vorbehalten, es sind die so genannten Todesberufe. Auch Mordopfer sind zu 84 Prozent Männer. Kriege könnte man "Männertötungsveranstaltungen" nennen. Überdeutlich daran, dass amerikanische Soldatinnen, die sich zu Friedenszeiten zwar den gleichen Lohn erkämpften, jedoch im Krieg keineswegs an die vorderste Front müssen. Das Privileg, sich totschießen zu lassen, ist den Männern vorbehalten.

Die deutschen Kriegerwitwen, die ihre Kinder in den 40er Jahren alleine durchbrachten, wurden die Mütter der späteren Feministinnen. 5,25 Millionen Männer im besten "Mannesalter" waren im 2. Weltkrieg gefallen und hinterließen Millionen vaterloser Kinder. Diese Vaterlosen begannen in den 60er Jahren den Geschlechter-Weltkrieg. Teile der Frauenbewegung haben zudem die Sehnsucht nach dem Vater ideologisch in ihr Gegenteil verkehrt: Die Männer wurden - in einer hochkomplexen Verknotung aus Fiktion und Realität - verunglimpft, degradiert zur Verfügungsmasse zu Samen- und Geldspender, und einer ganzen Generation wurde die Idee der Vaterunzulänglichkeit eingeimpft. Doch dieses Experiment de väterfreien Erziehung ist weltweit gescheitert.

Ein Vaterverlust oder eine Vaterentbehrung aufgrund von Abwesenheit, von künstlichen Befruchtungen, Babyklappen oder anonymen Geburten bedeutet immer ein Trauma, mit Folgen für beide Geschlechter: psychische Ertaubung, Abstumpfung, eingefrorene Trauer und Bindungsverluste. In "Don't Come knocking" pointiert Wim Wenders diese quälende und ins Zerstörerische zielende Leere der vaterverlassenen Kinder!

Bei den Männern führte die Vaterentbehrung zum Identitätsverlust und tiefem Schweigen. Wo sind denn auch taffe männliche Vorbilder außerhalb der Gewaltvideos? Gerade wir Frauen erinnern noch den demütigenden Zustand: Wer keine Worte hat und nicht gehört wird, kann weder eine Identität geschweige denn Macht erlangen. Wie, um Himmelswillen, könnte es funktionieren, dass kleine Jungen im emotionalen Matriarchat eigene Worte finden und damit sich selbst und eine neue Definition ihrer Rollen? Jenseits der Kontrolle und Macht ihrer Mütter?

Kann es auch sein, dass durch die Verunglimpfung von männlichen Eigenschaften wie z. B. Durchsetzungskraft, Verantwortungsbewusstsein, Zielstrebigkeit, ein Verlust im Pädagogischen eintrat? Denn die Kuschelpädagogik hat seit den 70er Jahren in Westdeutschland zu einer Erziehungsleere geführt, nicht nur durch "Pisa" dokumentiert, sondern mehr noch durch ein erschreckendes Anwachsen nicht-zivilisierter Kinder und Jugendlicher!
Simone de Beauvoir, die Heldin der westdeutschen Frauenbewegung, forderte bereits 1968, dass "Mann und Frau jenseits ihrer natürlichen Differenzen rückhaltlos geschwisterlich zusammenfinden". Möge es uns gelingen!


Astrid v. Friesen, Jahrgang 1953, ist Erziehungswissenschaftlerin, Journalistin und Autorin sowie Gestalt- und Trauma-Therapeutin in Dresden und Freiberg. Sie unterrichtet an der TU Bergakademie Freiberg und macht Lehrerfortbildung. Zwei ihrer letzten Bücher: "Der lange Abschied. Psychische Spätfolgen für die 2. Generation deutscher Vertriebener" (Psychosozialverlag 2000) sowie "Von Aggression bis Zärtlichkeit. Das Erziehungslexikon" (Kösel-Verlag 2003).