Von der Verlagsbuchhandlung zum Megastore

Von Thomas Migge |
In den 60ern waren die "Feltrinelli"-Buchhandlungen der Treffpunkt der Linksintellektuellen. Der gleichnamige Verlag von Gründer Giangiacomo Feltrinelli nahm Autoren wie Italo Calvino unter Vertrag. Heute ist sie Italiens umsatzstärkste Verlagsgruppe und Buchhandelskette. In den Megastores gibt es neben CDs und DVDs auch Bücher zu kaufen.
" Die deutschen Autoren haben sich nie richtig durchgesetzt. Nach dem Krieg gab es immer ein gewisses Ressentiment gegen die deutschen Intellektuellen, die deutsche Literatur. "

Inge Feltrinelli kennt wie keine andere Verlegerin die großen Unterschiede zwischen dem lesefaulen Italien und dem viellesenden Deutschland. Der Verlag der Mailänderin hat zahlreiche italienische Autoren nach Deutschland vermittelt:

" Da gibt es einen Riesenboom. Das gab es schon seit unserem Weltbestseller "Der Leopard" 1959. Das war eine große Welle. Dann kamen Italo Calvino, Sciascia, Primo Levi. "

Alles Autoren, die bei Feltrinelli verlegt werden. Kein anderer Verlag hat in der italienischen Nachkriegszeit so viele anfangs unbekannte Autoren unter Vertrag genommen und groß gemacht. Pasternak ist das beste Beispiel dafür.

Im Katalog des Mailänder Verlagshauses finden sich gleich 19 Literaturnobelpreisträger. Ein italienisches Unikum. Vor genau 50 Jahren gründete Giangiacomo Feltrinelli seinen Verlag. Ein Unternehmen, das die vielseitigen Interessen des Linksintellektuellen zum Ausdruck bringen sollte: Politik und Literatur, Kunst und Dritte-Welt-Problematik. Im Mief der christdemokratischen Nachkriegszeit wurden die Buchhandlungen Feltrinelli zu Treffpunkten der linksintellektuellen Avantgarden. 1972 starb Giangiacomo: Als er an einem Strommasten eine Bombe für ein Attentat anbringen wollte, kam es zu einer Explosion. Der Verleger starb und seine deutsche Frau übernahm die Unternehmensleitung:

" Er war einer von jenen Verlegern, die die Welt verändern wollten. Schon als junger Mann war das sein Ziel. Er wollte das mit Büchern machen, aber mit Büchern ist das sehr schwer."

Mit Büchern macht man in Italien nicht viel Geld. Einer europaweiten Untersuchung zufolge wird in keinem anderen Land so wenig gelesen wie in Bella Italia. Inge Feltrinellis Ziel war es deshalb, ein breites und linksorientiertes Buchprogramm mit einer möglichst hohen Gewinnmarge zusammenzubringen, um das Unternehmen finanziell über Wasser zu halten. Die 68er Bewegung, die in Italien wie in Frankreich besonders stark einschlug, förderte den Verkauf der hauseigenen Autoren. In den 80er Jahren aber ging es mit den Verkaufszahlen stetig zurück. Von Krise war die Rede und so holte Inge Feltrinelli ihren Sohn ins Unternehmen. Mit ihm entwickelte sie eine neue Firmenpolitik, die weniger von politisch-humanitären und mehr von ökonomischen Ideen bestimmt wird.

" Es ist gut, dass man sich verändert. Man muss sich jeden Tag selbst erfinden, wach sein. Das ist der Lauf der Dinge. "

Viele ehemalige Freunde des Verlagshauses beklagen den neuen Kurs. Hauptkritikpunkt ist die Entscheidung, aus den guten alten Buchhandlungen Multi-Media-Stores zu machen, in denen neben Büchern auch CDs und DVDs, Videofilme und allerlei anderer Schnickschnack verkauft wird - rund um die Uhr von Musik beschallt, wie in einem x-beliebigen Supermarkt. Italiens feinfühlige Intellektuelle fühlen sich angewidert von der schönen neuen Warenwelt à la Feltrinelli. Doch die neue Unternehmenspolitik hat Erfolg: Die Umsätze steigen wieder. Feltrinelli ist heute Italiens größte und umsatzstärkste Verlagsgruppe. Die glorreiche linke Vergangenheit mit Buchläden, die zu den wichtigsten linken Debattierclubs des Landes gehörten, ist passé.