Von der Nutzlosigkeit, gut ausgebildet zu sein
Die Wirtschaft boomt, der Arbeitsmarkt entspannt sich zusehends. Im Jahresdurchschnitt könnte die Zahl der Arbeitslosen unter vier Millionen liegen. Das war die gute Nachricht dieser Woche, die aber überlagert wurde von anderen: 3500 Stellen weniger bei Airbus, minus 1500 bei Schering, 50.000 ausgegliederte Arbeitsplätze bei der Telekom.
Welche Schlagzeilen werden nachhaltiger im kollektiven Bewusstsein bleiben? Mit ziemlicher Sicherheit die Negativen. Das mag die Politik dann den Medien ankreiden, aber sie verfehlt damit den entscheidenden Punkt.
Die, deren Stellen nun zur Disposition gestellt werden, sind keine ungelernten Handlanger, es sind durch die Bank hoch qualifizierte Fachkräfte. Und egal, ob das nun sozialverträglich zugeht, mit Abfindungen oder goldenem Handschlag oder wie auch immer: Das Signal für die Betroffenen ist immer das Gleiche: Ihr werdet bei uns nicht mehr gebraucht. Nur, was betriebswirtschaftlich notwendig sein mag, das hat volkswirtschaftlich fatale Folgen. Gerade erst wird in einer Studie belegt, dass es vor allem agile Fachleute sind, die mangels inländischer Perspektive ihr Glück im Ausland suchen. Und das, wo doch die Wirtschaft schon jetzt über Fachkräftemangel klagt. Noch tiefgreifender erscheinen die gesellschaftspolitischen Folgen: Die Angst vor dem sozialen Abstieg, sie betrifft längst nicht mehr Ungelernte, Facharbeiter und kleine Angestellte. Sie hat inzwischen die gut ausgebildete Mittelschicht erreicht. Sicher, eine gute Ausbildung verringert das Risiko längerer Arbeitslosigkeit und erhöht die Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Aber dafür ist die Fallhöhe der Mittelschicht seit der Arbeitsmarktreform deutlich gewachsen. Der soziale Abstieg ist nach einem Jahr in greifbarer Nähe. Selbst mit guter Ausbildung und Flexibilität ist niemand wirklich dagegen gefeit. Der Handlungsreisende von Arthur Miller ist eine aktuelle Figur, nur heute eben mit Laptop und Handy.
In Deutschland ist die Erfahrung drohender sozialer Deklassierung für ein paar Jahrzehnte ausgeblendet worden. Die Generation der heutigen Pensionäre konnte nach dem Krieg machen, was sie wollte. Es ging wirtschaftlich und sozial einfach nur nach oben. Bei den 68ern war das im Grunde auch noch so, aber bei den 78ern schon nicht mehr. Dass Tausende Akademiker, vor allem ausgebildete Lehrer, am Ende als Kneipiers oder Taxifahrer ihren Unterhalt sichern mussten, das hat im Grunde schon damals dem Vertrauen in die Zukunft einen Knacks gegeben. Viele haben es in der Weise für sich verarbeitet, dass sie bewusst ausgestiegen sind aus den herkömmlichen Karrieremustern, nachzulesen und nachzuempfinden in der 1985 erschienenen Polemik: Von der Nutzlosigkeit, erwachsen zu werden. Ende der 90er folgte der nächste psychologische Schock, als nach den Verheißungen eines immerwährenden Wirtschaftsbooms das Vermögen der Mittelschicht an der Börse verbrannte.
Alle diese Erfahrungen haben bei den heutigen Erwachsenengeneration zwischen 40 und 60 zu einer skeptischen bis pessimistischen Grundhaltung geführt, den diese Generation an ihre Kinder weitergegeben hat. Es gibt keinen unbeschwerten und ungebrochen Aufstiegs-Optimismus in Deutschland. Das ist womöglich auch die angemessene Haltung, nur wird sie von der Politik und den Parteien entweder nicht akzeptiert oder nicht verstanden.
Dieses Unverständnis äußert sich vor allem darin, dass die Politik ihre eigenen Widersprüche und Zielkonflikte kaum wahrnimmt. Mehr Flexibilität fordern ist das eine, aber kann man dann zugleich über die Zerrüttung von Familie klagen und über die soziale Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen? Oder nehmen wir die Segnungen der föderalen Bildungspolitik: Wer einmal mit schulpflichtigen Kindern das Bundesland gewechselt hat, wird sich schwer überlegen, ob er das noch mal durchmacht. Oder das Lamento über zu wenig Kinder in Deutschland: die Regierung kann noch so viele Milliarden in die Kinderbetreuung stecken – wer von Existenzängsten geplagt ist und für sich keine halbwegs sichere Zukunftsperspektive sieht, der wird sich auf das Abenteuer Kinder nicht einlassen.
Wer erreichen will, dass die Menschen die Unsicherheit ohne psychische Blockaden aushalten, dass sie aufgeschlossen mit Selbstvertrauen autonom ihre Zukunft gestalten und dabei auch Risiken eingehen, der muss Wirtschaft und Gesellschaft öffnen, der muss vermitteln, dass sich das auszahlt und vor allem, dass die Chance besteht, nach einem sozialen Abstieg auch wieder aufzusteigen. Aber soweit sind wir noch lange nicht. Die Politik ist da nach wie vor in der Bringschuld. Der Appell allein, doch bitte optimistisch in die Zukunft zu schauen, wird nichts bringen.
Die, deren Stellen nun zur Disposition gestellt werden, sind keine ungelernten Handlanger, es sind durch die Bank hoch qualifizierte Fachkräfte. Und egal, ob das nun sozialverträglich zugeht, mit Abfindungen oder goldenem Handschlag oder wie auch immer: Das Signal für die Betroffenen ist immer das Gleiche: Ihr werdet bei uns nicht mehr gebraucht. Nur, was betriebswirtschaftlich notwendig sein mag, das hat volkswirtschaftlich fatale Folgen. Gerade erst wird in einer Studie belegt, dass es vor allem agile Fachleute sind, die mangels inländischer Perspektive ihr Glück im Ausland suchen. Und das, wo doch die Wirtschaft schon jetzt über Fachkräftemangel klagt. Noch tiefgreifender erscheinen die gesellschaftspolitischen Folgen: Die Angst vor dem sozialen Abstieg, sie betrifft längst nicht mehr Ungelernte, Facharbeiter und kleine Angestellte. Sie hat inzwischen die gut ausgebildete Mittelschicht erreicht. Sicher, eine gute Ausbildung verringert das Risiko längerer Arbeitslosigkeit und erhöht die Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Aber dafür ist die Fallhöhe der Mittelschicht seit der Arbeitsmarktreform deutlich gewachsen. Der soziale Abstieg ist nach einem Jahr in greifbarer Nähe. Selbst mit guter Ausbildung und Flexibilität ist niemand wirklich dagegen gefeit. Der Handlungsreisende von Arthur Miller ist eine aktuelle Figur, nur heute eben mit Laptop und Handy.
In Deutschland ist die Erfahrung drohender sozialer Deklassierung für ein paar Jahrzehnte ausgeblendet worden. Die Generation der heutigen Pensionäre konnte nach dem Krieg machen, was sie wollte. Es ging wirtschaftlich und sozial einfach nur nach oben. Bei den 68ern war das im Grunde auch noch so, aber bei den 78ern schon nicht mehr. Dass Tausende Akademiker, vor allem ausgebildete Lehrer, am Ende als Kneipiers oder Taxifahrer ihren Unterhalt sichern mussten, das hat im Grunde schon damals dem Vertrauen in die Zukunft einen Knacks gegeben. Viele haben es in der Weise für sich verarbeitet, dass sie bewusst ausgestiegen sind aus den herkömmlichen Karrieremustern, nachzulesen und nachzuempfinden in der 1985 erschienenen Polemik: Von der Nutzlosigkeit, erwachsen zu werden. Ende der 90er folgte der nächste psychologische Schock, als nach den Verheißungen eines immerwährenden Wirtschaftsbooms das Vermögen der Mittelschicht an der Börse verbrannte.
Alle diese Erfahrungen haben bei den heutigen Erwachsenengeneration zwischen 40 und 60 zu einer skeptischen bis pessimistischen Grundhaltung geführt, den diese Generation an ihre Kinder weitergegeben hat. Es gibt keinen unbeschwerten und ungebrochen Aufstiegs-Optimismus in Deutschland. Das ist womöglich auch die angemessene Haltung, nur wird sie von der Politik und den Parteien entweder nicht akzeptiert oder nicht verstanden.
Dieses Unverständnis äußert sich vor allem darin, dass die Politik ihre eigenen Widersprüche und Zielkonflikte kaum wahrnimmt. Mehr Flexibilität fordern ist das eine, aber kann man dann zugleich über die Zerrüttung von Familie klagen und über die soziale Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen? Oder nehmen wir die Segnungen der föderalen Bildungspolitik: Wer einmal mit schulpflichtigen Kindern das Bundesland gewechselt hat, wird sich schwer überlegen, ob er das noch mal durchmacht. Oder das Lamento über zu wenig Kinder in Deutschland: die Regierung kann noch so viele Milliarden in die Kinderbetreuung stecken – wer von Existenzängsten geplagt ist und für sich keine halbwegs sichere Zukunftsperspektive sieht, der wird sich auf das Abenteuer Kinder nicht einlassen.
Wer erreichen will, dass die Menschen die Unsicherheit ohne psychische Blockaden aushalten, dass sie aufgeschlossen mit Selbstvertrauen autonom ihre Zukunft gestalten und dabei auch Risiken eingehen, der muss Wirtschaft und Gesellschaft öffnen, der muss vermitteln, dass sich das auszahlt und vor allem, dass die Chance besteht, nach einem sozialen Abstieg auch wieder aufzusteigen. Aber soweit sind wir noch lange nicht. Die Politik ist da nach wie vor in der Bringschuld. Der Appell allein, doch bitte optimistisch in die Zukunft zu schauen, wird nichts bringen.