Von Burkhard Müller-Ullrich
Die "FAZ" widmet sich ausführlich dem Rücktritt des Bundespräsidenten und bildet damit die Ausnahme: Es gibt erstaunlich viel Wulff-freie Zone in den Kulturseiten der meisten Zeitungen.
Stell dir vor: Der Bundespräsident dankt ab, und das Feuilleton geht gar nicht hin ... Es ist schon komisch: Die Kulturseiten der meisten Zeitungen bleiben Wulff-frei, als ob den Edelfedern zur Schmierenkomödie von Bellevue gar nichts mehr eingefallen wäre. Oder hatte man einfach zu viele Berlinale-Artikel gebucht? Oder ist das politische Debatten-Feuilleton generell auf dem Rückzug?
Jedenfalls bildet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG die große Ausnahme und bringt gleich drei Betrachtungen zur Causa Wulff. Die wesentliche stammt von Medienredakteur Michael Hanfeld und erinnert an die "unglaublichen Volten", die es bei der Berichterstattung, die eben oft nicht nur Berichterstattung war, gegeben hat.
"Das pfauenhafte Gehabe des 'Bild'-Redakteurs Martin Heidemanns zum Beispiel, der mit den Wulffs nach Italien fliegt und schreibt, man habe den 'Rubikon' überschritten. Nicht zu vergessen Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der 'Zeit', der sich in Wulff hineinfühlt und meint, die Bobbycar-Sache und die 'schlüpfrigen Andeutungen über frei erfundene Begebenheiten' seien 'eine Affäre für sich' – womit die Andeutungen wieder einmal angedeutet wären. Und dass der Publizist Hugo Müller-Vogg am Tag des Rücktritts bei ARD und ZDF erklärt, welchen moralischen Ansprüchen Christian Wulff nicht gerecht geworden sei, ist auch eine Pointe: Müller-Vogg hat das Wulff-Buch geschrieben, für dessen Bewerbung der notorische Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer heimlich rund 42.000 Euro bezahlte, wovon Müller-Vogg nichts wusste","
schreibt Michael Hanfeld in der FAZ, wo Müller-Vogg früher mal Herausgeber war. Noch eine Pointe!
Warum Kunstwerke so viel reisen müssen – dieser Frage geht Thomas Steinfeld in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG nach. Anlass ist der Streit um die letztendlich verweigerte Ausleihe eines Dürer-Bildes von München nach Nürnberg – ein Streit, der zum Politikum zwischen Bayern und Franken eskalierte, bei dem es aber auch um die Sinnhaftigkeit eines Ausstellungswesens geht, das zum Zwecke der Aufmerksamkeitserregung immer mehr auf Transport setzt.
""Die Zahl der reisenden und gereisten Kunstwerke dürfte sich in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten exponentiell gesteigert haben","
vermutet Steinfeld fest und erklärt dies so:
""Tatsächlich ist das Reisen, neben der technischen Reproduktion, und viel mehr als das Kommentieren und das Deuten, zur beherrschenden Form des Umgangs mit historischer Kunst geworden."
Dafür gibt es nach Steinfeld mehrere Gründe. Der erste lautet:
"Erst im allseitigen Reisen vollendet sich die Demokratisierung der Kunst. Denn sichtbar ist auch hier nur, was sich bewegt."
Der zweite Grund sei die gesellschaftliche Aufwertung, die der Bildenden Kunst in den vergangenen Jahrzehnten widerfahren sei – eine Aufwertung auch im wirtschaftlichen Sinn, und zwar so exorbitant, dass andere Sparten wie Musik oder Literatur da bei Weitem nicht mitkommen.
"Der Gedanke, im Wert (und in der Mobilität) der Kunst machten sich seit einiger Zeit die spekulativen Fortschritte der Finanzwirtschaft ästhetisch geltend, dürfte allenfalls eine geringe Übertreibung sein","
schreibt Steinfeld in der SÜDDEUTSCHEN.
Eben dort steht auch ein Text des in Princeton lehrenden deutschen Politologen Jan-Werner Müller, der unter dem Titel "Erklären ist doch eine schöne Aufgabe" erklärt, warum die Intellektuellen zu Europa schweigen. Dort heißt es:
""Die zwei bekanntesten (und historisch erfolgreichsten) Modelle intellektuellen Engagements lassen sich nicht ohne weiteres auf den Kontinent übertragen: Auf europäischer Bühne kann der Intellektuelle weder als supranationaler Sinnstifter agieren noch Missstände mit großem moralischen Gestus anprangern. Nicht weil es keine Sinnbedürfnisse oder keine himmelschreienden Ungerechtigkeiten gäbe – sondern weil in beiden Fällen Europa schlicht nicht der relevante Rahmen ist."
Aber wofür Europa überhaupt der relevante Rahmen ist, das schreibt Jan-Werner Müller nicht. Vielleicht bestünde die Aufgabe der Intellektuellen erst mal darin, das herauszufinden.
Jedenfalls bildet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG die große Ausnahme und bringt gleich drei Betrachtungen zur Causa Wulff. Die wesentliche stammt von Medienredakteur Michael Hanfeld und erinnert an die "unglaublichen Volten", die es bei der Berichterstattung, die eben oft nicht nur Berichterstattung war, gegeben hat.
"Das pfauenhafte Gehabe des 'Bild'-Redakteurs Martin Heidemanns zum Beispiel, der mit den Wulffs nach Italien fliegt und schreibt, man habe den 'Rubikon' überschritten. Nicht zu vergessen Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der 'Zeit', der sich in Wulff hineinfühlt und meint, die Bobbycar-Sache und die 'schlüpfrigen Andeutungen über frei erfundene Begebenheiten' seien 'eine Affäre für sich' – womit die Andeutungen wieder einmal angedeutet wären. Und dass der Publizist Hugo Müller-Vogg am Tag des Rücktritts bei ARD und ZDF erklärt, welchen moralischen Ansprüchen Christian Wulff nicht gerecht geworden sei, ist auch eine Pointe: Müller-Vogg hat das Wulff-Buch geschrieben, für dessen Bewerbung der notorische Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer heimlich rund 42.000 Euro bezahlte, wovon Müller-Vogg nichts wusste","
schreibt Michael Hanfeld in der FAZ, wo Müller-Vogg früher mal Herausgeber war. Noch eine Pointe!
Warum Kunstwerke so viel reisen müssen – dieser Frage geht Thomas Steinfeld in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG nach. Anlass ist der Streit um die letztendlich verweigerte Ausleihe eines Dürer-Bildes von München nach Nürnberg – ein Streit, der zum Politikum zwischen Bayern und Franken eskalierte, bei dem es aber auch um die Sinnhaftigkeit eines Ausstellungswesens geht, das zum Zwecke der Aufmerksamkeitserregung immer mehr auf Transport setzt.
""Die Zahl der reisenden und gereisten Kunstwerke dürfte sich in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten exponentiell gesteigert haben","
vermutet Steinfeld fest und erklärt dies so:
""Tatsächlich ist das Reisen, neben der technischen Reproduktion, und viel mehr als das Kommentieren und das Deuten, zur beherrschenden Form des Umgangs mit historischer Kunst geworden."
Dafür gibt es nach Steinfeld mehrere Gründe. Der erste lautet:
"Erst im allseitigen Reisen vollendet sich die Demokratisierung der Kunst. Denn sichtbar ist auch hier nur, was sich bewegt."
Der zweite Grund sei die gesellschaftliche Aufwertung, die der Bildenden Kunst in den vergangenen Jahrzehnten widerfahren sei – eine Aufwertung auch im wirtschaftlichen Sinn, und zwar so exorbitant, dass andere Sparten wie Musik oder Literatur da bei Weitem nicht mitkommen.
"Der Gedanke, im Wert (und in der Mobilität) der Kunst machten sich seit einiger Zeit die spekulativen Fortschritte der Finanzwirtschaft ästhetisch geltend, dürfte allenfalls eine geringe Übertreibung sein","
schreibt Steinfeld in der SÜDDEUTSCHEN.
Eben dort steht auch ein Text des in Princeton lehrenden deutschen Politologen Jan-Werner Müller, der unter dem Titel "Erklären ist doch eine schöne Aufgabe" erklärt, warum die Intellektuellen zu Europa schweigen. Dort heißt es:
""Die zwei bekanntesten (und historisch erfolgreichsten) Modelle intellektuellen Engagements lassen sich nicht ohne weiteres auf den Kontinent übertragen: Auf europäischer Bühne kann der Intellektuelle weder als supranationaler Sinnstifter agieren noch Missstände mit großem moralischen Gestus anprangern. Nicht weil es keine Sinnbedürfnisse oder keine himmelschreienden Ungerechtigkeiten gäbe – sondern weil in beiden Fällen Europa schlicht nicht der relevante Rahmen ist."
Aber wofür Europa überhaupt der relevante Rahmen ist, das schreibt Jan-Werner Müller nicht. Vielleicht bestünde die Aufgabe der Intellektuellen erst mal darin, das herauszufinden.