Von Burkhard Müller-Ullrich

Das Feuilleton beschäftigt sich mit dem Strafprozess gegen Beate Zschäpe vom sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund, der am Mittwoch beginnt. Das zweite Thema ist Architektur: Es geht um Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, die den für den Alexanderplatz vorliegenden Hochhausplan kippen will.
Am Mittwoch beginnt in München der, wie Sven Felix Kellerhoff in der WELT seherisch schreibt,

"wichtigste Strafprozess dieses Jahres,"

nämlich gegen Beate Zschäpe vom sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund, und natürlich sind auch die Feuilletons jetzt voll davon. Kellerhoff zum Beispiel bekundet sein Missfallen an einer für Montagabend im Ersten angekündigten Fernsehdokumentation, in der Zschäpe laut Kellerhoff als

"unwissende Randfigur ( ... ) erscheint."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG warnt derweil vor einer Gruppe, die sich als "Identitäre Bewegung" bezeichnet, und weist auf deren angeblich rechtsextremistischen Diskurs hin. Allerdings geht der FAZ-Text an fast keiner Stelle über die Informationen des einschlägigen Wikipedia-Artikels hinaus.

Dafür versucht der Soziologe Ulrich Bielefeld in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG den Nationalsozialistischen Untergrund mit Hilfe von Elias Canetti in der Tiefe zu enträtseln. Und zwar nimmt er dessen Begriff von der Hetzmasse auf und entwickelt ihn mit der Hetzmeute weiter. Im Unterschied zur Hetzmasse besteht die Hetzmeute nach Bielefeld

"aus einer Gruppe erregter Menschen, die sich wünschen "mehr zu sein". Dichte wird durch Intensität ersetzt. Dichte und Wachstum, Großwerden und Bedeutung muss sich die Meute vorstellen. Die Meute ist unbeirrbar in der Richtung, und alle Mitglieder sind gleich in der Besessenheit vom selben Ziel: dem Mord."

Sozialpsychologisch versiert erklärt der Autor damit, warum der NSU seine Mordtaten auf Video festgehalten hat. Weil nämlich das große "Wir" der imaginierten Gemeinschaft eine Fiktion bleibt, erhält die Meute ihre Intensität durch Inszenierung und Wiederholung. Dazu diente die mediale Reproduzierbarkeit.

Angefangen hatte diese stille Mörder-Meute just, nachdem die Hetzmasse, die sich zu Beginn der 90er-Jahre in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda gezeigt hatte, am gesamtgesellschaftlichen Widerstand gescheitert war. Warum aber die Selbstmotivation der NSU-Mitglieder trotz DVD und mörderischer Aufputschmusik wie dem Song "Döner-Killer" auf die Dauer offenbar misslang, weiß Bielefeld auch nicht. Er schreibt:

"Ohne die Mordzukunft jedoch blieb von der Erwartungsmeute nur eine kleine Gruppe von Mördern und Bankräubern."

Das zweite Großthema der Feuilletons ist Architektur. In der WELT geht Dankwart Guratzsch mit Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ins Gericht, weil sie den seit zwanzig Jahren für den Alexanderplatz vorliegenden Hochhausplan des renommierten Architekten Hans Kollhoff kippen will.

"Frau Lüscher argumentiert nicht etwa demographisch, sondern ästhetisch. Kollhoffs Türme hätten, wären sie je gebaut worden, die DDR-Moderne förmlich "überschrien", sie hätten Blickachsen auf DDR-Hochhäuser verstellt. Übersetzt heißt das: Die Rettung dessen, was von verpfuschtem Städtebau der DDR übrig ist, soll von nun an wichtiger sein als Stadtreparatur."

Auch die FAZ handelt vom Bauen in Berlin, und zwar von jenem Hausprojekt, dem die berüchtigte "East Side Gallery" weichen soll.

"Die Mauer ist in Berlin lange nur als ein Hindernis gesehen worden", sagt Franz Schulz. Er ist für die Grünen Bürgermeister von Friedrichshain und Kreuzberg, zwischen denen die Mauer einst verlief. Alle Bescheide, die der Bezirk in den letzten Jahren zu dem Wohnturm erteilt hat, tragen seine Unterschrift. Erst vor zwei Monaten hat er noch den Vertrag unterschrieben, der regelt, dass der Investor eine mehrere Meter breite Lücke in die East Side Gallery schlagen darf. Kurz darauf gab er ein Zeitungsinterview und erklärte, dass er seit Jahren versuche, das Projekt zu verhindern, und ging zur Protestdemonstration."

Soweit die FAZ - und zum Schluss noch ein Bauprojekt in Frankfurt am Main, über das Dirk Kurbjuweit im SPIEGEL schreibt. Der Wiener Architekt Wolf D. Prix von der legendären "Coop Himmelb(l)au" hat den Neubau der Europäischen Zentralbank entworfen. Er möchte Häuser schaffen, wie der FC Barcelona Fußball spielt. Da für Prix alles mit allem zusammenhängt, was er auch ständig sagt, glaubt er sicher auch, dass mit dem richtigen Gebäude auch der Euro eine schöne Sache wird.