Von Burkhard Müller-Ullrich

Das Feuilleton hat einen Herbst-Skandal: Thomas Steinfeld, Literaturchef der "SZ", hat einen Pseudonym-Krimi geschrieben, der die Gemüter bewegt. In der "FAZ" berichtet Hubertus Knabe, Direktor der Stasi-Opfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, über eine Konferenz in Tunesien.
Der Sommer ist noch vielerorts im Ferienmodus, da läuft die Feuilletonmaschine bereits mit einer Mordgeschichte an, die uns - soviel ist jetzt schon sicher - die nächsten paar Wochen lang begleiten und beschäftigen wird. Mordsgeschichte, weil: Es geht um Mord, allerdings einen fiktiven.

Demnächst erscheint im S. Fischer Verlag ein Schweden-Krimi, dessen Handlung sich um die übel zugerichtete Leiche eines Mannes rankt, der deutschen Feuilletonlesern sonderbar bekannt vorkommt.

Er sei Chefredakteur einer in ganz Deutschland gelesenen Zeitung gewesen, heißt es da - und sämtliche Attribute deuten auf niemand anderen als Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, hin.

Der Autor dieses Schwedenkrimis heißt angeblich Per Johansson, aber den gibt es nicht, genauso wenig wie die angebliche Übersetzerin. Vielmehr weist eine Spur

"die so breit ist wie die einer Elefantenherde im Urwald"

- um mit Elmar Krekeler von der WELT zu sprechen - auf den wirklichen Verfasser hin: Thomas Steinfeld, Literaturchef der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und als einstiger Schirrmacher-Untergebener ein offenbar schwer traumatisiertes Opfer von dessen Launen und Ränken.

Dass der Verlag bei dem Pseudonym-Versteckspiel mitmacht, findet Krekeler im übrigen nicht gut. Er macht sich Sorgen um

"die Leser, die sich durch gefälschte Biografien, falsche Bilder in höchstem Maße veralbert vorkommen müssen und kaum mehr glauben können, was sie da sehen."

Es ist nämlich, berichtet Krekeler, geradezu Usus geworden, statt echter Schriftsteller lauter Fakes zu verlegen.

"Ein Programmleiter eines wichtigen deutschen Verlags, der nicht namentlich genannt werden will, erzählt beispielsweise, viele seiner Kollegen hätten schlicht nicht mehr die Geduld, sich mit Autoren herumzuplagen, die sich als Schriftsteller selbstverwirklichen wollen."

Stattdessen, so der Vorwurf, beauftrage man routinierte deutsche Schreibprofis mit marktgängigen Themen und zimmere ihnen eine fremdländisch anmutende Identität zurecht, mitunter sogar eine chinesische. - Okay, aber was hat das mit dem Fall Steinfeld-Schirrmacher zu tun, Kommissar Krekeler?

Genau. Gar nichts. Schauen wir deshalb lieber mal, wer sich sonst noch dazu äußert. Gerrit Bartels stellt im TAGESSPIEGEL die Frage,

"wen das außerhalb des Kulturbetriebs wirklich interessiert? welchen Erkenntniswert diese Enthüllung hat. Und: Wäre es nicht eine Nummer kleiner gegangen?"

Lauter echt sinnlose Fragen auf einer Feuilletonseite, denn wen außerhalb des Theater-, Kunst- oder Musikbetriebs interessieren die sonst da zu findenden Rezensionen?

Und ja, eine Nummer kleiner geht vermutlich alles. Bloß nicht die Reaktion des Hauptbetroffenen Frank Schirrmacher. Sie ist an Lakonie nicht zu übertreffen.

Er lese keine schwedischen Krimis, sagte er der WELT. Und was machen Thomas Steinfeld und seine SÜDDEUTSCHE? Sie schweigen heute hartnäckig.

Keine einzige Zeile zum großen Herbst-Skandal des Feuilletons ist da zu lesen. Sehr verdächtig. Hat aber einen einfachen Grund: Morgen erscheint die Zeitung nicht, in Bayern wird Mariä Himmelfahrt gefeiert.

Deswegen wenden wir uns zum Schluss noch einem ganz anderen Thema zu: Hubertus Knabe, Direktor der Stasi-Opfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, hat in Tunis an einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützten Konferenz über die Vergangenheitsbewältigung im Mutterland der Arabellion teilgenommen und berichtet darüber in der FAZ:

"Keine Fortschritte gibt es bislang ( ... ) beim Zugang zu den Dokumenten der Geheimpolizei. Offiziell wurde die Staatssicherheitsabteilung des Innenministeriums zwar vor mehr als einem Jahr aufgelöst. Doch selbst Kabinettsmitglieder können nicht genau sagen, wo sich deren Unterlagen derzeit befinden und wer sie kontrolliert. Sie haben lediglich durch Gerüchte erfahren, dass ein erheblicher Teil der Akten vernichtet worden sei."

Doch während die Aufarbeitung der Vergangenheit im Argen liegt, wirkt die Zukunft in Tunesien direkt bedrohlich. Nach Meinung vieler könnte es zu einem Arrangement zwischen den Islamisten und dem alten Sicherheitsapparat kommen. Die Überschrift des Artikels lautet:

"Was ist, wenn die Folterer zurückkehren?"