Von Burkhard Müller-Ullrich
In der "FAZ" meldet sich der Pirat Christopher Lauer zu einem ZDF-Talkauftritt zu Wort. Die "Welt" blickt 30 Jahre zurück: auf deutsche Reaktionen zum damaligen Falklandkrieg.
"Wer 'Schlecker-Frauen' sagt, titelt auch 'Döner-Morde'","
schreibt ein etwas gereizter, fast aggressiver, aber hochintelligenter Medienbeobachter, der eigentlich Physik und Wissenschaftsgeschichte studiert hat, in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. 27 Jahre alt, Christopher Lauer mit Namen und Berliner Abgeordneter der Piratenpartei. Für seine Medienbeobachtung hatte er gerade die beste Live-Gelegenheit: Er saß, oder besser: stieß in Maybritt Illners Talkrunde mit Kurt Beck zusammen – ein Erlebnis, das in ihm offenbar ein paar grundsätzliche Fragen aufwarf, wie zum Beispiel diese:
""Wir als Piraten wollen alles anders machen und sitzen brav wie alle anderen in Talkshows, die wir früher weder geguckt haben noch gut fanden. Warum eigentlich?"
Um die Schlecker-Frauen sollte es in der Sendung gehen. Aber ging es wirklich um sie? Lauer konnte immerhin durch Seitenblick sehen, was für absurde Fragen an ihn Illner auf ihrem Zettel hatte, sie aber nicht stellte. Und Kurt Beck konnte staatsmännisch erklären, er würde in Rheinland-Pfalz jeden Betrieb retten, egal ob mit drei Mitarbeitern oder tausend. – Derselbe Beck, der die Investition in den Nürburgring gerade als Fehler bezeichnet hat, weshalb dort kürzlich 148 Leute entlassen wurden. So läuft das eben in den Talkshows. Und so erkennt der Novize Lauer:
"Die einzig sinnvolle Variante wäre für mich wahrscheinlich gewesen, direkt zu Anfang einen Kinski zu pullen und nach Becks erstem Schlagabtausch das Studio zu verlassen."
Pullen ist übrigens so eine Art Piratensprache; das kommt von den Computerspielen und bedeutet, einen Gegner herauszufordern. Man sollte aber immer darauf achten, nicht zu starke Monster zu pullen, da man sonst stirbt und unter Umständen auch Erfahrungspunkte verliert.
Vielleicht hat auch die argentinische Junta die britische Regierung vor 30 Jahren einfach mal gepullt. Der Falklandkrieg beschäftigt Mara Delius in der WELT; genaugenommen nicht der Falklandkrieg, sondern die deutschen Reaktionen – noch genauer: die Reaktionen der deutschen Intellektuellen, die sich über das englische Prozedere natürlich schwer empörten. Karl Heinz Bohrer hat damals in einem polemischen Aufsatz gegen die naive Friedensgesinnung und krämerische Rationalität hierzulande gegiftet:
""Jede Forderung nach der unbedingten und rücksichtslosen Durchsetzung von Prinzipien konnte in Kreisen, denen das höchste Gut vermittelnde Gesprächsbereitschaft war, nur als Angriff auf das eigene Selbstverständnis ankommen","
schreibt Mara Delius. Aber in ihren Augen hat sich das gewandelt. Sie verkündet,
"daß sich die politische Öffentlichkeit geweitet hat, hinter dem eindimensionalen Reflex der Vorabempörung hat sich ein breiter Raum für mögliche Reaktionen aufgetan."
Wie die junge Autorin darauf kommt, erklärt sie nicht. Sie war vielleicht beim Abfassen des Textes allzu sehr mit ihrem Gewirr von Gedanken, Satzteilen und Stilblüten beschäftigt. Das lässt jedenfalls der Schluss vermuten, der so lautet:
"Prinzipien sind eben nicht ehern, sondern in ihrer Form beiläufig. Sie entstehen immer erst im Ereignis, wie die Bedeutung aus der Metapher"
"Ihr habt sie wohl nicht alle!"
Das ist die Überschrift eines langen Interviews mit Thomas Quasthoff im SPIEGEL, und sie bezieht sich darauf, dass der Bassbariton, der trotz seiner schweren, durch Contergan verursachten Körperbehinderung eine Weltkarriere gemacht hat, einmal von der Firma Grünenthal zum Singen bei der Weihnachtsfeier eingeladen wurde. Grünenthal hatte von 1957 bis 1961 das Schlafmittel Contergan vermarktet.
Das Interview handelt von Quasthoffs Anfängen, wie ihm sein Vater Gesangsunterricht verschaffte, wie er den ARD-Wettbewerb gewann, wie ihm dann jemand das Wort "Krüppelbonus" ins Gesicht schleuderte. Es handelt von seinem Leben als Behinderter, vom Tod seines Bruders und von seinem unlängst verkündeten Entschluss, mit dem Singen auf der Bühne aufzuhören. Und er moniert den Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und fragt:
"Wo sind die ganzen Klassik-Sendungen geblieben? Da gibt es das grauenhaft moderierte Klassik-Echo-Preisträgerkonzert mit Herrn Gottschalk. Der hat dasselbe Interesse an klassischer Musik wie ich am Häkeln."
Also in dessen Sendung wird sich Quasthoff vermutlich nicht zum Interview begeben.
schreibt ein etwas gereizter, fast aggressiver, aber hochintelligenter Medienbeobachter, der eigentlich Physik und Wissenschaftsgeschichte studiert hat, in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. 27 Jahre alt, Christopher Lauer mit Namen und Berliner Abgeordneter der Piratenpartei. Für seine Medienbeobachtung hatte er gerade die beste Live-Gelegenheit: Er saß, oder besser: stieß in Maybritt Illners Talkrunde mit Kurt Beck zusammen – ein Erlebnis, das in ihm offenbar ein paar grundsätzliche Fragen aufwarf, wie zum Beispiel diese:
""Wir als Piraten wollen alles anders machen und sitzen brav wie alle anderen in Talkshows, die wir früher weder geguckt haben noch gut fanden. Warum eigentlich?"
Um die Schlecker-Frauen sollte es in der Sendung gehen. Aber ging es wirklich um sie? Lauer konnte immerhin durch Seitenblick sehen, was für absurde Fragen an ihn Illner auf ihrem Zettel hatte, sie aber nicht stellte. Und Kurt Beck konnte staatsmännisch erklären, er würde in Rheinland-Pfalz jeden Betrieb retten, egal ob mit drei Mitarbeitern oder tausend. – Derselbe Beck, der die Investition in den Nürburgring gerade als Fehler bezeichnet hat, weshalb dort kürzlich 148 Leute entlassen wurden. So läuft das eben in den Talkshows. Und so erkennt der Novize Lauer:
"Die einzig sinnvolle Variante wäre für mich wahrscheinlich gewesen, direkt zu Anfang einen Kinski zu pullen und nach Becks erstem Schlagabtausch das Studio zu verlassen."
Pullen ist übrigens so eine Art Piratensprache; das kommt von den Computerspielen und bedeutet, einen Gegner herauszufordern. Man sollte aber immer darauf achten, nicht zu starke Monster zu pullen, da man sonst stirbt und unter Umständen auch Erfahrungspunkte verliert.
Vielleicht hat auch die argentinische Junta die britische Regierung vor 30 Jahren einfach mal gepullt. Der Falklandkrieg beschäftigt Mara Delius in der WELT; genaugenommen nicht der Falklandkrieg, sondern die deutschen Reaktionen – noch genauer: die Reaktionen der deutschen Intellektuellen, die sich über das englische Prozedere natürlich schwer empörten. Karl Heinz Bohrer hat damals in einem polemischen Aufsatz gegen die naive Friedensgesinnung und krämerische Rationalität hierzulande gegiftet:
""Jede Forderung nach der unbedingten und rücksichtslosen Durchsetzung von Prinzipien konnte in Kreisen, denen das höchste Gut vermittelnde Gesprächsbereitschaft war, nur als Angriff auf das eigene Selbstverständnis ankommen","
schreibt Mara Delius. Aber in ihren Augen hat sich das gewandelt. Sie verkündet,
"daß sich die politische Öffentlichkeit geweitet hat, hinter dem eindimensionalen Reflex der Vorabempörung hat sich ein breiter Raum für mögliche Reaktionen aufgetan."
Wie die junge Autorin darauf kommt, erklärt sie nicht. Sie war vielleicht beim Abfassen des Textes allzu sehr mit ihrem Gewirr von Gedanken, Satzteilen und Stilblüten beschäftigt. Das lässt jedenfalls der Schluss vermuten, der so lautet:
"Prinzipien sind eben nicht ehern, sondern in ihrer Form beiläufig. Sie entstehen immer erst im Ereignis, wie die Bedeutung aus der Metapher"
"Ihr habt sie wohl nicht alle!"
Das ist die Überschrift eines langen Interviews mit Thomas Quasthoff im SPIEGEL, und sie bezieht sich darauf, dass der Bassbariton, der trotz seiner schweren, durch Contergan verursachten Körperbehinderung eine Weltkarriere gemacht hat, einmal von der Firma Grünenthal zum Singen bei der Weihnachtsfeier eingeladen wurde. Grünenthal hatte von 1957 bis 1961 das Schlafmittel Contergan vermarktet.
Das Interview handelt von Quasthoffs Anfängen, wie ihm sein Vater Gesangsunterricht verschaffte, wie er den ARD-Wettbewerb gewann, wie ihm dann jemand das Wort "Krüppelbonus" ins Gesicht schleuderte. Es handelt von seinem Leben als Behinderter, vom Tod seines Bruders und von seinem unlängst verkündeten Entschluss, mit dem Singen auf der Bühne aufzuhören. Und er moniert den Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und fragt:
"Wo sind die ganzen Klassik-Sendungen geblieben? Da gibt es das grauenhaft moderierte Klassik-Echo-Preisträgerkonzert mit Herrn Gottschalk. Der hat dasselbe Interesse an klassischer Musik wie ich am Häkeln."
Also in dessen Sendung wird sich Quasthoff vermutlich nicht zum Interview begeben.