Von der Müllsammlerin zum Mannequin

Von Victoria Eglau |
Es ist ein ungewöhnlicher Karrieresprung, den Daniela Cott hingelegt hat: In Argentinien sammelte sie recyclebaren Müll, heute ist sie Mannequin. Doch bei aller Märchenhaftigkeit ist sie bodenständig geblieben. Sie will sie selbst bleiben, sagt sie.
"Es ist ein großer Schritt, den Elite-Modelwettbewerb zu gewinnen. Sie wählen nicht die Schönste, Größte oder Dünnste aus. Sondern die, die das gewisse Etwas hat, sagen sie. Auf jeden Fall öffnen sich Dir Türen, um international zu arbeiten."

Daniela Cott sitzt auf dem schwarzen Ledersofa im Büro ihres Managers: schmalgliedrig und mit einem Meter siebenundsiebzig groß für argentinische Verhältnisse. Sie hat Jeansjacke und Hose an, trägt die braunen Haare offen, ihre dunklen Augen sind dezent geschminkt.

Die Sechzehnjährige ist auf dem Sprung nach Europa. Vor einem Jahr gewann sie den Elite-Modelwettbewerb Argentinien, ab Ende Oktober will sie ihr Glück in Paris versuchen.

"Ich hab’ nicht davon geträumt, Model zu werden. Ich wollte die Schule zuende machen, vielleicht Anwältin werden. Als Model zu arbeiten, daran hab ich nicht gedacht."

Während sie das sagt, nippt Daniela an ihrem schwarzen Tee und beißt dann genussvoll in einen "Alfajor", eine argentinische Keksspezialität. Dass sie sich nicht, wie so viele andere Mädchen ihres Alters, ein Leben auf dem Laufsteg wünschte, nimmt man ihr ab. In ihrem früheren Leben war wenig Platz für solche Träumereien. Auch die Karriere als Rechtsanwältin schien weit weg, als Daniela Cott jeden Nachmittag Mülltüten in den Straßen von Buenos Aires durchwühlen musste.

"Mit zwölf hab ich angefangen, als "Cartonera", als Kartonsammlerin zu arbeiten. Wir kamen jeden Tag um fünf Uhr nachmittags in die Stadt und fuhren abends um halb zehn wieder nach Hause - meine Mutter, meine Oma und einer meiner Brüder."

Die Familie, die in einer Armensiedlung am Stadtrand wohnt, verdiente durch das Sammeln und den Verkauf recyclebaren Mülls umgerechnet rund hundert Euro pro Woche. Damit mussten Daniela, ihre alleinerziehende Mutter und sechs noch zu Hause lebende Geschwister auskommen.

"Ich habe es nicht gern gemacht, aber die Wirtschaftskrise zwang uns dazu. Die Arbeit ist ein bisschen hart, na ja, man gewöhnt sich dran. Als ich fünfzehn war, bin ich dann beim Müllsammeln von einer Frau entdeckt worden

Sie sah mich immer auf der Straße, und eines Tages hat sie zu mir gesagt: 'Du könntest Model sein.' Ich dachte, die ist ja verrückt. Aber dann habe ich Ja gesagt, als sie meinte, sie wolle Fotos von mir machen."

Die Frau, eine Kunsthandwerkerin, ist so etwas wie die gute Fee in der märchenhaften Geschichte der Daniela Cott. Die Fotos brachte sie zur Elite-Modelagentur, wo man begeistert von Danielas rauer Schönheit war, sie zu Shootings und einem Model-Training einlud und schließlich für den Wettbewerb 2007 anmeldete - der Rest ist bekannt.

Eine Disco in Palermo, Szeneviertel von Buenos Aires, vor wenigen Wochen. Mädchen in Bikinis und hochhackigen Schuhen stolzieren über den Laufsteg - Teilnehmerinnen des Elite-Modelwettbewerbs 2008. Vorjahressiegerin Daniela Cott schaut ihnen zu. Sie trägt ein bodenlanges, schulterfreies Kleid und wirkt aufgedreht.

"So viel ist passiert in diesem Jahr. Ich hab mein Leben total verändert. Jetzt schminke ich mich, ziehe Kleider an, bin ein bisschen glamouröser, pflege mich. Das alles fasziniert mich. Ich habe etwas entdeckt, das in mir verborgen war: das mir die Welt der Mode gefällt. Und die Leute haben meine Geschichte entdeckt, die Geschichte der Cartonera."

Doch nicht alles in Danielas Leben ist anders geworden. Immer noch wohnt sie mit ihrer Mutter und den Geschwistern im Armenviertel. Sie geht zur Schule, wenn sie nicht gerade Model-Termine hat. Sie spielt und rauft gerne mit ihren Brüdern, und muss dabei jetzt aufpassen, dass sie sich keine blauen Flecken holt. Und wenn Daniela ehrlich ist: Ihre Ernährung hat sie auch nicht umgestellt:

"Ich esse alles, was für ein Model verboten ist: Schnitzel mit Pommes und Spiegelei. Schokolade, Bonbons, viel Brot, viele Kekse. Limo. Nichts mit Diät. Ich mag keinen Salat. Nur Fleisch, Brot und Obst."

Auf Paris freut sich Daniela Cott wie auf ein großes Abenteuer. Und am liebsten möchte sie ihre Mutter und die knapp zweijährige Schwester mit auf die große Reise nehmen. Jean-Pierre Begon, Lateinamerika-Chef von Elite, erinnert daran, dass es harte Arbeit ist, eine Model-Karriere zu starten.

"Sie hat hart gearbeitet. Es ist ein Job, der Job als Mannequin, in dem es viel Konkurrenz gibt. Sie lässt sich nicht beim ersten Casting entmutigen. Das ist ein wenig das Problem, wenn man aus Lateinamerika kommt, dass viele Mannequins davon träumen, an die Spitze zu kommen, zu reisen, aber nach einem Monat in der Kälte in Paris oder New York …Aber gut, im Fall von Daniela, sie kommt wirklich aus einem armen Milieu, sie ist gewappnet."

Daniela weiß, was Arbeiten bedeutet. Und im Model-Business muss man Ellbogen haben. Sie wird sich sicher nicht vom ersten misslungenen Casting entmutigen lassen, sie ist gewappnet.

"Ich mag Foto-Shootings. Es ist wie ein Spiel, ich hab Spaß dabei. Ich will vor allem eins: Ich selbst bleiben, auf meine Familie aufpassen, und arbeiten."