Von der Natur abgeschaut

Von Wolfgang Noelke · 30.04.2009
Pinguine bewegen sich nicht nur mit Eleganz, sondern auch mit höchster Effizienz unter Wasser. Ihr Energieverbrauch ist minimal. Ein Berliner Unternehmen hat sich die Natur zum Vorbild genommen und Pinguin-förmige U-Boote entwickelt.
So unbeholfen sie an Land watscheln, im Wasser sind sie pfeilschnell und entkommen durch geschicktes Hakenschlagen sogar ihren größten Feinden, den viermal schnelleren Robben. Zehn Stunden täglich schwimmen Pinguine, bei geringstem Energieaufwand, sagt der Berliner Bioniker Dr. Rudolf Bannasch:

"Pinguine sind für uns Faszination in Bezug auf die Energieökonomie. Die verbrauchen ganz wenig Energie. Die sind perfektioniert für den Unterwasserflug. Der CW-Wert, der Widerstandsbeiwert ist kleiner, als bei den besten technischen Köpern, die je gebaut wurden. 140 Millionen Jahre Evolution unter den extremsten Bedingungen der Erde haben die Tiere perfekt ausgeformt. Die verbrauchen Energie, um das mal zu vergleichen: Wenn die Benzin verbrauchen würden, würde ein Liter Benzin für 1500 km Schwimmstrecke ausreichen. So perfekt sind die."

Und das unter Wasser, wo der Energieverbrauch sogar höher ist, als über Wasser. Im Berliner Unternehmen "EvoLogics" entwickelte Bannasch ein elektrisches Mini-U-Boot, das nicht nur die Spindelform eines Pinguins besitzt, sondern auch von den schmalen Schwimmflügeln angetrieben wird, wie echte Pinguine:

"Das Besondere ist, dass sie die Wirbelbildung vermeiden, störende Wirbelbildung und dadurch auch wenig Widerstand haben, weil jede unnütze Verwirbelung im Wasser kostet Energie. Das ist bei denen über die Formgebung, aber auch über die elastische Oberfläche weitgehend reduziert und (verursacht) dadurch dieses günstige Energieverhalten. Für uns die Perfektion der Umsetzung in die Robotik jetzt mit beweglichen Körpern, weil das auch dazu beiträgt, einmal zu steuern, aber auch, ein besonders strömungsgünstiges Verhalten zu bekommen."

Die künstlichen Pinguine sind den echten zum Verwechseln ähnlich, orientieren sich aber unter Wasser wie die Fledermäuse, per Ultraschall. Die gesendeten Schallwellen reflektieren an der Wassergrenze, beispielsweise an den Wänden des Bassins oder am Wasserspiegel, oberhalb der tauchenden Pinguinroboter. Die sind voll beweglich und dank ihres, von echten Fischflossen kopierten Aufbaus der biegsamen Knochenstruktur weichen sie Hindernissen elegant aus. "FinnRay" nennt Rudolf Bannasch die patentierte Flossensteuerung:

"FinnRay-Flosssenstrahlen, kommt von der Fischflosse, die hinten interessante Grätenkonstruktionen drin hat, nämlich diese Doppelgräten. Und diese Doppelgräten, wenn man die aktuiert, dann gibt es eine eigenartige Flossenverkrümmung. Die ist lange Zeit nicht bekannt gewesen und was wir gelernt haben, ist jetzt diese Flossenstrahlstruktur umzusetzen in dreidimensionale Formen. Wir steuern damit den Kopf und den Schwanz von dem Pinguin und das ist eine Entdeckungstour für sich, die noch mal zeigt, dass die Bionik heute nicht Kopieren, sondern Kombinieren, Rekombinieren, kreativ Weiterentwickeln bedeutet."

Wozu die Roboter mal eingesetzt werden, als U-Boot oder Unterwasserkamera, ist noch offen. Dagegen weiß der Biologe Bernhard Köhler, womit er die Schiffsschraube ersetzen will: mit einem künstlichen Riesenfisch. Fische schlängeln sich und bewegen sich fast ebenso energiesparend voran wie die Pinguine. Der Wirkungsgrad eines Schiffsantriebs, so Berhard Köhler sieht dagegen erbärmlich aus:
"Da schätzen wir mit 40 Prozent an Wirkungsgrad und beim Delphin mit dem doppelten: 80 Prozent! Sagen wir's mal so: Die Natur hat andere Lösungen für die gleiche Aufgabe gefunden und wir arbeiten daran, diese andere Lösung besser zu verstehen und dann das Prinzip dieser Lösung technisch nachzubauen."

Seit 100 Jahren versuchen Wissenschaftler, den Fischantrieb nachzubauen, doch erst jetzt gelingt es, die einzelnen, hintereinander hängenden beweglichen Glieder, einer mehr als zwei Meter langen Flosse elektronisch zu steuern. Starke, computergesteuerte Motoren zwischen den Gliedern übertragen die typischen Schlängelbewegungen unterschiedlichster Fischarten auf die künstliche Flosse. Bernhard Köhlers Ziel ist es, dieses, wie ein zwei Meter langer gelber Fisch aussehendes Gebilde als Schiffsantrieb für flache Gewässer einzusetzen:

"Die Schiffsschraube versetzt das Wasser in eine rotierende Bewegung, deswegen spricht man von einem Schraubenstrahl. Heute laufen die Schiffsschrauben sehr dicht über den Flussböden und wirbeln dadurch das Sediment auf. In den Sedimenten lagern sich sehr häufig Schadstoffe ab und die werden jetzt aus dem Sediment wieder aufgewirbelt, freigesetzt. Im großen Maßstab führt das zu Vergiftungen ganzer Fischpopulationen."

Eine rein horizontale Bewegung, knapp unter der Wasseroberfläche, also der schlängelnde Fisch, der ein Boot antreibt, hätte im Vergleich zur Schraube nicht nur den besseren Wirkungsgrad, sondern würde zusätzlich noch die Natur schonen, ist sich Bernhard Köhler sicher: Die schlängelnde Fischbewegung dürften sich vor einigen hundert Jahren auch die Gondolieri zum Vorbild genommen haben, die in Venedig ihre Touristenkähne noch heute mit kunstvoll geführten Ruderbewegungen fahren. Und dort, in Venedig, sollte auch der erste praktische Versuch des Darmstädter Fischantriebs stattfinden - wenn es nach den Wünschen Bernhard Köhlers Entwicklungsteams geht:

"Das ist unser Traum! Dass wir den Bürgermeister von Venedig dazu gewinnen, das wenigstens mal zu probieren! Mal zu sehen, ob das wirklich eine Lösung seiner Probleme sein könnte, denn die Probleme sind erheblich: Die Gebäudeschäden sind unglaublich groß. Sie werden regelmäßig untersucht, alljährlich, und die Ausspülungen und Unterspülungen der Gebäudefassaden, die auf Stämmen stehen, die in dem Schlamm eingerammt sind, sind so stark, dass es keine Reparatur gibt. Man kann also nicht irgendwie den Kanal absperren und dann Mauern drunter bauen."