Von der Selbstironie der Serben

Von Wolfgang Martin Hamdorf · 08.04.2013
Am Donnerstag startet der serbische Film "Rendezvous in Belgrad". Der junge Regisseur Bojan Vuletic thematisiert darin die Öffnung des Landes und wirft einen ironischen Blick auf Zustand der Gesellschaft.
Im Belgrader Flughafen besingt ein Stewardessenchor den Anstieg ausländischer Besucher. "Rendezvous in Belgrad" ist ein ebenso ironisches, wie sentimentales Porträt der serbischen Hauptstadt im Umbruch. In vier Episoden erzählt er von der Liebe zwischen Serben und den "Strani gosti," den auswärtigen Besuchern.

Dabei verschieben sich die Rollen und Klischees nicht nur bei den Liebespaaren. Gleich in der ersten Episode ertränkt eine französische Sängerin ihren Liebeskummer in vielen Litern lokalen Bieres, während ihr junger serbischer Begleiter ein Glas fettarme Milch bestellt. In der zweiten Episode lässt sich ein vermeintlicher Amerikaner von einer serbischen Prostituierten im Grand Hotel schlagen und demütigen. In der dritten Episode wird ein deutsch-türkischer Geschäftsmann immer wieder mit den doppelten serbischen Vorurteilen, den Deutschen, als auch den Türken gegenüber, konfrontiert. In der letzten Episode wollen ein kroatischer Polizist und eine serbische Polizistin heiraten, zerstreiten sich dann aber auf der langen Autofahrt.

Fünf Chöre verfremden und kommentieren das Geschehen mit ironischer Fremdenverkehrswerbung fast im Duktus einer Agitprop Choreographie zur Planerfüllung: Polizisten, Zimmermädchen und Müllmänner und am Ende eine Truppe Strafgefangener in orangenfarbener Anstaltskleidung. Sie singen von den täglichen Fortschritten Serbiens bei der Annäherung an die EU. Für Regisseur Bojan Vuletiç ist sein Debüt ein Film über die Liebe, aber auch über die Brüche und Widersprüche der serbischen Gesellschaft nach der Isolation der Miloseviç Ära und vor der EU Integration.

Bojan Vuletiç: "”Wir Serben sind sehr selbstironisch, wir lieben es, über uns selbst zu lachen, ein ganz besonderer Humor. Wir lachen gerne über uns selbst und versuchen unsere Probleme ins Lächerliche zu ziehen. Ich selber mag intelligente ironische Komödien und gerade ernste politische Dinge, wie die Beziehung zwischen Serbien und der EU lassen sich am besten mit Humor darstellen, das Publikum soll lachen und weinen gleichzeitig.""Rendezvous in Belgrad" ist eine serbisch-deutsch-französische Koproduktion. Fast alle Filmemacher aus der Region sind auf ausländische Gelder angewiesen. Ein Problem dabei: Das Bild des ehemaligen Jugoslawiens in den letzten Jahren besonders von den Filmen Emir Kusturicas geprägt. Daher werden Filmprojekte aus Serbien bei der Suche nach internationaler Finanzierung oft mit grellen Balkanklischees von raufenden Machos, schönen Frauen, endlosen Alkoholexzessen und brennenden Dörfern konfrontiert, erzählt Oliver Röpke, der deutsche Produzent des Films:

Oliver Röpke: ""Also man merkt, dass viele Leute Serbien nicht kennen und mit verschiedensten Klischees umzugehen. Es war jetzt nicht so, dass sie gesagt haben, wo ist denn jetzt gerade Bregovic, wo ist denn jetzt die Zigeunermusik, ich glaub, die waren auch mal froh, dass es auch eine andere Art war, zu versuchen auch mal einen Film zu transportieren, nicht die alten Klischees."

Die Koproduktion eines Films wie "Rendezvous in Belgrad" ist immer auch eine Gratwanderung zwischen spezifisch regionalen Sehgewohnheiten und dem internationalen Publikum:

Röpke: "Der Film muss ja in Serbien funktionieren und in Deutschland und die Mentalitäten sind ja extremst unterschiedlich, was ich ja auch in der Zusammenarbeit mit dem serbischen Regisseur gemerkt habe. Weil, ich bin da ja eher etwas, nicht norddeutsch, aber eher nüchternder und er ist natürlich als ‚Balkanese‘, wie ich immer so schön sage, extrem emotional (...) und wir hatten halt sehr viele Diskussionen."

"Rendezvous in Belgrad" ist auch kennzeichnend für eine Generation postjugoslawischer Filmemacher, die mit schwarzem Humor alte Klischees demontiert. Dabei steht sie in einer langen Tradition des jugoslawischen Films, von den sozialistischen Partisanenfilmen über die so genannte schwarze Welle, dem gesellschaftskritischen Autorenkino der 1970er-Jahre, sagt die serbische Filmhistorikerin Vedrana Madzar:

Vedrana Madzar: "Da gibt es eine Tradition, das war schon immer so, diese Art des Humors konnte man eigentlich schon in den ersten jugoslawischen Filmen hören und sehen (...)dieser schwarze Humor war immer dabei. Und was besonders interessant ist, ist dass Humor im jugoslawischen Film und auch im postjugoslawischen Film basiert sich nicht auf dem körperlichen Gag, sozusagen, sondern im Verbalen, und einige Sachen sind auch ganz schwierig zu übersetzen."

Mit schwarzem Humor und unkonventionellen Stilmischungen beschreiben postjugoslawische Filmemacher die komplexen Realitäten einer Region im Umbruch. In schnellem Wechsel zwischen Gelächter, Gewalt und Trauer, am Rande der Hoffnungslosigkeit und des politisch Korrekten.