"Von der Schönheit, Faschisten zu töten"

Eine schrecklich nette Familie

12:01 Minuten
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Das Festessen als Hinrichtung: Szene aus Tiago Rodrigues Inszenierung von "Catarina oder Von der Schönheit, Faschisten zu töten" © Jaime Machado
Tiago Rodrigues im Gespräch mit Janis El-Bira · 19.06.2021
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Familientreffen sind oft turbulent. In dem Stück "Catarina oder Von der Schönheit, Faschisten zu töten" enden sie immer tödlich: Die Familie ermordet einträchtig gekidnappte Faschisten. Zu sehen ist Tiago Rodrigues' Inszenierung bei den Wiener Festwochen.
Manchmal stößt man beim Lesen von Theaterspielplänen auf Stücktitel, an denen bleibt man einfach hängen. So etwa im Programm der diesjährigen Wiener Festwochen: "Catarina oder Von der Schönheit, Faschisten zu töten" heißt da ein Abend, mit dem der portugiesische Regisseur Tiago Rodrigues zu Gast ist.

Faschisten zum Abendessen

Es geht darin um eine Familie, die einmal im Jahr zusammenkommt, um genau das zu tun: Einen entführten Faschisten zu töten. Bei gutem Essen, Wein und langen Gesprächen. Tiago Rodrigues erklärt den verstörenden und provokanten Titel seines Stücks so:
"Es ist ein Titel, der eben kein Appeasement in Aussicht stellt. Man soll sich hinterher nicht unbedingt wohler fühlen als beim Betreten des Theaters. Und die Wörter Schönheit und Töten nebeneinander zu stellen, wirft natürlich Fragen auf. Ich halte es grundsätzlich für eine der großen Gefahren politischer Rhetorik, wie Gewalt romantisiert wird. Auch in der Geschichte des politischen Widerstands!"

Wie weit darf man gehen?

Sein Stück gehe von der Frage aus: Wie weit darf man gehen, um die Demokratie zu schützen? Muss man vielleicht sogar über die Grenze des demokratisch Selbstverständlichen hinausgehen, um die Demokratie selbst zu verteidigen?
Dabei bezieht sich der Name "Catarina" im Stücktitel nicht nur auf die Tochter der Familie im Stück, sondern ist auch als historische Referenz an die 1954 unter der Salazar-Diktatur ermordeten Arbeiterin Catarina Eufémia zu verstehen.
Tiago Rodrigues steht draußen in einer Stadt und lehnt sich mit den Ellenbogen und Unterarmen auf ein verchromtes Geländer. Er hat schwarze Haare und trägt einen Bart. Er träge eine hellbraune Jacke.
Regisseur Tiago Rodrigues will Gewalt nicht romantisieren.© Franzi Kreis
Diese werde in Portugal nicht nur als Vertreterin des antifaschistischen Widerstands, sondern auch für ihren Einsatz für die Rechte von Frauen gefeiert und erinnert, so Rodrigues. Für sein Stück sei ihr Kampf der "Ursprungsmythos", der seiner Familiengeschichte Sinn verleihe.

Das "heilige Monster" Brecht

Dabei gehe es jedoch nicht um eine Feier der Gewalt, sondern vielmehr um eine Analyse gewaltvoller Strukturen, wie sie sich auch in der politischen Rhetorik ausdrücken könne, so Rodrigues: "Denken Sie zum Beispiel an die Gewalt – auch die rhetorische Gewalt! – in einem Land wie Brasilien, wo ich oft gearbeitet habe. Das ist extrem gefährlich. Dort ist die konkrete Gewalt in Form all dieser bewaffneten Milizen gewachsen durch die rhetorische Gewalt eines rechtsgerichteten Präsidenten. Die Idee der Gewalt innerhalb der politischen Sphäre kann sehr schnell außer Kontrolle geraten."
Beeinflusst hat Rodrigues in diesem Stück das Theater Bertolt Brechts, dessen Stücke der Regisseur schon früh auf der Theaterakademie kennengelernt hatte. In Portugal werde Brecht nur noch wenig gespielt, weil er dort "wie ein heiliges Monster" behandelt werde, "das man lieber nicht anfasst".
(jeb)
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