Von Burkhard Müller-Ullrich
Die "Süddeutsche" befasst sich mit einer Tagung der Internationalen Heinrich-Schütz-Gesellschaft und die "FAZ" nimmt "The Kraus Project", das soeben in den USA erschienene neue Buch von Jonathan Franzen, ins Visier.
In Venedig war kürzlich viel von Heinrich Schütz die Rede: Heinrich Schütz, dem bedeutendsten deutschen Komponisten des Frühbarocks, der sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Venedig aufgehalten hatte. Insofern war die Tagung der Internationalen Heinrich-Schütz-Gesellschaft, über die Kristina Maidt-Zinke in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichtet,
"eine Art Heimkehr."
Und offenbar war sie gar nicht so unspannend, wie das bei musikwissenschaftlichen Tagungen über 400 Jahre alte Tonsetzer vorzukommen pflegt. Das liegt nicht zuletzt an den Ambivalenzen der Rezeptionsgeschichte:
"Die offizielle Schütz-Pflege im 20. Jahrhundert war nicht frei von deutschtümelnder Vereinnahmung,"
schreibt Maidt-Zinke,
"und das ausgeprägte Engagement protestantischer Laienchöre für seine Vokalmusik trug dem aus Thüringen stammenden, vorwiegend in Dresden tätigen Meister den Ruf frommer Biederkeit ein."
Aber er importierte den als katholisch supspekten italienischen Stil, den Sound der venezianischen Schule mit ihrem allumfassenden Klangrausch in nördlichere Breiten, wenn auch oft mit Verzögerung. Die Berichterstatterin lernte nämlich auch,
"dass der Thüringer ein Spätzünder war: Er schirmte sich von manchen Anregungen ab, um sie nach ein oder zwei Jahrzehnten dann doch noch aufzugreifen."
Ein Spätzünder ist allerdings auch dieser Artikel, denn die Tagung der Heinrich-Schütz-Gesellschaft hat vor zwei Wochen stattgefunden.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bringt gleich zwei Artikel über das neue, soeben in den USA erschienene Buch von Jonathan Franzen mit dem Titel "The Kraus Project". Es geht tatsächlich um Karl Kraus, der einst postulierte, dass der Beweis für ein Sprachwerk dessen Unübersetzbarkeit sei.
"79 Jahre später hat sich jetzt der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen über das Verdikt der Unübersetzbarkeit hinweggesetzt und eine ausführlich kommentierte englische Fassung einer kleinen Auswahl von Texten aus der "Fackel" publiziert,"
erklärt Patrick Bahners wohlwollend-zustimmend. Dietmar Dath indes rückt dem Projekt, ebenfalls in der FAZ, schärfer zu Leibe:
"Die Berufung auf einen der größten Deutsch schreibenden Schriftsteller der Moderne verfehlt ihren Bürgen,"
findet er. Denn Franzen geht zwar mit dem ganzen modernen Facebook-Twitter-Internet-Getue, das den FAZ-Feuilletonisten bekanntlich ein Greuel ist, ebenfalls ins kulturkritische Gericht, aber auf eine nach Dathschen Maßstäben zu milde Weise, indem er zugibt, dass der mediale Fortschritt auch ein paar gute Seiten hat. Dagegen zetert Dath:
"Die Unbedingtheit ist Voraussetzung der Unbestechlichkeit – indem Franzen, der es mit Kraus gut meint, das abschleift, nimmt er ihm gerade das, was in Zeiten der überall ausposaunten Interaktivität, Partizipation, Kommunalität der eigentlich radikale Kritikansatz wäre."
Auch das Feuilleton der WELT handelt im Aufmacher von amerikanischer Literatur. Und zwar erzählt Hannes Stein, wie ihm Louis Begley die besten Tomaten der Welt gekauft hat. Stein hat Begley anlässlich dessen bevorstehenden 80. Geburtstags besucht.
"Er ist die Höflichkeit in Person. Selbstverständlich lässt er seinem Gast auf Schritt und Tritt den Vortritt, selbstverständlich lädt er ihn in seinem hellen, großen Sommerhaus vor dem Interview erst einmal zum Lunch ein. Er spricht leise, dieser Schriftsteller, der Anwalt war, ehe ihm mit "Lügen in den Zeiten des Krieges" auf den ersten Schlag der Durchbruch gelang."
Dann reden die beiden über Begleys jüngsten Roman "Erinnerungen an eine Ehe". Und zum Schluss, es wird schon Abend, fährt Begley Stein zur Bushaltestelle. Das Ende des Berichts muss man wörtlich genießen:
"Begley stoppt das Auto an einem Stand, wo man frisches Gemüse von einer Farm kaufen kann. Hier soll es die besten Tomaten der Welt geben. Der Schriftsteller lässt es sich nicht nehmen, für das Pfund Tomaten zu bezahlen, das sein neugieriger gast sich ausgesucht hat. Und Begley hat recht: jeder Biss eine sauersüßsaftige Geschmacksexplosion. Der Roman ist aber auch nicht schlecht."
"eine Art Heimkehr."
Und offenbar war sie gar nicht so unspannend, wie das bei musikwissenschaftlichen Tagungen über 400 Jahre alte Tonsetzer vorzukommen pflegt. Das liegt nicht zuletzt an den Ambivalenzen der Rezeptionsgeschichte:
"Die offizielle Schütz-Pflege im 20. Jahrhundert war nicht frei von deutschtümelnder Vereinnahmung,"
schreibt Maidt-Zinke,
"und das ausgeprägte Engagement protestantischer Laienchöre für seine Vokalmusik trug dem aus Thüringen stammenden, vorwiegend in Dresden tätigen Meister den Ruf frommer Biederkeit ein."
Aber er importierte den als katholisch supspekten italienischen Stil, den Sound der venezianischen Schule mit ihrem allumfassenden Klangrausch in nördlichere Breiten, wenn auch oft mit Verzögerung. Die Berichterstatterin lernte nämlich auch,
"dass der Thüringer ein Spätzünder war: Er schirmte sich von manchen Anregungen ab, um sie nach ein oder zwei Jahrzehnten dann doch noch aufzugreifen."
Ein Spätzünder ist allerdings auch dieser Artikel, denn die Tagung der Heinrich-Schütz-Gesellschaft hat vor zwei Wochen stattgefunden.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bringt gleich zwei Artikel über das neue, soeben in den USA erschienene Buch von Jonathan Franzen mit dem Titel "The Kraus Project". Es geht tatsächlich um Karl Kraus, der einst postulierte, dass der Beweis für ein Sprachwerk dessen Unübersetzbarkeit sei.
"79 Jahre später hat sich jetzt der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen über das Verdikt der Unübersetzbarkeit hinweggesetzt und eine ausführlich kommentierte englische Fassung einer kleinen Auswahl von Texten aus der "Fackel" publiziert,"
erklärt Patrick Bahners wohlwollend-zustimmend. Dietmar Dath indes rückt dem Projekt, ebenfalls in der FAZ, schärfer zu Leibe:
"Die Berufung auf einen der größten Deutsch schreibenden Schriftsteller der Moderne verfehlt ihren Bürgen,"
findet er. Denn Franzen geht zwar mit dem ganzen modernen Facebook-Twitter-Internet-Getue, das den FAZ-Feuilletonisten bekanntlich ein Greuel ist, ebenfalls ins kulturkritische Gericht, aber auf eine nach Dathschen Maßstäben zu milde Weise, indem er zugibt, dass der mediale Fortschritt auch ein paar gute Seiten hat. Dagegen zetert Dath:
"Die Unbedingtheit ist Voraussetzung der Unbestechlichkeit – indem Franzen, der es mit Kraus gut meint, das abschleift, nimmt er ihm gerade das, was in Zeiten der überall ausposaunten Interaktivität, Partizipation, Kommunalität der eigentlich radikale Kritikansatz wäre."
Auch das Feuilleton der WELT handelt im Aufmacher von amerikanischer Literatur. Und zwar erzählt Hannes Stein, wie ihm Louis Begley die besten Tomaten der Welt gekauft hat. Stein hat Begley anlässlich dessen bevorstehenden 80. Geburtstags besucht.
"Er ist die Höflichkeit in Person. Selbstverständlich lässt er seinem Gast auf Schritt und Tritt den Vortritt, selbstverständlich lädt er ihn in seinem hellen, großen Sommerhaus vor dem Interview erst einmal zum Lunch ein. Er spricht leise, dieser Schriftsteller, der Anwalt war, ehe ihm mit "Lügen in den Zeiten des Krieges" auf den ersten Schlag der Durchbruch gelang."
Dann reden die beiden über Begleys jüngsten Roman "Erinnerungen an eine Ehe". Und zum Schluss, es wird schon Abend, fährt Begley Stein zur Bushaltestelle. Das Ende des Berichts muss man wörtlich genießen:
"Begley stoppt das Auto an einem Stand, wo man frisches Gemüse von einer Farm kaufen kann. Hier soll es die besten Tomaten der Welt geben. Der Schriftsteller lässt es sich nicht nehmen, für das Pfund Tomaten zu bezahlen, das sein neugieriger gast sich ausgesucht hat. Und Begley hat recht: jeder Biss eine sauersüßsaftige Geschmacksexplosion. Der Roman ist aber auch nicht schlecht."