Von der Transparenz zur Autorität

Von Susanne Burg · 06.09.2013
Im kanadischen Toronto wurde das internationale Filmfestival eröffnet - mit einem Film über den Aufstieg und Fall von Wikileaks. "Die Fünfte Gewalt" heißt der Film von Bill Condon.
Der deutsche Film ist nicht üppig vertreten beim diesjährigen Festival, aber immerhin spielt Daniel Brühl im Eröffnungsfilm mit und wird nun wirklich zu einem internationalen Star. Er spielt zusammen mit Sherlock-Schaupieler Benedict Cumberbatch die Hauptrolle in "Die Fünfte Gewalt". Brühl ist Daniel Domscheit-Berg, der Wegbegleiter von Wikileaks-Gründer Julian Assange. Sie finden beim Treffen des Chaos Computer Clubs in Berlin vor fünf Jahren zusammen und beschließen, die Schönen und Reichen zu kontrollieren.

Ganz brillant stellt Benedict Cumberbatch den australischen Ex-Hacker dar. Der breite, leicht näselnde Akzent, die Mimik, die Körperhaltung - hier hat jemand sehr lange und genau Videoaufnahmen von Aussange studiert. Assange ist ein unbekannter Aktivist, als der Film beginnt, ein Mann mit Mission, manisch und auch egomanisch. Und dieser Charakterzug wird nicht besser mit den Jahren. Eine Organisation, die angetreten ist, Transparenz zu schaffen, wird am Ende zu einer autoritär geführten Truppe, dessen Boss keinen Widerspruch duldet. Als Bradley Manning Wikileaks Dokumente aus dem Afghanistan- und Irakkrieg zuspielt, wollen Daniel Domscheit-Berg und die Journalisten vom Spiegel, dem Guardian und der New York Times behutsam damit umgehen. Julian Assange stellt sie aber ungeschwärzt online und gefährdet damit die Leben von Informanten der US-Armee in den Ländern. Ein Konflikt, an dem Wikileaks schließlich zerbricht.

"Es war ein wirklich interessanter Film", fand dieser Besucher. "Ich wusste nicht so viel über die Geschichte, nur ein paar Details und ich habe das Gefühl, dass er dem Ganzen gut gerecht wurde. Es war spannend."

Inszeniert ist "Die Fünfte Gewalt" als Polit- und Agententhriller. Das Problem allerdings: Wer mit der Geschichte vertraut ist, für den kommt so recht keine Spannung auf, denn wer sieht sich schon gerne einen Thriller an, bei dem die Handlung von Anfang an klar ist? Und eine neue Dimension eröffnet "Die Fünfte Gewalt" dann auch nicht. Ich empfehle eher einen Film, der bei uns im Sommer in den Kinos lief: der Dokumentarfilm über Wikileaks "We Steak Secrets" von Alex Gibney. Der ist richtig spannend. Wiederum: In Toronto scheint meine Meinung eine Minderheitenmeinung zu sein. Den Zuschauern hat's gefallen:

"”Ein intelligenter Film, gut gespielt, mit guter Regie. Ein guter Auftakt fürs Festival"", sagt dieser Zuschauer.

Der große Reigen hat begonnen. In Toronto gehen die Filme für die Oscar-Saison an den Start. Hier wird getestet, gedealt, promotet. Und in der Filmindustrie herrscht ziemliche Einigkeit: dieses Jahr in Toronto ist ein gutes Jahr.

Sehr viele hochkarätige Filme sind in diesem Jahr hier zu sehen, sagt Will Weissman. Er ist aus Los Angeles angereist, um neue Filme für seine Firma Lightning Entertainment anzukaufen. Er sucht nach Genre-Filmen, Thrillern, Actionfilmen aus der ganzen Welt. Viele der großen englischsprachigen haben in diesem Jahr allerdings schon einen Verleih. Filme etwa wie der Biopic "All is by My Side" über Jimi Hendrix am Anfang seiner Karriere, der "Dallas Buyers" Club, die Geschichte eines HIV-Infizierten im Texas der 80er-Jahre und seines Kampfs gegen das Gesundheitssystem oder "12 Years a Slave" von Steve McQueen. Der Regisseur hat die Memoiren von Solomon Northrup verfilmt, einem freien Schwarzen, der 1841 in Washington D.C. gefangen genommen wurde und zu Sklavenhändlern gebracht wird. Nach einem Sommer voller Blockbuster-Flops schaut man jetzt wieder etwas zuversichtlicher in den Herbst.

Will Weissmann: "”Das Festival in Cannes hat viele Firmen nervös gemacht, auch meine. Die Filme, die auf dem Filmmarkt vor Jahren noch verkauft wurden, liefen nicht mehr. Ich glaube, die wirtschaftliche Situation in Europa hatte damit zu tun. Aber es hat auch was Gutes, weil die Einkäufer sich jetzt nicht mehr nur auf die offensichtlichen Filme stürzen. Ich glaube, das spiegelt auch eine Veränderung bei den Zuschauern wider. Sie haben keine Lust mehr auf die formelhaften Hollywood-Blockbuster. Sie wollen interessantere Filme. Filme, über die diskutiert wird. Nicht diesen ganzen hirnlosen Kram.""

Hirn wird es in den nächsten Tagen viel geben ... Wobei auch das Herz wohl nicht zu kurz kommen dürfte …