Von Burkhard Müller-Ullrich
Die „FAZ“ beschäftigt sich mit der Reformbereitschaft der neuen chinesischen Regierung. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt über die anstehende Biennale in Istanbul. Und die „Welt“ hat mit dem Geiger Gidon Kremer gesprochen.
„Für alle, die auf die Reformbereitschaft der neuen Regierung hoffen, ist die Verhaftung von Xu Zhiyong eine deprimierende Nachricht...“
... schreibt Mark Siemons in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, und da es über diesen chinesischen Rechtswissenschaftler nicht mal einen deutschen Wikipedia-Eintrag gibt, müssen wir zunächst ein bisschen ausholen, um den Mann vorzustellen: Xu ist 40 Jahre alt und als Dozent an der Pekinger Hochschule für Post und Telekommunikation tätig. Er hat viel für die Entwicklung des Rechtssystems in China getan, ohne dessen Grenzen zu übertreten. Er hat als Anwalt Opfer von verseuchtem Milchpulver vertreten und Menschen, die in illegale Gefängnisse gesteckt wurden. Seine Klienten sind also die Schwachen der Gesellschaft. Und er hat einen Bericht über die Probleme in Tibet erstellt.
Der FAZ-Korrespondent weist darauf hin, dass Xu in seinem Leben zwar schon mehrfach verhaftet wurde – aber, so Siemons:
„Der jetzige Moment gibt dem Arrest eine besondere Symbolik.“
In China wird nämlich gerade heftig über den Rang und das Wesen der Verfassung gestritten. Alle reden von der „Herrschaft des Rechts“, aber es macht einen Unterschied, ob es Parteibonzen tun oder Leute wie Xu Zhiyong, die von offizieller Seite als Anhänger des sogenannten „Konstitutionalismus“ geschmäht werden. Dieser Begriff gehört genauso wie „universelle Werte“ und „Bürgerrechte“ zu einer Reihe von Themen, über die – laut Siemons – an den Universitäten nicht mehr diskutiert werden soll.
Der Vorwurf gegenüber dem Verhafteten lautet übrigens: „Versammlungsbildung zur Störung der öffentlichen Ordnung“.
Das klingt haargenau wie die Anklagen, mit denen die türkische Protestbewegung erstickt werden soll – womit wir beim nächsten Thema sind. In knapp zwei Monaten wird in Istanbul die 13. Kunstbiennale eröffnet, doch die Ereignisse der letzten Wochen haben das ursprüngliche Konzept der Kuratoren Fulya Erdemci und Bige Örer ziemlich durcheinandergebracht. Der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG hat Fulya Erdemci ein Interview gegeben und erklärt:
„Wir überlegen, uns aus dem öffentlichen Raum zurückzuziehen und die Bühne dem zu überlassen, was geschehen ist. (…) Zudem müssen wir uns ernsthaft fragen, was es bedeutet mit Autoritäten zu kollaborieren, indem wir für Kunstprojekte die Genehmigung einholen. Es sind ja dieselben Autoritäten, die versucht haben, den Widerstand gewaltsam zu unterdrücken.“
Tatsächlich wollten die Biennale-Macher eigentlich auch Orte wie den Taksim-Platz oder den Gezi-Park mit Kunst bespielen, aber auf die entsprechenden Genehmigungen haben sie vergeblich gewartet – und jetzt, nach den Demonstrationen, ist damit sowieso nicht mehr zu rechnen. Dabei ist die Biennale, wie Erdemci sagt ...
„... eine etablierte Institution, verantwortet von einem unabhängigen internationalen Vorstand. Diese Struktur garantiert einen Freiraum für die Arbeit des Kurators und für sein künstlerisches Konzept. Ich bin mir aber nicht sicher, dass die gleiche Freiheit überall und für alle Bereiche der künstlerischen Produktion in der Türkei in gleicher Weise gilt.“
Auch in einem Interview mit der WELT spricht jemand über Freiheit, und zwar so:
„Es macht mir große Sorgen, dass in Russland immer mehr normale Freiheiten, etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die Kunstfreiheit, eingeschränkt werden. Ähnlich wie in Zeiten der Sowjetunion, nur natürlich mit anderen Mitteln.“
Der Geiger Gidon Kremer ist es, der da sagt, als Künstler habe er nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, Farbe zu bekennen.
Dabei ist der 66-Jährige, was die Beurteilung von Kollegen betrifft, betont zurückhaltend, aber er lässt sich in diesem Interview doch ein paar Worte über die Sängerin Anna Netrebko, den Dirigenten Valery Gergiev oder den Bratschisten Juri Baschmet entlocken, die sich an Putin anlehnen oder sogar Wahlkampfwerbung für ihn machen.
„Ich nenne keine Namen, das haben Sie jetzt gemacht ...“
... entgegnet der Lette Kremer. Der Interviewer bleibt hartnäckig und fragt:
„Wie viel Verständnis haben Sie dafür?“
Antwort Kremer:
„Eigentlich kaum. Was solche Leute tun, könnte ich nicht tun und würde es auch nicht tun. Sie nennen ihre Haltung Patriotismus. Für mich hat das mehr mit Opportunismus zu tun.“
... schreibt Mark Siemons in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, und da es über diesen chinesischen Rechtswissenschaftler nicht mal einen deutschen Wikipedia-Eintrag gibt, müssen wir zunächst ein bisschen ausholen, um den Mann vorzustellen: Xu ist 40 Jahre alt und als Dozent an der Pekinger Hochschule für Post und Telekommunikation tätig. Er hat viel für die Entwicklung des Rechtssystems in China getan, ohne dessen Grenzen zu übertreten. Er hat als Anwalt Opfer von verseuchtem Milchpulver vertreten und Menschen, die in illegale Gefängnisse gesteckt wurden. Seine Klienten sind also die Schwachen der Gesellschaft. Und er hat einen Bericht über die Probleme in Tibet erstellt.
Der FAZ-Korrespondent weist darauf hin, dass Xu in seinem Leben zwar schon mehrfach verhaftet wurde – aber, so Siemons:
„Der jetzige Moment gibt dem Arrest eine besondere Symbolik.“
In China wird nämlich gerade heftig über den Rang und das Wesen der Verfassung gestritten. Alle reden von der „Herrschaft des Rechts“, aber es macht einen Unterschied, ob es Parteibonzen tun oder Leute wie Xu Zhiyong, die von offizieller Seite als Anhänger des sogenannten „Konstitutionalismus“ geschmäht werden. Dieser Begriff gehört genauso wie „universelle Werte“ und „Bürgerrechte“ zu einer Reihe von Themen, über die – laut Siemons – an den Universitäten nicht mehr diskutiert werden soll.
Der Vorwurf gegenüber dem Verhafteten lautet übrigens: „Versammlungsbildung zur Störung der öffentlichen Ordnung“.
Das klingt haargenau wie die Anklagen, mit denen die türkische Protestbewegung erstickt werden soll – womit wir beim nächsten Thema sind. In knapp zwei Monaten wird in Istanbul die 13. Kunstbiennale eröffnet, doch die Ereignisse der letzten Wochen haben das ursprüngliche Konzept der Kuratoren Fulya Erdemci und Bige Örer ziemlich durcheinandergebracht. Der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG hat Fulya Erdemci ein Interview gegeben und erklärt:
„Wir überlegen, uns aus dem öffentlichen Raum zurückzuziehen und die Bühne dem zu überlassen, was geschehen ist. (…) Zudem müssen wir uns ernsthaft fragen, was es bedeutet mit Autoritäten zu kollaborieren, indem wir für Kunstprojekte die Genehmigung einholen. Es sind ja dieselben Autoritäten, die versucht haben, den Widerstand gewaltsam zu unterdrücken.“
Tatsächlich wollten die Biennale-Macher eigentlich auch Orte wie den Taksim-Platz oder den Gezi-Park mit Kunst bespielen, aber auf die entsprechenden Genehmigungen haben sie vergeblich gewartet – und jetzt, nach den Demonstrationen, ist damit sowieso nicht mehr zu rechnen. Dabei ist die Biennale, wie Erdemci sagt ...
„... eine etablierte Institution, verantwortet von einem unabhängigen internationalen Vorstand. Diese Struktur garantiert einen Freiraum für die Arbeit des Kurators und für sein künstlerisches Konzept. Ich bin mir aber nicht sicher, dass die gleiche Freiheit überall und für alle Bereiche der künstlerischen Produktion in der Türkei in gleicher Weise gilt.“
Auch in einem Interview mit der WELT spricht jemand über Freiheit, und zwar so:
„Es macht mir große Sorgen, dass in Russland immer mehr normale Freiheiten, etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die Kunstfreiheit, eingeschränkt werden. Ähnlich wie in Zeiten der Sowjetunion, nur natürlich mit anderen Mitteln.“
Der Geiger Gidon Kremer ist es, der da sagt, als Künstler habe er nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, Farbe zu bekennen.
Dabei ist der 66-Jährige, was die Beurteilung von Kollegen betrifft, betont zurückhaltend, aber er lässt sich in diesem Interview doch ein paar Worte über die Sängerin Anna Netrebko, den Dirigenten Valery Gergiev oder den Bratschisten Juri Baschmet entlocken, die sich an Putin anlehnen oder sogar Wahlkampfwerbung für ihn machen.
„Ich nenne keine Namen, das haben Sie jetzt gemacht ...“
... entgegnet der Lette Kremer. Der Interviewer bleibt hartnäckig und fragt:
„Wie viel Verständnis haben Sie dafür?“
Antwort Kremer:
„Eigentlich kaum. Was solche Leute tun, könnte ich nicht tun und würde es auch nicht tun. Sie nennen ihre Haltung Patriotismus. Für mich hat das mehr mit Opportunismus zu tun.“